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Das Verbrechen

Killers of the Flower Moon. Ein True-Crime-Thriller - (Verfilmt von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio und Robert De Niro)

AutorDavid Grann
Verlagbtb
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl416 Seiten
ISBN9783641239367
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Verfilmt als 'Killers of the Flower Moon' von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio und Robert De Niro: Filmstart 2023
In den 1920ern hatten nicht die Bewohner von New York oder Paris das höchste Pro-Kopf-Einkommen: die reichsten Menschen der Welt waren die Osage-Indianer im amerikanischen Bundesstaat Oklahoma. Das karge Land, das ihnen als Reservat zugewiesen worden war, barg gigantische Ölvorkommen. Doch der Reichtum brachte den Osage kein Glück: Eine mysteriöse Serie von Morden nahm ihren Anfang, der Dutzende Stammesmitglieder zum Opfer fallen sollten.

Die Osage-Morde wurden zum ersten großen Fall für das noch junge FBI. Doch Korruption und Geldgier hatten auch hier bereits Einzug gehalten. Erst einer Gruppe von Undercover-Agenten gelingt es schließlich, diese wohl finsterste und spektakulärste Mordserie in der Geschichte der USA aufzuklären.

  • Verfilmt als "Killers of the Flower Moon" von Martin Scorsese mit Leonardo DiCaprio und Robert De Niro: Kinostart 20. Oktober 2023
  • Ausgezeichnet mit dem weltweit wichtigsten Krimipreis Edgar-Award in der Kategorie Best Fact Crime.
  • New York Times-Bestseller.
  • »Ein bravouröser Fact-Thriller« (stern crime)
  • »Grandios recherchiert.« (Wieland Freund, DIE WELT)


DAVID GRANN, Jahrgang 1967, ist preisgekrönter Journalist und Sachbuchautor. Er arbeitet als Redakteur bei The New Yorker und veröffentlicht Artikel u.a. in The Washington Post, The Atlantic Monthly, The Wall Street Journal. Sein Buch Killers of the Flower Moon erschien auf Deutsch bei btb und wurde von und mit Martin Scorsese und Leonardo DiCaprio verfilmt, die sich auch die Rechte an seinem neuesten Bestseller The Wager gesichert haben. The Wager stand wochenlang auf Platz 1 der New-York-Times-Bestsellerliste und schaffte es auf die Summer Reading List von Barack Obama.

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Leseprobe

1. Das Verschwinden


Im April erblühen in der mit Schwarzeichen bestandenen Hügellandschaft und den riesigen Prärien des Osage-Territoriums in Oklahoma Millionen kleiner Blumen:1 wilde Stiefmütterchen, Tellerkräuter und Federblumen. Der Osage-Schriftsteller John Joseph Mathews beschrieb das Blütenmeer mit den Worten, es sehe aus, »als hätten die Götter Konfetti verstreut«.2 Im Mai, wenn die Kojoten unter einem ungewöhnlich großen Mond heulen, wachsen nach und nach größere Pflanzen wie Zwerglilien und Sonnenhut über diese kleineren Blumen hinaus und stehlen ihnen damit Licht und Wasser. Die Stängel der kleineren Blumen brechen, ihre Blütenblätter werden fortgeweht, und bald schon sind sie im Erdboden begraben. Aus diesem Grund bezeichnen die Osage-Indianer den Mai als die Zeit des Blumen mordenden Mondes.

Am 24. Mai 1921 begann sich Mollie Burkhart, eine Einwohnerin der im Osage-Reservat gelegenen Stadt Gray Horse, Sorgen zu machen, dass einer ihrer drei Schwestern, Anna Brown, etwas passiert sein könnte.3 Anna war vierunddreißig und damit kaum ein Jahr älter als Mollie. Seit drei Tagen war sie verschwunden. Sie war schon oft »auf die Piste« gegangen, wie sich ihre Familie entmutigt ausdrückte – dann tanzte und trank sie mit Freunden bis in die frühen Morgenstunden hinein. Diesmal jedoch war erst eine Nacht vergangen, dann eine zweite, und Anna war nicht wieder an Mollies Vordertreppe erschienen, wie sie es sonst immer tat. Dann war ihr langes schwarzes Haar immer leicht zerzaust gewesen, und ihre dunklen Augen glänzten, als wären sie aus Glas.

Wenn Anna hereinkam, zog sie gern ihre Schuhe aus. Jetzt vermisste Mollie das beruhigende Geräusch der sich zwanglos im Haus bewegenden Schwester. Stattdessen herrschte eine Stille wie in den Weiten der Prärie.

