KAPITEL 1
NUN IST ES IHRE PRIVATSACHE
Die Zukunft ist nicht mehr, was sie einmal war.
Yogi Berra (geb. 1925)
In den vergangenen Jahrzehnten hat sich die Verantwortung für unsere Geldanlagen verschoben – statt der Institutionen, die traditionell für die Vermögensverwaltung zuständig waren, sind heute immer öfter die Privatanleger selbst gefordert. Heute müssen Millionen Menschen Entscheidungen über ihre persönlichen Geldanlagen fällen, die sich erheblich auf ihre zukünftige Lebensqualität auswirken werden. Aber nur die wenigsten Privatanleger haben das Gefühl, wirklich zu wissen, was sie da tun. Der Grund dafür, dass die Verantwortung für die Alterssicherung auf den Einzelnen übertragen wurde, ist nicht darin zu suchen, dass sich die staatliche Politik geändert hat oder dass sich die Großunternehmen verschworen haben, um die Altersvorsorge für ihre Beschäftigten auf diese abzuwälzen. Vielmehr ist diese Entwicklung eine notwendige Reaktion auf das rasche Altern der Weltbevölkerung. Ob es uns gefällt oder nicht: In Zukunft werden wir selbst die Verantwortung für unsere Alterssicherung übernehmen müssen. Die gute Nachricht ist, dass die technologische Entwicklung in den letzten zehn Jahren die umfassende Nutzung der modernen finanzwirtschaftlichen Methoden für private Geldanlagen ermöglicht hat. Mittlerweile ist es möglich, dieselben rigorosen Techniken, die den größten institutionellen Investoren seit vielen Jahren zur Verfügung stehen, auf persönliche Anlageentscheidungen anzuwenden. In diesem Kapitel werde ich diese Techniken beschreiben und erläutern, wie sie für den Privatanleger zugänglich wurden und sich in eine wirksame neue Methode zur Bewältigung der Herausforderungen im Personal Investing verwandelten: das ergebnisorientierte Investment.
Wie in aller Welt konnte es dazu kommen?
Seit wann ist es selbstverständlich, dass sich Lkw-Fahrer, Marketinganalysten, Rechtsanwälte, Bäcker, Computerprogrammierer, Zahnärzte und Lehrer in sachkundige Investmentmanager verwandeln? Wer hat beschlossen, dass wir alle Experten für offene Investmentfonds werden und uns mit den Risiken unserer Kapitalanlagen auseinandersetzen müssen? Ich kann mich nicht daran erinnern, darüber abgestimmt zu haben. Wie steht es mit Ihnen?
Da Sie dieses Buch zur Hand genommen haben, liegt die Vermutung nahe, dass Sie nichts dagegen hätten, ein besserer Investor zu werden. Für manche Leute sind Geldanlagen eine Leidenschaft oder ein Hobby, andere sehen darin eher eine lästige Verpflichtung. Tatsache ist, dass wir mittlerweile in einer Welt leben, in der vom Durchschnittsbürger verlangt wird, dass er etwas von Geldanlagen versteht. Es genügt heute nicht mehr zu wissen, wie man mit einem Scheckheft umgeht oder eine Kreditkarte beantragt. Heute wird praktisch von jedem Volljährigen erwartet, dass er Konzepte wie den Nutzen der Aufzinsung, die Steuerprogression, die Unterschiede zwischen Aktien und Anleihen und die Vorzüge von Geldanlagen mit Steueraufschub versteht. Wer die Mühe scheut, sich die entsprechenden Kenntnisse anzueignen, muss sich von den Medien und Finanzgurus vorwerfen lassen, den Bezug zur Realität verloren zu haben. Es ist unübersehbar, dass die Ära des eigenständigen Investors begonnen hat – auch wenn die meisten von uns nicht darauf vorbereitet waren.
Leider sind die Kapitalanlagen ein weites und schwer überschaubares Feld. Wer sich damit beschäftigen will, stößt überall auf abschreckenden Fachjargon und sieht sich obendrein mit zahlreichen Interessenkonflikten konfrontiert. Da überrascht es nicht, dass viele Leute vor Investmententscheidungen zurückschrecken oder sogar regelrechte Angst davor empfinden. Sie fragen sich: Warum muss ich all diese Anlageentscheidungen fällen? Niemand muss den Grund für ein seltsames Geräusch unter der Motorhaube seines Autos selbst finden, und genauso wenig wird von uns verlangt, dass wir ohne Unterstützung eines medizinischen Experten selbst beurteilen, was der Hautausschlag auf dem Rücken unseres Kindes bedeutet. Wenn es um Geldanlagen geht, scheint die vorherrschende Meinung zu lauten, dass jeder von uns gebildet genug sein muss, um die richtigen Entscheidungen selbst zu treffen. Aber die meisten Menschen haben anderes zu tun, als sich in autodidaktische Investmentexperten zu verwandeln. Und doch entscheiden heute Millionen Privatanleger, was mit Billionen von Dollar geschehen soll, die für die Altersvorsorge bestimmt sind. Und sie müssen die Konsequenzen ihrer Entscheidungen tragen.
Aber warum? Kann man auf diese Art tatsächlich dafür sorgen, dass all diese Menschen einen angenehmen Ruhestand genießen werden? Wie sich herausstellt, hat die dramatische Zunahme der individuellen Verantwortung für die Alterssicherung ihre Wurzeln in einem grundlegenden und unumkehrbaren Trend: Die Menschen leben heute um einiges länger als in der Vergangenheit.
