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Versicherungsvertreter, Mehrfachagenten, Strukturvertriebe, makelnde Finanzdienstleister, echte Makler – Abgrenzung der verschiedenen Vermittlertypen
Wenn Sie sich mit dem Gedanken tragen, in die Finanzdienstleistungsbranche einzusteigen, um dort Ihre berufliche Heimat zu finden, werden Sie sich mit zahlreichen grundsätzlichen Fragestellungen konfrontiert sehen, die ich nachfolgend der Reihe nach beleuchten möchte. Am Wichtigsten ist es sicher, zu aller erst zu klären, in welcher Eigenschaft Sie in Zukunft tätig werden möchten. Deshalb folgt hier zunächst ein Überblick über die unterschiedlichen Vermittler- bzw. Beratertypen.
4.1 Der Versicherungsvermittler
Der Versicherungsvermittler ist in § 59 Abs. 1 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) definiert:
»Versicherungsvermittler im Sinn dieses Gesetzes sind Versicherungsvertreter und Versicherungsmakler.«
Der Versicherungsvertreter
Versicherungsvertreter ist gem. § 59 Abs. 2 VVG,
»wer von einem Versicherer oder einem Versicherungsvertreter damit betreut ist, gewerbsmäßig Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.«
Der Versicherungsvertreter ist also ein Versicherungsvermittler, der lediglich für ein Versicherungsunternehmen tätig ist und dabei eindeutig im Lager der von ihm – im umgangssprachlichen, nicht im juristischen Sinn – vertretenen Gesellschaft steht, also beispielsweise der »Allianz Vertreter«. Entsprechend arbeitet der Bausparvertreter für eine einzelne Bausparkasse.
§ 92 Abs. 1 HGB definiert den Versicherungsvertreter leicht anders als der o. g. § 59 Abs. 2 VVG, nämlich:
»Versicherungsvertreter ist, wer als Handelsvertreter damit betraut ist, Versicherungsverträge zu vermitteln oder abzuschließen.«
Bezieht sich die Tätigkeit des Handelsvertreters auf die Vermittlung oder den Abschluss von Versicherungsverträgen, so ist er also nach § 92 Abs. 1 HGB Versicherungsvertreter. Gemäß § 92 Abs. 2 HGB findet das Handelsvertreterrecht der §§ 84ff. HGB mit den der Versicherungsbranche Rechnung tragenden Besonderheiten des § 92 Abs. 2 und 3 HGB grundsätzlich auf das Verhältnis zwischen Versicherungsvertreter und Versicherer Anwendung (Roth in: Koller/Roth/Morck, HGB, 7. Aufl. 2011, § 92 Rdnr. 1).
Da der Versicherungsvertreter regelmäßig ausschließlich für eine einzelne Versicherungsgesellschaft als Vermittler tätig ist, hat sich branchenintern das Wort »Ausschließlichkeitsvertreter« durchgesetzt. Dieser Begriff ist jedoch erstens unsinnig, da der Vertreter ja keine »Ausschließlichkeit« (Was soll das auch sein? Das Gegenteil von »Einschließlichkeit«??!) vertritt, sondern eine konkrete Versicherungsgesellschaft, und zweitens dieses Wort für jeden Außenstehenden – natürlich – völlig unverständlich ist, weshalb ich im Folgenden bei dem vom Gesetzgeber verwendeten Begriff des Versicherungsvertreters bleiben werde und den Vertreter einer einzelnen Gesellschaft als »Einzelvertreter« vom Mehrfachvertreter abgrenze (s. u.).
Entsprechend arbeitet der Bausparvertreter für eine einzelne Bausparkasse. In beiden Fällen werden regelmäßig Handelsvertreterverträge geschlossen. Deshalb ist der Versicherungsvertreter – sofern er nicht angestellt ist – immer auch gleichzeitig Handelsvertreter gem. §§ 84, 92 HGB.
Der Handelsvertreter
§ 84 Abs. 1 HGB definiert den Handelsvertreter wie folgt:
»Handelsvertreter ist, wer als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen. Selbständig ist, wer im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann.«
Ein Handelsvertreter muss nach der Vereinbarung verpflichtet sein, sich ständig um Geschäfte für den Prinzipal zu bemühen. Die beiderseitige, auf Dauer berechnete Bindung ist für den Handelsvertreter entscheidend, während sich die Tätigkeit eines für einen Makler tätigen (Unter-)Maklers auf das zu vermittelnde Geschäft oder die zu vermittelnden Geschäfte beschränkt (OLG Hamm 18 U 137/08).
Er ist als selbständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut, für einen Versicherer Verträge zu vermitteln und ggf. auch abzuschließen sowie bei ihrer Verwaltung und Erfüllung mitzuwirken. Er ist gegenüber dem Versicherungsunternehmen verpflichtet, sich um den Abschluss von Versicherungsgeschäften zu bemühen. Der Versicherungsvertreter steht damit im Lager des Versicherers und hat in der Regel Empfangsvollmacht für das Versicherungsunternehmen.