Vor fast drei Jahren hatte Mollie bereits ihre Schwester Minnie verloren. Ihr Tod war erschreckend rasch gekommen, und obwohl die Ärzte eine »eigenartige Form der Schwindsucht« dafür verantwortlich gemacht hatten, hegte Mollie doch Zweifel: Minnie war erst siebenundzwanzig Jahre alt und stets bei bester Gesundheit gewesen.4

Wie ihre Eltern ließen auch Mollie und ihre Schwestern ihre Namen in die Osage Roll eintragen, was bedeutete, dass sie zu den registrierten Mitgliedern des Stammes gehörten. Es bedeutete außerdem, dass sie ein Vermögen besaßen. Anfang der 1870er-Jahre hatte man die Osage von ihrem Land in Kansas vertrieben und in ein steiniges, wertlos erscheinendes Reservatgebiet im Nordosten Oklahomas umgesiedelt, nur um Jahrzehnte später festzustellen, dass dort unter der Erdoberfläche einige der größten Erdölvorkommen der Vereinigten Staaten schlummerten. Um an dieses Öl zu gelangen, mussten Ölsucher den Osage Pachtgebühren und Lizenzen zahlen. Ab dem Anfang des 20. Jahrhunderts erhielt jedes registrierte Stammesmitglied vierteljährlich einen Scheck. Der Betrag belief sich zunächst nur auf wenige Dollar, doch als mit der Zeit immer mehr Öl gefördert wurde, stiegen die Dividenden zunächst in die Hunderte, dann in die Tausende. Die Zahlungen nahmen praktisch jedes Jahr zu, so wie die Präriebäche, die zu dem breiten, schlammigen Cimarron zusammenflossen. Schließlich hatten die Stammesmitglieder gemeinsam Millionen und Abermillionen von Dollar angehäuft. (Allein im Jahr 1923 nahm der Stamm über dreißig Millionen ein, was einer heutigen Kaufkraft von mehr als vierhundert Millionen Dollar entspricht.) Die Osage galten als das Volk mit dem größten Pro-Kopf-Vermögen der Welt. »Sieh da!«, staunte die New Yorker Wochenzeitung Outlook. »Statt zu verhungern, erfreut sich der Indianer eines regelmäßigen Einkommens, das selbst Bankiers vor Neid erblassen lässt.«5

Angesichts des Wohlstands der Stammesgemeinschaft war die Öffentlichkeit starr vor Staunen, da dies so gar nicht zum Bild des amerikanischen Ureinwohners passen wollte, welches bis zu dem brutalen Erstkontakt mit den Weißen zurückreichte – der Erbsünde, aus der das Land geboren wurde. Journalisten stichelten ihre Leserschaft mit Geschichten über die »plutokratischen Osage«6 und die »roten Millionäre«7 auf, die in Ziegel- und Terrakottavillen mit Kronleuchtern lebten, Diamantringe und Pelzmäntel trugen und über Automobile mit Chauffeur verfügten. Ein Schreiber staunte über Osage-Mädchen, die die besten Internate besuchten und teure französische Kleider trügen, als hätte sich »eine très jolie demoiselle der Pariser Boulevards aus Versehen in diese kleine Stadt im Reservat verirrt«.8

Gleichzeitig stürzten sich die Reporter auf jedes Anzeichen der traditionellen Lebensweise der Osage, die in der öffentlichen Wahrnehmung Visionen von »wilden« Indianern hervorzurufen schienen. In einem Artikel beschrieb der Autor einen »Kreis teurer Automobile um ein offenes Lagerfeuer, an dem die gebräunten und in Decken gehüllten Besitzer auf primitive Weise Fleisch zubereiteten«.9 Ein anderer berichtete über eine Gruppe von Osage-Indianern, die in einem Privatflugzeug zu einem Tanzzeremoniell eintrafen – eine Szene, die zu beschreiben »selbst einem Romanschriftsteller schwer fallen würde«.10 Der Washington Star brachte die öffentliche Stimmung gegenüber den Osage auf den Punkt. Dort hieß es: »Statt ›Ach, der arme Indianer‹ zu jammern, müsste man eigentlich sagen, ›Oh, die reiche Rothaut‹.«11

Gray Horse war eine der älteren Ansiedlungen des Reservates. Diese Außenposten – darunter Fairfax, eine benachbarte größere Stadt mit beinahe eintausendfünfhundert Einwohnern, und Pawhuska, die Osage-Hauptstadt mit einer Bevölkerung von über sechstausend Menschen – wirkten wie Fieberträume. In den Straßen drängten sich Cowboys, Glücksritter, Schwarzhändler, Wahrsager, Medizinmänner, Gesetzlose, US-Marshalls, New Yorker Finanziers und Ölmagnaten. Automobile rasten über befestigte Reitwege, und der Geruch nach Benzin überdeckte den Duft der Prärie. Von Telefondrähten spähten Krähen herab. Es gab Restaurants, die als Cafés angepriesen wurden, Opernhäuser und Polo-Spielfelder.