Die Welt ändert sich
Vor 60 Jahren lagen die Dinge in den Vereinigten Staaten noch ein wenig anders. Damals hatte der Einzelne kaum Einfluss auf die meisten Entscheidungen hinsichtlich seiner Altersversorgung. In der Vergangenheit stützte sich die Alterssicherung auf drei Säulen: Familie, Staat und Arbeitgeber. Lange Zeit war die wichtigste (und oft einzige) Säule die Familie. Es war üblich, dass die Menschen im Alter von ihren Kindern oder anderen Familienmitgliedern versorgt wurden (Voraussetzung dafür war natürlich, dass man eine Familie hatte und ihr Wohlwollen genoss). Im Allgemeinen war das keine übertrieben schwere Bürde, da die Familien groß waren und nicht sehr weit verstreut lebten. Dazu kam, dass die Menschen nach dem Ende ihres Erwerbslebens nicht mehr allzu viele Jahre lebten. Vielleicht fällt es Ihnen schwer, das zu glauben, aber die durchschnittliche Lebenserwartung eines im Jahr 1900 geborenen Mannes lag nach Angaben des National Center for Health Statistics lediglich bei 48 Jahren. Die Menschen arbeiteten oft so lange, wie sie körperlich dazu imstande waren. Es liegt auf der Hand, dass sich die Dinge seit damals grundlegend geändert haben. Die Familien sind heute kleiner, und ihre Mitglieder leben oft über große geografische Räume verstreut. Dazu kommt, dass wir heute sehr viel länger leben. Im Jahr 2003 durfte eine 65-jährige Frau in den USA damit rechnen, im Durchschnitt noch weitere 20 Jahre zu leben. Und durch die stetigen Fortschritte in der Medizin nimmt die Lebenserwartung weiter zu. Da die Menschen heute früher aus dem Arbeitsleben ausscheiden und länger leben, dauert der Ruhestand oft nicht Jahre, sondern Jahrzehnte.
Im Sommer 1935 wurde der Altersvorsorge in den Vereinigten Staaten eine weitere Säule hinzugefügt, die Sozialversicherung. In jenem Jahr unterzeichnete Franklin D. Roosevelt den Social Security Act, mit dem die amerikanische Bundesregierung denjenigen, die in Rente gingen, auf Lebenszeit ein Einkommen garantierte. Die Einführung dieses Sicherheitsnetzes bedeutete eine tiefgreifende Veränderung der staatlichen Politik und ist ein bleibendes Vermächtnis des modernen Wohlfahrtsstaates. Doch als dieses System errichtet wurde, gab es eine große Erwerbsbevölkerung, die in die Kassen der Sozialversicherung einzahlte. Und mit dem Geld musste eine relativ kleine Population von Rentnern versorgt werden. Doch nun, da die geburtenstarken Jahrgänge in die Jahre kommen, stößt das System an seine Grenzen. Wenn sich die gegenwärtige Entwicklung unverändert fortsetzt, werden die Staaten aufgrund des wachsenden Anteils der Rentenbezieher entweder die Renten kürzen oder die Einkommensteuern deutlich erhöhen müssen (vielleicht wird auch beides erforderlich), um weiterhin die versprochenen Leistungen erbringen zu können. In den letzten Jahren hat sich gezeigt, dass es schwierig ist, eine entsprechende Lösung zu finden, und die Finanzierungslücke wächst weiter. Überdies hat es ernste Folgen für den Steuerzahler, dass die Altersvorsorge in eine Sackgasse geraten ist.
Die dritte Säule der Alterssicherung in den Vereinigten Staaten war (zumindest in den letzten 50 Jahren) der Arbeitgeber. Wer das Glück hatte, für ein großes Unternehmen zu arbeiten, dem wurde im Rahmen eines leistungsbezogenen Versorgungsplans (defined benefit plan) oft ein großzügiges Ruhegehalt garantiert, wenn er diesem Arbeitgeber lange genug die Treue hielt. Diese Betriebsrenten wurden aus einem Pool von Kapitalanlagen finanziert, die der Arbeitgeber (üblicherweise ohne Beteiligung der Mitarbeiter) verwaltete. Sank der Marktwert der Wertpapiere, so zahlte das Unternehmen in den Fonds ein, um eine ausreichende Finanzierung des Versorgungsplans zu gewährleisten. Wer Teil eines solchen Plans war, musste lediglich 30 Jahre lang jeden Tag am Arbeitsplatz erscheinen, um im Alter versorgt zu sein. Doch auch in ihrer Glanzzeit waren diese Rentenpläne nicht für jedermann zugänglich. Es wird geschätzt, dass nur etwa ein Drittel der Menschen im Alter von mehr als 55 Jahren irgendein Ruhegehalt bezieht.1 In vielen Fällen hatten Mitarbeiter keinen Anspruch auf Leistungen aus einem Versorgungsplan, weil sie den Arbeitsplatz wechselten, bevor sie die Voraussetzungen für eine Aufnahme in den Plan erfüllten. Oder die Unternehmen, für die sie arbeiteten, boten einfach keine solche Alterssicherung an. In den letzten Jahren ist die Zahl der leistungsbezogenen Versorgungspläne für neue Mitarbeiter deutlich gesunken.
Warum verschwinden diese Pläne? Ein wichtiger Grund ist, dass die Arbeitnehmer heute häufig den Arbeitsplatz wechseln. In einem herkömmlichen Versorgungsplan (der garantierte Leistungen beinhaltet) muss ein Mitarbeiter mindestens zehn Jahre oder länger in einem Unternehmen bleiben, um einen ausreichenden Rentenanspruch zu erwerben. Als das Konzept des...