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E-Book

Das Geheimnis guter Kommunikation

In der Liebe, im Beruf, in der digitalen Welt - Ein SPIEGEL-Buch

VerlagDeutsche Verlags-Anstalt
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl192 Seiten
ISBN9783641189501
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis11,99 EUR
Versteh mich nicht falsch!
Ob privat oder professionell, direkt oder digital: Der Mensch ist ein Beziehungswesen und darauf angewiesen, mit anderen in gutem Kontakt zu stehen. Wem es gelingt, den richtigen Ton zu treffen, ist fast immer im Vorteil. Doch worauf kommt es in unterschiedlichen Gesprächssituationen an? Und mit welchen Strategien lässt sich die Verständigung verbessern, beruflich wie privat?

Auf Basis neuester psychologischer Erkenntnisse und aktueller Kommunikationskonzepte gibt das vorliegende Buch Hilfestellung dabei, in jeder Lebenslage erfolgreich zu kommunizieren. SPIEGEL-Autoren und Kommunikationsexperten stellen etwa Trainingsprogramme vor, mit denen man lernen kann, in Partnerschaft und Familie besser miteinander zu sprechen und offener zuzuhören, und sie geben Tipps, wie wir uns bei einer Bewerbung gut präsentieren und konstruktiv mit Kollegen und Chefs umgehen.

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Leseprobe

»Zauberkraft zwischen zwei Menschen«

Kaum jemand weiß so viel über Kommunikation wie Friedemann Schulz von Thun. Hier erklärt der Psychologe, warum es auf Stimmigkeit mehr ankommt als auf angelernte Techniken. Und wie er sein inneres Team aufstellt.

Das Gespräch führten
Angela Gatterburg und Dietmar Pieper.

SPIEGEL: Herr Schulz von Thun, wie finden Sie das öffentliche Auftreten der Bundeskanzlerin?

Schulz von Thun: Wohltuend unnarzisstisch, mit allen Vor- und Nachteilen, die das hat. Die Vorteile: Frau Merkel wirkt pragmatisch, sachverständig, unaufgeregt, uneitel. Der Nachteil: Wer so auftritt, erscheint wenig charismatisch. Das kann bedeuten, dass man die Herzen der Zuhörer nicht erreicht. Es wird wohl so leicht niemand sagen: Eine Rede von Frau Merkel hat mich berührt und zutiefst erreicht.

SPIEGEL: Hat die Kommunikationsfähigkeit in unserer Gesellschaft Ihrer Meinung nach eher zu- oder eher abgenommen?

Schulz von Thun: Insgesamt hat sie wohl eher zugenommen. Die Anzahl der Leute, die frei sprechen können, ist deutlich größer geworden, ebenso die Fähigkeit, schlagfertig Klartext zu sprechen. Dagegen verlieren wir an Tiefe, seit wir keine Briefe mehr schreiben. Früher hatten innere Bilder die Chance, noch einmal das Herz zu umrunden, bevor sie spruchreif werden konnten. Die Fähigkeit, das Gedachte und Gesagte mit dem zu verbinden, was uns zutiefst ausmacht, diese Fähigkeit droht abzunehmen.

SPIEGEL: Der Druck, sich verbal gut auszudrücken, beginnt für Kinder bereits in den Schulen. Die Bewertung der mündlichen Beteiligung macht heute oft zwei Drittel der Gesamtnote aus.

Schulz von Thun: Die Leistungsbewertung sollte eher 50:50 sein, denke ich. Jemand, der schüchtern ist, aber ausgezeichnete schriftliche Ausführungen abliefert, wird sträflich benachteiligt.

SPIEGEL: Vielleicht ist diese Art der Bewertung nicht gerecht, entspricht aber den Erfordernissen der heutigen Zeit, sich zu zeigen, gut aufzutreten …

Schulz von Thun: … sich Gehör zu verschaffen, eine gute Figur zu machen. Das Ideal der Extrovertiertheit steht zu hoch im Kurs. Die Qualitäten introvertierter Schüler sollten entdeckt und mehr gewürdigt werden.

