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E-Book

Das Burnout-Syndrom

Theorie der inneren Erschöpfung - Zahlreiche Fallbeispiele - Hilfen zur Selbsthilfe

AutorBurisch Matthias
VerlagSpringer-Verlag
Erscheinungsjahr2005
Seitenanzahl317 Seiten
ISBN9783540296607
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis22,99 EUR
Burnout ist ein Phänomen, das in jedem Beruf und in beinahe jeder Lebenslage auftreten kann - bei Lehrern und Pflegepersonal, bei Künstlern und Entwicklungshelfern, aber auch bei Ingenieuren und Professorinnen. Burisch entwickelt als Experte für die Thematik eine umfassende Theorie des Burnout-Syndroms - die er auf sehr lebendige und mit Fallbeispielen veranschaulichte Weise darstellt. Dabei spricht er sowohl Fachleute als auch Betroffene an - trotz hohen theoretischen Niveaus verliert er nie den Bezug zu Alltagserfahrungen aus dem Auge. Das Buch liefert prinzipiell jedem Betroffenen Deutungsmuster für seine Situation.

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Leseprobe
Definitorische Eingrenzung (S.14-15)

1.1 Definitionsprobleme

Das schwerwiegendste Hindernis für eine fundierte Erforschung des Burnout-Syndroms ist zweifellos das Fehlen einer handhabbaren Definition, die überzeugen könnte (Maslach, 1982b). Alle einschlägigen Versuche sind bis heute entweder zu umfassend oder zu spezifisch, was anfangs aus der damals überwiegenden Orientierung auf Interventionen zu erklären war. Man mag sich wundern, wie denn unter diesen Umständen überhaupt so etwas wie eine Burnout-Forschung möglich war – wie kann man etwas erforschen, das noch gar nicht definiert ist?

Nun ja, zunächst einmal hatte jeder, der sich in den frühen Jahren äußerte, vermutlich seine eigene, implizite Definition, die oft auch expliziert wurde, anhand von kurzen Fall-Vignetten, Interview-Ausschnitten oder Symptomlisten. Oder er bezog sich auf Definitionsversuche der bekannteren Autoren, in der Regel also auf Herbert Freudenberger oder Christina Maslach (die übrigens bemerkenswert wenig übereinstimmten). Natürlich war die Gefahr der Zirkularität nicht gebannt, wenn Definitionen »anhand konkreter Fälle« versucht wurden. (Auch dieses Buch hat so begonnen.) Bevor man den persönlichen Hintergrund, die Lebensumstände, die Reaktionen im akuten Stadium und schließlich die längerfristige Entwicklung eines von Burnout betroff enen Individuums studieren könnte, um es mit anderen, gegensätzlichen, zu vergleichen, wäre ja eine trennscharfe Regel von nöten, die es gestatten würde, den einen Fall unter Burnout einzuordnen, den anderen nicht.

Abgesehen davon, dass die vorgeschlagenen »Regeln« alles andere als trennscharf waren – sie beruhten auf eben den Fällen, die nun wiederum zur Illustration herangezogen wurden! Man hob sich sozusagen an den eigenen Haaren aus dem Sumpf, an den eigenen Schnürsenkeln vom Boden ab. Wahrscheinlich ist aber eine solche »Bootstrapping«-Phase, in der man sich in Zyklen vom Startpunkt bloßer Intuition allmählich zu objektivierbaren Einteilungen hocharbeitet, am Anfang einer Forschungsentwicklung nicht zu überspringen. Zugegeben, es handelt sich um ein langwieriges Unterfangen ohne Erfolgsgarantie. Die Burnout-Forschung hat versucht, die kasuistische Phase zu überspringen; vielmehr, sie hat deren Notwendigkeit nicht so recht gesehen. Das ist ihr m. E. schlecht bekommen. Auf dem Krakauer Kongress 1990 hatte ich ein kollaboratives Forschungsprojekt vorgeschlagen.