Versicherungsvertreter lassen sich wiederum aufteilen in Vertreter, die nur für eine einzelne Gesellschaft tätig werden (die sogenannten »Ausschließlichkeitsvertreter« – s. o.), Mehrfachvertreter, haupt- und nebenberufliche Versicherungsvertreter, Gelegenheitsvertreter und Angestellte.
Einzelvertreter
Der Einzelvertreter (»Ausschließlichkeitsvertreter«) ist in der Regel für einen Versicherer tätig und durch vertragliche Wettbewerbsverbote an diesen gebunden. Dies trifft auch zu bei Vertretern, die ausschließlich für verschiedene Versicherer Verträge vermitteln, deren Produkte miteinander nicht im Wettbewerb stehen. Da er an ein oder mehrere Versicherungsunternehmen gebunden ist, braucht der Einzelvertreter nicht zu begründen, warum er einen Versicherungsvertrag mit einem bestimmten Unternehmen vorschlägt.
Ihre praktische Situation als Einzelvertreter sieht meist so aus:
- Sie starten in einer Versicherungsgesellschaft bzw. einer Versicherungsagentur, die bereits am Markt etabliert ist und in der Regel über einen bekannten Namen verfügt, egal ob sich dabei um eine Versicherungsgesellschaft oder eine Bausparkasse handelt.
- Sie erhalten in der Regel einen Kundenstamm, mit dem Sie bereits gleich vom ersten Tag an loslegen können zu arbeiten.
- Sie erhalten ein Büro zu günstigen Bedingungen.
- Sie erhalten ein Fixum, das häufig zeitlich auf ein Jahr befristet ist, und darüber hinaus Provisionen für die von Ihnen vermittelten Abschlüsse.
- Sie sind eingebunden in ein relativ enges Korsett von Vorschriften und Vorgaben, und die Sicherheit Ihres Arbeitsplatzes hängt meistens von Ihrer Zielerfüllung ab.
- Die Provisionen sind häufig abschlussorientiert, d. h. der Vermittler erhält einen Anreiz, Kundenverträge alle paar Jahre umzudecken – egal, ob das für den Kunden sinnvoll ist oder nicht –, weil seine Abschlussprovisionen auch im Sachbereich eher hoch und die Bestandsprovisionen eher klein sind.
- Wenn Sie fleißig sind, sich mit dem Image und den Produkten Ihres Unternehmens identifizieren können und loyal sind, stehen Ihnen hier oft hervorragende Entwicklungsmöglichkeiten offen, vorausgesetzt, Sie schaffen es, das Kundenpotential wirklich zu nutzen und selbst Zugang zu neuen Kunden zu finden.
- Die Beratung Ihrer Kunden ist in gewisser Weise deutlich einfacher für Sie, weil Sie im Wesentlichen nur die Produkte Ihres eigenen Unternehmens gut kennen müssen; denn Ihre Kunden erwarten von Ihnen ja keine Versicherungsvergleiche, sondern einfach nur ein Angebot Ihrer Versicherungsgesellschaft. Der mühselige Marktvergleich und die Aneignung von Kenntnissen über die diversen am Markt agierenden Gesellschaften erübrigt sich für Sie also. Sie werden intensiv zu den Produkten Ihres Unternehmens geschult werden und Hinweise auf Produktvorteile gegenüber Mitbewerbern erhalten.
Der Mehrfachvertreter/Strukturvertriebe
Der Mehrfachvertreter (auch: »Mehrfachagent«) ist gesetzlich nicht ausdrücklich geregelt.
Mehrfachvertreter sind aufgrund vertraglicher Vereinbarungen unter Ausschluss des Wettbewerbsverbots für mehrere Versicherer tätig – auch für solche, die miteinander konkurrieren. Im Gegensatz zum Makler sind sie verpflichtet, für die mit ihnen vertraglich verbundenen Versicherer tätig zu werden und stehen haftungsrechtlich einem Versicherungsvertreter gleich. Die meisten Strukturvertriebe (zum Beispiel Swiss Life Deutschland Select – vormals AWD –, OVB, DVAG, Bonnfinanz) zählen hierzu.
Häufig versuchen Mehrfachvertreter nach außen hin den Anschein zu erwecken, sie seien Makler und würden für den Kunden »immer nur das Beste vom Markt« heraussuchen. Tatsache ist jedoch, dass Mehrfachvertreter per definitionem im Lager der Versicherungen und nicht im Lager des Kunden stehen. Dies hat insbesondere haftungsrechtliche Folgen. Mehrfachagenten sind nämlich nicht den besonderen Haftungsregeln unterworfen, die für Makler gelten (s. o.). So müssen sie beispielsweise nicht regelmäßig die Versicherungssituation ihrer Kunden prüfen und diese auf Deckungslücken in ihrem Schutz aufmerksam machen.
Als Mehrfachvertreter stellt sich Ihre Situation in der Regel so dar:
- Sie arbeiten für eine Firma, die ebenfalls am Markt...