SPIEGEL: In Ihrem neuen Buch sprechen Sie mit dem Medienwissenschaftler Bernhard Pörksen auch über die sozialen Medien. Befördert die permanente Selbstdarstellung einen neuen Narzissmus?

Schulz von Thun: Der ständige Drang, die eigene Befindlichkeit kundzutun, kann wahrlich überhandnehmen. Aber obwohl ich ein altmodischer Mensch bin, sehe ich auch, dass die neuen Medien tolle Optionen und Vernetzungschancen für Menschen bieten, die sich nicht dauernd begegnen können.

SPIEGEL: Zeigt das fortwährende Posten von Bildern vielleicht nur eins: die Banalität des Banalen?

Schulz von Thun: Möglicherweise entzieht man sich durch die vielen Fotos dem Zauber des Augenblicks. Allerdings: Indem ich poste, trage ich auch zu meiner Identitätsbildung bei. Wer bin ich, was macht mich aus? Diese Fragen stellen sich Heranwachsende sehr stark, mit gutem Grund. Wer sich auf kreative Weise im Netz sichtbar macht, vergewissert sich seiner selbst. Ich erinnere mich, wie ich mit 30 Jahren die wichtigsten Fotos eines Jahres im Wohnzimmer aufgehängt habe. Das gab mir so ein Gefühl von: Aha, das war dein Jahr, so ist dein Leben!

SPIEGEL: Hoch im Kurs stehen heute Transparenz, Offenheit und Authentizität. Die sind Ihrer Meinung nach keineswegs immer und ständig angebracht. Warum nicht?

Schulz von Thun: Ich habe zum Leitbild nicht die Authentizität erkoren, sondern die Stimmigkeit. Eine Kommunikation ist gut, wenn sie stimmig ist, und sie ist stimmig, wenn du erstens in Übereinstimmung mit dir selbst bist. Zweitens ist wichtig, dass du der Wahrheit der Situation gerecht wirst und der Rolle, die du darin hast. Jetzt gerade interviewen Sie mich; würde einer von Ihnen nun sein Leben vor mir ausbreiten samt seiner Facebook-Fotos, so würde das zu Ihrer Rolle und zu unserer Situation nicht passen. Wesensgemäß und situationsgerecht soll es im Gespräch zugehen, das macht die Stimmigkeit aus, das ist mein Ideal.

SPIEGEL: Wer sich, vermeintlich oder tatsächlich, authentisch zeigt, wird heute bejubelt. Was genau verbirgt sich hinter diesem Anspruch, sei authentisch?

Schulz von Thun: Wahrscheinlich hat die Authentizität zu Recht Karriere gemacht, denn das Gegenteil davon ist ja die Hochglanzfassade, hinter der der Mensch mit seiner inneren Wahrheit nicht spürbar ist. Das Ergebnis ist eine verstellte, manipulative Kommunikation ohne Kontakt zu sich selbst. Das Authentische musste ich übrigens auch erst lernen, ich konnte zwar eloquent reden und Sprüche klopfen, aber ich fand nur schwer Zugang zu mir. Die Entwicklung zur Selbstempathie, dass ich mitkriege, was mit mir los ist und wie meine innere Wahrheit aussieht, das ist ein höchst wertvoller menschlicher Vorgang.

SPIEGEL: Authentizität erfordert demnach, sich selbst zu begegnen.

Schulz von Thun: Ja. Es ist wichtig, sich mit sich auseinanderzusetzen, auch mit den Teilen, die eher im Schatten liegen, unperfekt sind, die Möglichkeit des Scheiterns in sich tragen. Sei du selbst und werde, der du bist, dieses alte humanistische Ideal taucht in der Authentizität wieder auf.

SPIEGEL: Es gibt die daran anschließende Forderung: Mach dich selbst zu einer Marke, wuchere mit deiner Persönlichkeit. Ergebnis: Das authentische Ich produziert sich immerzu.