Wer immer sich berufen fühlte, sollte zwei ausführliche Fallbeschreibungen einschicken: Eine für einen prototypischen Fall von Burnout; eine zweite, möglichst weitgehend vergleichbare, die aber nicht als Burnout-Fall angesehen wurde. Jeder hätte dann alle eingesandten Fälle nach seinen eigenen Kriterien blind klassifiziert und seine Entscheidungen begründet. Aus der Zusammenschau einer größeren Zahl solcher Real-Fälle und der darauf aufbauenden Diskussion hätte sich vielleicht handfester destillieren lassen, was Theoretiker, Forscher und Praktiker unter Burnout verstehen. Leider war das Interesse an der Idee verschwindend gering; lediglich Ayala Pines und Herbert Freudenberger (damals noch am Leben und brieflich kontaktiert) wollten Zeit investieren. Man kann nur spekulieren, was diesen ersten Schritt hat scheitern lassen. Jedenfalls wurde nichts aus dem Vorhaben. Im Herbst 2004 erhielt ich Gelegenheit, die Idee wiederzubeleben.

Auf dem 1. Kongress von SwissBurnout, einem Anfang 2004 gegründeten Verein, der sich als Dialogplattform für alle am Thema Engagierten versteht, fand das so viel ische Eingrenzung Anklang, dass ich begonnen habe, Mitstreiter für eine Neuauflage meiner Idee zu suchen. Zurück zu den frühen Stadien der Burnout-Forschung. Der kasuistische Zugang war der Gestaltqualität des Phänomens vermutlich angemessener als der, der ihn ablöste. Ab Anfang der 80er Jahre des 20. Jahrhunderts nämlich etablierte sich ein einziges Messinstrument als Maß aller Dinge (das Maslach Burnout Inventory, bei nur schwacher Konkurrenz von Ayala Pines‘ Tedium Measure; 7 Absch. 1.2.2).

