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E-Book

Das Risikoparadox

Warum wir uns vor dem Falschen fürchten

AutorOrtwin Renn
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl608 Seiten
ISBN9783104028569
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Was uns wirklich bedroht und wie wir richtig damit umgehen Nahezu täglich bringen uns die Medien neue Hiobsbotschaften: steigende Kriminalität, Vogelgrippe oder Elektrosmog. Wird unser Leben nicht immer gefährlicher, unsicherer, risikoreicher? Ortwin Renn, international anerkannter Risikoforscher, sagt: nein. Die durchschnittliche Lebenserwartung steigt beständig, in vielerlei Hinsicht geht es uns immer besser. Wie fürchten uns, so Renn, vor 'falschen' Gefahren, verschließen aber die Augen vor Risiken, die uns und unsere Nachwelt erheblich bedrohen. Renn zeigt, welches diese sind, warum wir sie unterschätzen und wie wir im Sinne der Nachhaltigkeit verantwortungsvoll damit umgehen können.

Prof. Dr. Dr. hc. Ortwin Renn lehrt Umwelt- und Techniksoziologie an der Universität Stuttgart und ist Direktor des Zentrums für Interdisziplinäre Risiko- und Innovationsforschung an der Universität Stuttgart (ZIRIUS). Renn arbeitete als Wissenschaftler und Hochschullehrer in Deutschland, den USA und der Schweiz. Von 2006 bis 2012 leitete er den Nachhaltigkeitsbeirat von Baden-Württemberg und war Mitglied in der von Bundeskanzlerin Angela Merkel berufenen Ethikkommission »Zukunft der Energieversorgung«. Seit 2013 gehört er dem 'Science and Technology Advisory Council' an, einem Beraterstab für den EU-Kommissionspräsidenten, und bekleidet das Präsidentenamt der Internationalen Gesellschaft für Risikoanalyse. Renn erhielt viele Auszeichnungen, darunter den Ehrendoktor der ETH Zürich. Mit anderen Autoren zusammen veröffentlichte er u.a.: »Leitbild Nachhaltigkeit« und »Risiko: Über den gesellschaftlichen Umgang mit Unsicherheit«.

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Leseprobe

Eine persönliche Bilanz


An dieser Stelle erscheint es mir sinnvoll, gut sechs Jahre nach der Veröffentlichung des ersten Bandes zur Nachhaltigkeit eine persönliche Bilanz meiner Stiftungsaktivitäten und des Standes des gesellschaftlichen Nachhaltigkeits-Diskurses zu ziehen. Meine Perspektive hierauf ist die eines ehemaligen Managers der Wirtschaft, der sich über ein Jahrzehnt lang auch mit der wissenschaftlichen Seite der Nachhaltigkeit intensiv auseinandergesetzt hat. Wie sieht diese Bilanz heute aus?

In meiner ursprünglich 13-bändigen Buchreihe sind die zentralen Zukunftsfelder benannt und aufgearbeitet, in denen wir vor großen Herausforderungen stehen. Sie wurde um die beiden Hörbücher »Die Erde hat Fieber« und »Die Erde am Limit« ergänzt, in denen die Autoren – moderiert von Gábor Paál vom SWR – die Themen ihrer Bücher vorstellen. Im Jahr 2009 habe ich zwölf Bücher als englische Ausgabe (»The Sustainability Project«[1]) im Verlag Haus Publishing, London, herausgebracht.

Meine Stiftung Forum für Verantwortung, die ASKO EUROPA-STIFTUNG und die Europäische Akademie Otzenhausen (Saarland) setzen sich auf Basis dieser Bücher im Rahmen der 2006 gemeinsam gestarteten Bildungsinitiative »Mut zur Nachhaltigkeit«[2] dafür ein, die Zivilgesellschaft für nachhaltige Entwicklung zu sensibilisieren und zu mobilisieren.

Das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie hat im Auftrag von »Mut zur Nachhaltigkeit« didaktische Module begleitend zur Buchreihe erarbeitet, die in Seminaren und Workshops in der Aus- und Weiterbildung eingesetzt werden können. Außerdem sind mit unserer Unterstützung zwei Forschungsstudien erarbeitet worden: Im Jahr 2010 »Die ökologischen und ökonomischen Wirkungen eines nachhaltigeren Konsums in Deutschland« unter der Leitung von Professor Dr. Bernd Meyer (Osnabrück) und im Jahr 2011 »Richtung Nachhaltigkeit – Indikatoren, Ziele und Empfehlungen für Deutschland« unter der Leitung von Professor Dr. Hans Diefenbacher (Heidelberg).

