Nicht christliche Quellen
Weitere schriftliche Quellen sind jene, die über Jesus bzw. die Anfänge des Christentums berichten, wobei christliche Einfügungen oder Ergänzungen, wie z. B. im Text des Flavius Josephus, möglich sind (siehe Tab. 2). Sie wurden meist von Historikern verfasst, wie Flavius Josephus, einem Soldat jüdischer Abstammung, dessen umfangreiches Werk zur jüdischen Geschichte von großer Bedeutung ist, oder Tacitus, einem römischen Geschichtsschreiber. Plinius dagegen, ein weiterer wichtiger Zeuge, stammte aus dem römischen Adel und war in Kleinasien bei Anzeigen gegen Christinnen und Christen zugegen, während Sueton umfangreiche Kaiserbiographien erstellte.
Diese Texte sind insofern interessant, als sie schon von einer Gruppierung von Gläubigen sprechen, die auf einen Menschen zurückgeht, der Jesus, Sohn des Josef heißt. In den Texten ist vor allem von Christus die Rede, was kein Nachname im heutigen Sinn ist, weil es einen solchen in jener Zeit nicht gegeben hat. Christus ist ein Hoheitstitel im Griechischen und bedeutet, wie das hebräische Wort Messias, „der Gesalbte“ und bezog sich ursprünglich auf die zu erwartende Erlösergestalt im Judentum.
Tab. 2: Nicht christliche Quellen
1.2.2 DAS LEBEN DES JESUS VON NAZARET
Werden die historischen Hintergründe berücksichtigt, lebte Jesus von Nazaret in einer Zeit voller Spannungen, die im Judentum durch die verschiedenen Strömungen zum Ausdruck kamen und sich durch die von Rom eingesetzten Herrscher zusätzlich verkomplizierten. Ein ersehnter Erlöser, der durch die prophetischen Texte des Alten Testaments schon lange angekündigt wurde, war durch das Wirken und Erleben für viele Jesus von Nazaret. Er leugnete seine jüdischen Wurzeln nicht und spielte immer wieder darauf an. Zusätzlich fiel er durch seinen zwanglosen Umgang mit Frauen und Kranken bzw. Aussätzigen auf und ignorierte damit bestehende Traditionen.
Wie schon oben erwähnt, lassen sich die Lebensanfänge Jesu nicht eindeutig klären, jedoch verweisen schon prophetische Texte des Alten Testaments auf das Kommen des Erlösers, der in der Stadt Davids, in Betlehem, geboren werden sollte. Sein öffentliches Wirken begann nach der Taufe durch Johannes den Täufer am Jordan. Diese Taufe war zugleich Initiationsritus für das weitere Wirken, das sich nach heutigen Untersuchungen über ein bis maximal drei Jahre erstreckte. Erst nach der Taufe kam es im ländlichen Gebiet Galiläas, etwas mehr als 100 km von Jerusalem entfernt, zur Sammlung seiner ersten Jünger bzw. Apostel. Diese waren zumeist einfache Menschen, die im ländlichen Raum wohnten und Berufe wie z. B. den des Fischers ausübten. In weiterer Folge lehrte Jesus in Gleichnissen, um den Menschen die Größe Gottes und die Wichtigkeit des gerechten Lebens vor Augen zu führen. Während dieser Lehrtätigkeit kam es zu Begegnungen mit Kranken, die während der Nacht vor die Dörfer geschickt wurden, um nicht ihr erfahrenes Unheil auf die anderen zu übertragen. Gerade diesen sog. Tun-Ergehen-Zusammenhang – jemand ist krank, weil er oder seine Eltern gesündigt haben –, der die Vorstellungen der Menschen der damaligen Zeit prägte, durchbrach Jesus. Er ging zu jenen, die niemanden mehr hatten und ohne Familienbande einsam und allein leben mussten und nicht einmal zu religiösen Feiern zugelassen wurden. (Stegemann 1997, S. 132f)
Die Evangelisten berichten von Heilungen bei Begegnungen zwischen Jesus und den Kranken bzw. Aussätzigen. Diese wurden durch diesen Heilungsprozess wieder in die Gesellschaft zurückgeholt. Dass früher oder später der Konflikt mit Strenggläubigen oder Vollziehern der religiösen Vorschriften vorprogrammiert war, scheint verständlich, zumal mit dieser neuen Form des Gottesbildes und der Menschlichkeit auch die Autorität der Repräsentanten des jüdischen Glaubens in Frage gestellt wurde. Denn grundsätzlich machte der Umgang mit nicht gesellschaftsfähigen Menschen unrein und man wurde somit selbst ein Teil jener Ausgeschlossenen bzw. Aussätzigen.
Die Spannungen, die Jesus hervorrief, betrafen ebenso seine Anhänger. So befand sich unter den zwölf Aposteln Judas Iskariot, der Jesus laut den Evangelisten verriet. Judas wird den Zeloten, einer kämpferischen Widerstandsgruppe, zugerechnet, die vor Waffengewalt nicht zurückschreckte. (Nowak 1997, S. 12) Seine Stellung wird verschieden diskutiert (Bösen 1994, S. 146f). Jedenfalls verriet Judas Jesus nach (!) dem Abendmahl und führte die römische Kohorte zu ihm in den Garten am Fuße des Ölbergs – womit der Anfang eines qualvollen Weges eingeleitet wurde.