Mollie ging mit dem Geld zwar nicht so verschwenderisch um wie manche ihrer Nachbarn, doch hatte sie sich nahe der alten Hütte ihrer Familie – einer Unterkunft aus windschiefen Pfosten, gewebten Matten und Baumrinde – ein hübsches, geräumiges Holzhaus gebaut. Sie besaß mehrere Autos und hatte eine eigene Dienerschaft. Die »Kriecher der Indianer«, wie viele Siedler diese Wanderarbeiter abfällig bezeichneten, waren oft Schwarze oder Mexikaner. Anfang der 1920er-Jahre äußerte ein Besucher des Reservates seinen Unmut darüber, dass »sogar Weiße all die niedrigen Arbeiten im Hause« ausführten, »für die sich kein Osage den Rücken krumm machen will«.12

Mollie war einer der letzten Menschen, die Anna vor ihrem Verschwinden noch gesehen hatten. An jenem Tag, dem 21. Mai, war Mollie im Morgengrauen aufgestanden, eine Angewohnheit, die noch aus den Zeiten stammte, als ihr Vater jeden Morgen die Sonne anbetete. Sie hatte sich an das Konzert der Wiesenlerchen, Wasserläufer und Präriehühner gewöhnt, das nun jedoch vom Lärm in die Erde getriebener Bohrer überlagert wurde. Im Gegensatz zu vielen ihrer Freunde lehnte Mollie traditionelle Osage-Kleidung nicht ab und trug eine Indianerdecke um die Schultern. Sie hatte auch keinen Pagenschnitt, sondern ließ ihr langes schwarzes Haar den Rücken hinabwallen, wodurch ihr markantes Gesicht mit seinen hohen Wangenknochen und den großen braunen Augen betont wurde.

Ihr Ehemann, Ernest Burkhart, stand mit ihr auf. Der achtundzwanzigjährige Weiße hatte das gute Aussehen eines typischen Wildwestfilm-Statisten: kurzes braunes Haar, graublaue Augen, kantiges Kinn. Er war als Sohn eines armen Baumwollfarmers in Texas aufgewachsen und von den Geschichten über die Osage Hills verzaubert gewesen, jenem Überbleibsel des amerikanischen Grenzlandes, in dem sich angeblich immer noch Cowboys und Indianer tummelten. Im Jahr 1912 hatte er wie Huck Finn, der sich ins Indianerland aufmacht, sein Bündel geschnürt und war zu seinem Onkel nach Fairfax gezogen, einem führenden Viehzüchter namens William K. Hale. »Er war nicht die Art von Mann, die einen bittet, etwas zu tun – er befahl es einem«, sagte Ernest einmal über Hale, der zu seinem Ersatzvater geworden war.13 Obwohl Ernest meist Botendienste für Hale erledigte, arbeitete er bisweilen doch auch als Taxifahrer. So begegnete er Mollie, die er in der Stadt herumkutschierte.

Gelegentlich trank Ernest mit Männern von zweifelhaftem Ruf gern schwarz gebrannten Schnaps und spielte indianisches Stud Poker. Doch unter seiner rauen Schale verbarg sich wohl ein zärtlicher, leicht unsicherer Mensch, in den sich Mollie verliebte. Mollie, die als Kind nur Osage gesprochen hatte, beherrschte seit ihrer Schulzeit ein wenig Englisch; trotzdem lernte Ernest die Sprache ihres Stammes, bis er sich darin mit ihr unterhalten konnte. Sie litt an Diabetes, und wenn ihre Gelenke schmerzten oder sie der Heißhunger überkam, kümmerte er sich um sie. Als er hörte, dass ihr ein anderer Mann zugetan sei, murmelte er, er könne ohne sie nicht leben.

Zu heiraten war für sie nicht einfach. Ernests raubeinige Freunde verspotteten ihn als »Squaw-Mann«. Und obwohl Mollies drei Schwestern weiße Männer geheiratet hatten, fühlte sie sich in der Pflicht, wie ihre Eltern auch eine arrangierte Eheschließung zu vollziehen....

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