Insbesondere an der Europäischen Akademie Otzenhausen[3] haben seither zahlreiche Seminare für interessierte Zielgruppen – von teils international besetzten Workshops für Schüler und Studenten über Lehrerfortbildungen bis hin zu Schulungen für Unternehmen – stattgefunden. So haben wir beispielsweise gemeinsam mit tatkräftigen Partnern (vor allem der Hessischen Landeszentrale für politische Bildung, dem Staatlichen Schulamt Darmstadt-Dieburg und dem Zentrum Bildung für nachhaltige Entwicklung des Saarlandes am Landesinstitut für Pädagogik und Medien) eine Lehrerfortbildungsreihe konzipiert und von 2008 bis 2013 jährlich sehr erfolgreich umgesetzt.

Ein wesentliches Ziel der Arbeit meiner Stiftung liegt darin, den wissenschaftlichen Dialog über Themen zur nachhaltigen Entwicklung zu fördern und die Öffentlichkeit daran teilhaben zu lassen. Die Kolloquien, die ich von 2002 bis 2012 in Otzenhausen mit international führenden Forschern ausgerichtet habe, haben sich folglich immer konkreter der Frage gewidmet, wie der Übergang in eine nachhaltige Entwicklung gelingen kann. Die Sammelbände »Evolution und Kultur des Menschen«, »Perspektiven einer nachhaltigen Entwicklung«, »Dimensionen der Zeit« und »Wege aus der Wachstumsgesellschaft« sind u.a. daraus hervorgegangen und in den Jahren 2010 bis 2013 ebenfalls im Fischer Taschenbuch Verlag erschienen.[4]

Seit 2012 organisieren wir jährlich Kolloquien für Doktoranden und Masterstudierende, um den interdisziplinären Diskurs über Wege in eine nachhaltige Entwicklung beim wissenschaftlichen Nachwuchs anzuregen bzw. zu intensivieren. Im Sinne eines breiten Diskurses unterstützen wir auch die Virtuelle Akademie Nachhaltigkeit an der Universität Bremen[5], die allen Hochschulen und interessierten Privatpersonen offen steht, sowie die Arbeit von FUTURZWEI Stiftung Zukunftsfähigkeit, die Geschichten des Gelingens auf dem Weg in Richtung Nachhaltigkeit sammelt und publiziert, und zwar auf der Website[6] und in dem FUTURZWEI Zukunftsalmanach 2013 (Fischer Taschenbuch Verlag).

Eine wesentliche Voraussetzung für einen erfolgreichen öffentlichen Diskurs über Nachhaltigkeit ist eine entsprechend fundierte Berichterstattung und Analyse der Sachverhalte in den Medien. Daher liegt ein weiterer Schwerpunkt unserer Aktivitäten auf der Fortbildung von Journalistinnen und Journalisten. Dies setzen wir in jüngster Zeit durch Seminarangebote, aber auch durch Unterstützung des Zertifikatsstudiengangs Nachhaltigkeit und Journalismus an der Leuphana Universität Lüneburg[7] sowie eines journalistischen Fachportals an der Hochschule Darmstadt[8] um. Darüber hinaus habe ich mich in zunehmendem Maße durch intensive Vortragstätigkeit an Hochschulen, bei Unternehmen und in vielen öffentlichen Veranstaltungen engagiert. Seit 2009 bin ich im Deutschen Nationalkomitee für die UN-Dekade »Bildung für nachhaltige Entwicklung« tätig.

Im Jahr 2011 habe ich den Förderkreis »Nachhaltige Entwicklung« für meine Stiftung gegründet. Seine Mitglieder bekennen sich in unserer Gesellschaft als Botschafter für eine nachhaltige Entwicklung und fördern gleichzeitig die Aktivitäten der Stiftung finanziell. Ich würde mich sehr freuen, wenn sich für diesen Kreis weitere engagierte Mitstreiter fänden.