Die Apostel verstanden erst nach dem Tod Jesu dessen Verhalten. Ein Apostel zückte sogar das Schwert, um Jesus bei der Verhaftung am Ölberg zu verteidigen. Doch Jesus wies ihn zurecht und bat ihn, das Schwert zurückzustecken (z. B. MtEv 26,51ff). Selbst Petrus, dem die Führung der Anhängerschar nach der Hinrichtung Jesu übertragen wurde, konnte das Verhalten Jesu nicht nachvollziehen und machte ihm Vorwürfe. Das Unverständnis des Petrus äußerte sich noch einmal deutlich im Verrat durch denselben während des Verhörs Jesu.
Der weitaus größere Konflikt bestand vor allem in Bezug auf die priesterliche Aristokratie (Sadduzäer), da diese merkte, dass Jesus die gängige Tempelpraxis mit seinen vielen Facetten in Frage stellte. So musste z. B. Geld zuerst in eine eigene Währung gewechselt werden, bevor man damit Opfertiere kaufen durfte. Ebenso glich der Tempelvorplatz mit den unzähligen Händlern einem Markt, auf dem ein ruhiges Gebet oder ein Einstimmen auf eine Gottesbegegnung nicht möglich war. Zudem erklärte Jesus, dass für das Beten nicht primär ein Tempel notwendig sei. Gebet sei immer und überall möglich. Dies brachte er im Gebet des Vaterunsers – dessen jüdische Wurzeln unverkennbar sind – zum Ausdruck.
Dies alles gipfelte im Feiern des letzten Abendmahls, bei dem das jüdische Pessach- bzw. Pascha-Mahl mit dem ungesäuerten Brot und Wein eine Neudeutung erfuhr, die bis heute die christliche Liturgie prägt. Brot und Wein werden zu Leib und Blut Christi, welche je nach konfessioneller Ausrichtung verschiedene theologische Interpretationen erfuhren. Diese reichen von der Realpräsenz Jesu bis zur symbolischen Anwesenheit Jesu während des Abendmahls. Die nachfolgende Verhaftung und Verurteilung – Teile der jüdischen Oberschicht im Hohen Rat (Synhedrion) unter Vorsitz des Hohepriesters forcierten dies – durch Pontius Pilatus (Statthalter von 26–36 n. Chr.) ist der einzige historische Anhaltspunkt in den Evangelien, der eine zeitliche Einordnung zulässt. Durch die Abfolge von Pascha- bzw. Pessach-Mahl (heutiger Gedenktag: Gründonnerstag), der Hinrichtung am folgenden Tag (heutiger Gedenktag: Karfreitag) sowie dem nachfolgenden Sabbat (Samstag) wird das Jahr 30 n. Chr. meist als Todesjahr favorisiert. (Bösen 1994, S. 89) Dass der Tod Jesu am Kreuz so schnell eintrat, ist wohl ein Zeichen der intensiven Folterung durch die römischen Soldaten, die der Verurteilung voranging Die Kreuzigung war von den Römern eine gern praktizierte Form der Hinrichtung, da diese als Abschreckung dienen sollte. Gerade aber auf diese schändliche Art zu sterben – nackt, den Blicken der Vorbeigehenden vor den Toren der Stadt ausgesetzt – ließ viele zweifeln, ob so ein Mensch Gottes Sohn sein konnte und sich fragen, warum dies auf so schreckliche Art passieren musste. Selbst die Apostel und seine Anhänger liefen nach der Gefangennahme Jesu davon oder versteckten sich. Nur seine Mutter Maria und andere Frauen (sowie der Lieblingsjünger [nur im JohEv]), die in allen Evangelien erwähnt werden, blieben treu bis zum Tod am Kreuz an der Seite Jesu. (Vogel 2008, S. 106)
Schließlich änderte sich das Verhalten einzelner Männer und Frauen, die Jesus gefolgt waren, nachdem Frauen von einem leeren Grab erzählten. Sie wollten eigentlich den Leichnam, wie dies damals nach dem Tod eines Menschen üblich war, mit wohlriechenden Salben einbalsamieren. Normalerweise geschah dies nach dem Tod eines Verstorbenen. Da aber Jesus am Nachmittag eines Freitags verstarb, musste man auf Grund des jüdischen Gesetzes den Leichnam noch vor dem Sonnenuntergang und damit vor Beginn des Sabbats begraben. Jedoch war auch am Sabbat (Samstag) der Dienst am Verstorbenen nicht erlaubt. So kamen die Frauen am driften Tag (Sonntag) zum Grab, um dies nachzuholen – und berichteten von einem leeren Grab und, je nach schriftlicher Tradition in den einzelnen Evangelien, verschiedenen Erscheinungen.
Diese Schilderungen vom leeren Grab und das Sprechen von der Auferstehung Jesu veränderten die Welt. Von diesem Zeitpunkt an erhielt das Wort und Tun Jesu eine neue Bedeutung. Seine Anhänger verkündeten nun, zuerst im jüdischen Umfeld, die Botschaft vom Messias, der gekommen war, um die Welt vom Tod zu erlösen.
Auf Grund dieser vielen verschiedenen Erfahrungen und Schilderungen darf es nicht verwundern, dass das Bild Jesu viele Facetten...