Schulz von Thun: Da beginnt die Übertreibung, die einen Wert in einen Unwert verwandelt. Ruth Cohn, eine meiner früheren Lehrerinnen, hat unterschieden zwischen der maximalen Authentizität mir selbst und der optimalen Authentizität anderen gegenüber. Und die hängt von der Situation ab, von der Beziehung, von meiner Rolle. Ich etwa werde mich während der Begegnung mit zwei SPIEGEL-Journalisten durchaus öffnen, soweit das dem Thema dienlich ist, meine Intimität aber auch schützen. Vielleicht bin ich dann nicht hochauthentisch, aber stimmig.

SPIEGEL: Sollten alle dasselbe lernen, um Stimmigkeit zu erreichen?

Schulz von Thun: Nein. Mancher ist so auf seine Fassade festgelegt, dass es für ihn wertvoll wäre, erkennbar werden zu lassen, wie es wirklich um ihn bestellt ist. Andere hingegen tragen dauernd ihr Herz auf der Zunge, für sie gilt: die eigene Befindlichkeit mal hintenanstellen und auf die sachlichen Gegebenheiten schauen. Was der eine dringend braucht, hat der andere schon viel zu viel – das wussten wir damals nicht, als wir Anfang der Siebzigerjahre anfingen mit unseren Lehrertrainings. Viele Lehrer waren damals noch autoritär, herabsetzend und gängelnd, denen wollten wir Achtung und Wertschätzung beibringen. Andere Lehrer waren viel zu lieb und hätten dringend lernen müssen, sich kraftvoll Respekt zu verschaffen.

SPIEGEL: Wenn jemand zu Ihnen kommt, der eitel und selbstbezogen ist und lernen möchte, stimmig zu kommunizieren, findet dann eine Art psychologischer Prozess statt?

Schulz von Thun: Unbedingt. Vielleicht stellt sich heraus, er ist so eitel, weil innerlich vieles im Argen liegt, und das möchte er vor sich und anderen verbergen. Die Eitelkeit ist für ihn eine Art Notlösung. Aber glücklich macht ihn das nicht. Also könnte es helfen, den inneren Menschen genauer anzuschauen, die wunden Punkte zu identifizieren und ein besseres Selbstbewusstsein zu gewinnen, das in sich ruht und nicht dauernd die Glocken läuten muss.

SPIEGEL: Ihre Beratung geht demnach weit über die Vermittlung rhetorischer Techniken hinaus.

Schulz von Thun: Ja, das Stimmigkeitskonzept ist der Abschied von jeder Verhaltensschablone. Es mutet dir zu, dir die Besonderheiten der Situation anzuschauen und die Besonderheiten deiner inneren Wahrheit.

SPIEGEL: Klingt anspruchsvoll. Ohne eine gehörige Portion Lernbereitschaft, Reflexionsvermögen und Selbsterkenntnis geht es anscheinend nicht, wenn man gut kommunizieren will.

Schulz von Thun: Es gibt ein Arsenal an wertvollen Tools und Techniken, aber sie sind sekundär. Darin liegt häufig das Elend der Geschulten: Die haben sich viele Techniken draufgeschafft, aber der innere Mensch dahinter kommt nicht nach, und so hat man es dann nur mit seinem Schulungsgeklapper zu tun, nicht mit der menschlichen Substanz. Deshalb kann bei einer Schulung zur sogenannten rhetorischen Optimierung die wahre Persönlichkeit auf der Strecke bleiben – statt zunehmend Gestalt anzunehmen.

SPIEGEL: Da Sie die Kommunikation vom innersten Wesen her so betonen: Gibt es Ihrer Meinung nach eine Sehnsucht des Menschen nach einem angemessenen Selbstausdruck?

Schulz von Thun: Diese Sehnsucht gibt es, zu Recht, denn gute Kommunikation ist heilsam: Wenn ich zu dem stehen kann, was mich innerlich ausmacht und dafür eine Sprache finde, hat das eine therapeutische Qualität.

SPIEGEL: Vielleicht ist das mit der Grund dafür, dass Ihr Kommunikationsquadrat längst Schulstoff geworden ist. Welche Werte wollen Sie mit dem Quadrat vermitteln?

Schulz von Thun: Wenn wir Kommunikation mit Musik vergleichen, ist es so: Das Quadrat kann uns musikalischer machen. Ich bekomme mehr von den Untertönen mit,...

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