Seit 2013 verleihen wir gemeinsam mit dem Magazin ZEIT WISSEN den ZEIT WISSEN-Preis Mut zur Nachhaltigkeit[9]. Damit zeichnen wir in den Kategorien »Wissen« und »Handeln« Personen, Institutionen oder Unternehmen aus, die sich in herausragender Weise als Pioniere des Wandels in Richtung Nachhaltigkeit hervortun. Ich hoffe, dass die sehr öffentlichkeitswirksame Auszeichnung dazu beiträgt, dass diese Pioniere viele Nachahmer finden.

Zusammen mit Harald Welzer entwickele ich unsere Buchreihe nun unter dem Motto »Entwürfe für eine Welt mit Zukunft« weiter. Anfang 2013 ist zunächst der Band »Zwei Grad mehr in Deutschland« erschienen, der ebenso wie »Wege aus der Wachstumsgesellschaft« konkrete Zukunftsszenarien beschreibt.

Nach dieser persönlichen Bilanz meiner Stiftungsaktivitäten möchte ich nun einen zusammenfassenden Blick auf den gesellschaftlichen Nachhaltigkeits-Diskurs in diesen Jahren werfen.

Insbesondere seit dem Jahr 2007 haben die Medien immer häufiger über die Folgen des weltweit rücksichtslosen Umgangs mit den großen Ökosystemen der Erde und den nichterneuerbaren Ressourcen berichtet. Der Klimawandel ist in aller Munde, und die Botschaft scheint in der Gesellschaft angekommen zu sein. Unternehmen verkleiden Dächer und Fassaden mit Sonnenkollektoren, trimmen ihre Betriebe auf Energie-, Wasser- und Ressourceneffizienz, bauen Abteilungen für Corporate Social Responsibility aus und veröffentlichen umfangreiche Nachhaltigkeitsberichte. Selbst die Finanzwelt hat das Thema entdeckt. Es gibt inzwischen den Dow Jones Sustainability Index, den Sustainability Award sowie Nachhaltigkeits- und Klimafonds. Und die Politik in Deutschland hat unter weltweiter Beachtung die Energiewende in Richtung erneuerbarer Energien eingeleitet.

Dies alles vermittelt den Menschen das Gefühl, es würde genug getan, und dies beruhigt das ökologische Gewissen. Die Wirklichkeit sieht aber anders aus. Die vielen Aktivitäten gehen zwar in die richtige Richtung, bleiben aber an der Oberfläche und bewirken nicht die dringend notwendige Kurskorrektur. Es ist im Gegenteil sogar so, dass wir uns trotz aller Anstrengungen jeden Tag vom Ziel einer nachhaltigen Entwicklung weiter weg entfernen: Alle wesentlichen Entwicklungen auf dem Globus laufen in die falsche Richtung. Die folgende Auflistung verdeutlicht dabei auch, dass nachhaltige Entwicklung weit mehr umfasst als die Lösung des Klima- und Energieproblems:

  • Die CO2-Emissionen sind von 22 Mrd. Tonnen (1992) auf 34 Mrd. im Jahr 2012 gestiegen, dabei sollten sie laut Kyoto-Protokoll von 1997 bis 2012 auf 21 Mrd. Tonnen reduziert werden.

  • Trotz aller Effizienzgewinne steigt global der Ressourcen- und Energieverbrauch weiter an. Hauptursache ist der sogenannte Reboundeffekt: d.h. Einsparungen werden durch vermehrte Nutzung und höheren Konsum mehr als kompensiert.

  • Regenwälder werden weiter abgeholzt und abgebrannt, um Flächen für Futtermittel oder Palmöl zu gewinnen.

  • Wasser wird in vielen Regionen knapp, sowohl das Trinkwasser als auch das sogenannte grüne Wasser, das zur künstlichen Bewässerung in der Landwirtschaft genutzt wird.

  • Die Kluft zwischen Arm und Reich wird trotz eines Weltwirtschaftswachstums von fünf Prozent in den letzten zehn Jahren immer größer, sowohl zwischen als auch innerhalb von Gesellschaften.

  • Der Verlust von Biodiversität setzt sich unvermindert fort.

  • Die Weltbevölkerung wächst pro Jahr noch immer um rund 80 Millionen Menschen und wird nach Schätzungen der UNO bis zum Jahre 2050 auf 9 bis 10 Milliarden Menschen steigen.

  • Und last but not least: Das Weltfinanzsystem bleibt...

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