Mit diesen Fragebögen bewaffnet, konnte nun jede und jeder nach Herzenslust herumforschen, ohne sich über Natur und Definition von Burnout auch nur einen einzigen Gedanken gemacht zu haben. Je höher die Punktwerte, desto »ausgebrannter« der Proband, ganz einfach. Die erwähnte Schwemme von Examensarbeiten und Dissertationen wäre ohne diesen Zugang nicht denkbar gewesen. Freilich, das sei nicht bestritten: Empirische Forschung an größeren Gruppen von Individuen ist ohne ökonomische Instrumente kaum möglich. Bis heute existieren beide Zugänge nebeneinander: Der qualitative, an Fällen orientierte, ganzheitlich-verbale dominiert die eher klinisch ausgerichtete Ratgeber-Literatur, der quantitative die Forschung. Beide haben ihre Schwächen.
Inhaltsverzeichnis
Vorbemerkung5
Vorwort zur dritten Auflage7
Wie häufig ist Burnout?9
Lebenshilfe: Nicht beabsichtigt11
Vorwort zur ersten und zweiten Auflage13
Inhaltverzeichnis15
Einführung17
Was ist Burnout?18
Wie kommt Burnout zustande?20
Burnout – Die Karriere eines Begriffs21
Vertraute Fragen, neue Zusammenhänge23
Zwischenbilanz26
Definitorische Eingrenzung29
Definitionsprobleme30
Verbale Definitionsversuche33
Eingrenzungsmöglichkeiten36
Symptomatologie37
Burnout-Symptomatik – Eine Synopse40
Messung von Burnout50
Verlauf55
Ätiologie60
Lauderdale: Enttäuschte Rollenerwartungen61
Meier: Pessimistische Prognosen63
Perlman und Hartman: Ein komplexes Modell64
Freudenberger: Verfehlte Lebenspläne66
Maslach: Ein umfangreiches Werk67
Fischer: Burnout als Selbstverbrennung70
Ressourcenschutz als Top-Priorität – die COR-Theorie Stevan Hobfolls73
Die holländische Schule: Geben ist seliger denn Nehmen – oder?75
Lennart Hallstens Prozessmodell von Burnout77
Burnout nach Praxisschock – die Arbeiten von Cary Cherniss80
Wenn Sinn und Zweck verloren gehen – Ayala Pines‘ »Existentielle Perspektive«89
Burnout und Stress92
Nähe als Stressor93
Anleihen bei benachbarten Forschungsgebieten95
Der Beitrag der Stressforschung97
Physiologische Stressforschung97
Psychologische Stressforschung101
Organisationspsychologische Stressforschung103
Konflikt und Konfliktverarbeitung111
Person-Environment-Fit als übergreifende Konzeption116
Ertrag119
Untersuchungen zu Kontrollverlust, Hilflosigkeit und Frustration120
Kontrollverlust und Hilflosigkeit121
Frustration und Frustrationsfolgen125
Rückgewinnung von Kontrolle132
Situationskontrolle und Dominanzgefühl133
Kontrolle – soviel wie möglich?134
Ertrag135
Psychosomatik von Ulzera, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs136
Ulzera137
Herz-Kreislauf-Erkrankungen139
Krebs142
Ertrag145
Theorien der Arbeits(un)zufriedenheit146
Herzbergs Zwei-Faktoren- Theorie147
Das Bruggemann-Modell148
Ertrag149
Subjektives Wohlbefinden und Imagination150
Was ist Glück, und woher kommt es?150
Die Innenwelt als Anreizlandschaft152
Verarmung der Anreizlandschaft154
Erleben zwischen Vergangenheit und Zukunft158
Ertrag159
Ein integrierendes Burnout-Modell161
Ist eine allgemeine Burnout-Theorie überhaupt möglich?163
Autonomie und Autonomieeinbußen166
Stress erster und zweiter Ordnung169
Autonomieeinbußen durch Konflikte171
Die Veränderung der Anreizlandschaft und ihre Folgen172
Die ungestörte Handlungsepisode175
Die gestörte Handlungsepisode178
Störfälle178
Beispiele gestörter Handlungsepisoden180
Die Bewältigung von Störungen185
Kritische Handlungsepisoden189
Die Handlungsepisode des Ausbrenners192
Anfänge des Burnout-Prozesses192
Die Handlungsepisode bei fortgeschrittenem Burnout193
Fallbeispiel: Burnout einer Krankenschwester210
Persönliche Risikofaktoren213
Persönlichkeit versus Umwelt als Burnout-Faktoren213
Disponierende Persönlichkeitsmerkmale215
Umweltfaktoren229
Sozial- und Dienstleistungsberufe231
Großorganisationen233
Gesellschaftliche Einflüsse234
Forschungsstand, Forschungsbedarf und Forschungsmöglichkeiten240
Forschungsstand241
Forschungsbedarf244
Forschungsstrategien247
Forschungsmethoden248
Umwege und Auswege250
Vorbemerkungen251
Empfehlungen aus der Literatur252
Literatur zu Stressmanagement252
Literatur zu Burnout255
Erfolgsuntersuchungen258
Empirische Studien zu Stressmanagement259
Empirische Studien zu Burnout-Interventionen261
Eigene Erfahrungen272
Eigene Empfehlungen283
Enttabuisierung283
Selbsthilfe und Supervision284
Organisationsentwicklung285
Bescheidenere Erwartungen285
Nähe286
Selbstakzeptierung287
Autonomie288
Anhang Burnout: Therapiemöglichkeiten für Ausbrenner289
Vorbemerkungen290
Indikationskriterien291
Kurzcharakterisierung verschiedener Therapieverfahren292
1. Gesprächspsychotherapie (GT auch Nondirektive Therapie Klientenzentrierte Psychotherapie Rogerianische Psychotherapie)292
2. Logotherapie293
3. Rational-emotive Therapie (RET)293
4. Transaktionsanalyse (TA)294
5. Gestalttherapie294
6. Psychodrama295
7. Katathymes Bilderleben (KB)296
8 Körpertherapien296
Schlussbemerkung297
Literatur298
Sachverzeichnis316

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