KAPITEL EINS
ORIENTIEREN SIE SICH
Wenn Sie Kinder im Schulalter haben, ist dieses Buch das Richtige für Sie. Mein Ziel ist es, Ihnen dabei zu helfen, Ihrem Kind die Schulbildung zu ermöglichen, die es braucht, um ein produktives, erfülltes Leben zu führen. Mein gesamtes Berufsleben lang habe ich im Bildungssystem gearbeitet. Dabei habe ich unzählige Unterhaltungen mit Eltern über Schulbildung geführt. Ich bin selbst Vater und weiß somit aus erster Hand, dass es sowohl eine Herausforderung als auch eine Erfüllung ist, Kinder großzuziehen. Wenn Ihre Kinder in die Schule kommen, wird es noch komplizierter. Bis dahin waren Sie selbst für ihre Erziehung und ihr Wohlergehen verantwortlich. Und plötzlich übergeben Sie ihre Kinder für einen Großteil des Tages anderen Menschen, die dadurch während der prägendsten Jahre einen enormen Einfluss auf sie ausüben.
Der erste Schultag bringt eine Unmenge an Gefühlen mit sich. Sie hoffen, dass Ihre Kinder Spaß am Lernen haben, Freunde gewinnen und in der Schule Glück und Inspiration finden. Gleichzeitig wird Ihnen vermutlich ein wenig bang ums Herz. In der Schule werden ganz neue Beziehungen aufgebaut. Wie wird Ihr Kind auf seine Lehrer reagieren? Wird die Schule erkennen, was an ihm besonders ist? Was ist mit den anderen Eltern und Kindern? Wird Ihr Kind diese neuen sozialen Hürden überspringen, oder wird es ins Stolpern geraten? Es ist kein Wunder, wenn Sie am ersten Schultag ihres Kindes einen Kloß im Hals verspüren. Es kommt Ihnen vor, als würde sich alles ändern. Und das stimmt.
Emma Robinson ist Lehrerin in England. Auch sie hat ein Kind und weiß, wie man sich als Mutter oder Vater am ersten Schultag fühlt. Ihr Gedicht »Dear Teacher« wurde inzwischen von Tausenden Menschen auf Facebook geteilt. Hier ein Auszug:
Ich weiß, Sie haben viel zu tun
Hier sind die Schüler schon
Am ersten Tag bleibt wenig Zeit
Doch das hier ist mein Sohn.
Sie haben alles voll im Griff
Da kann ich sicher sein
Doch mein Kind ist gerade vier
Er ist doch noch so klein!
Er wirkt so groß in Uniform
So selbstbeherrscht und kühn
Doch hier im großen
Schulhof Scheint alles viel zu früh.
Das erste Mal, dass ich ihn hielt
Scheint gar nicht lange her
Ich liebte und beschützte ihn
Er lernte nur von mir.
Jetzt küsse ich ihn noch einmal
Und schicke ihn hinein
Und weiß, er wird nie wieder ganz
Mein kleiner Junge sein.1
Schon immer ist es Eltern schwergefallen, ihre Kinder anderen anzuvertrauen, und immer wieder gibt es neue Gründe, sich über die Schule Gedanken zu machen. Vielen Eltern machen die Zustände im Bildungswesen zu schaffen. Sie fürchten, dass Kindern zu viele Tests und zu viel Stress zugemutet werden. Sie empfinden den Lehrplan als zu beengt, nachdem viele wichtige Kunst- und Sportprogramme und Veranstaltungen außerhalb des Lehrplanes gestrichen wurden. Sie haben Angst, dass ihre Kinder nicht als Einzelpersonen wahrgenommen werden und die Schule es versäumt, ihre Neugier, Kreativität und ihre persönlichen Talente zu fördern. Es erschreckt sie, bei wie vielen Kindern Lernschwächen diagnostiziert und diese dann medikamentös behandelt werden. Sie fürchten Mobbing und Belästigung. Eltern von Kindern in der Oberstufe machen sich Gedanken über immer höhere Studiengebühren und die Berufschancen ihrer Kinder, ob diese nun studieren oder nicht. Am meisten macht es ihnen allen Angst, als Eltern nichts ausrichten zu können.
Wut und Angst
Kürzlich wollte ich auf Facebook und Twitter wissen, was den meisten Eltern in der Erziehung ihrer Kinder Sorgen bereitet. Es dauerte keine Stunde, bis Hunderte Menschen aus der ganzen Welt geantwortet hatten. Bec, eine junge Mutter aus den Vereinigten Staaten, sprach vielen aus dem Herzen: »Die Stärken der Kinder werden nicht geschätzt und ihre Schwächen überbewertet. Noten sind wichtiger als Selbstbewusstsein.« Kimmie, eine andere Mutter, fragte sich: »Werden meine Kinder ihr Potenzial erkennen und auf einen Beruf vorbereitet, in dem sie gern und voller Enthusiasmus arbeiten?« Conchita schrieb: »Ich mache mir ziemliche Sorgen um meine beiden Töchter. Ich denke, das jetzige Bildungssystem wird ihnen keine Chance geben, sich hervorzutun, und meine Zehnjährige wird zu wenig Hilfe dabei bekommen, ihre Lernschwäche und Angstgefühle zu überwinden.«
Jon befürchtete, dass »Kindern nach und nach das Gefühl vermittelt wird, dass Lernen keinen Spaß macht, dass es als mühsames Ritual betrachtet wird, das wir alle durchleben müssen, ohne genau zu wissen, warum. Es ist ein ständiger Kampf, das Interesse und die Neugier am Lernen wachzuhalten, wenn das System alles verplant und vorgibt.« Karin meinte: »Schulbildung funktioniert nicht mehr. Es gibt zu viel Druck, zu viele Prüfungen, zu viele Anforderungen, zu viel Fließband. Wie können wir alles auf null setzen? Wie können wir unsere Kinder auf ein Leben vorbereiten, das völlig anders ist als das, auf das die Schule sie vorbereitet?«
Carol machte sich Sorgen, dass der »gleiche Ansatz für alle, erdacht von Einzelpersonen, die im Bildungswesen nichts zu suchen haben, Schüler hervorbringt, die nicht selbstständig denken können und unter Versagensängsten leiden«. Eine weitere Mutter machte sich vor allem Gedanken darüber, ob Schulen »Kindern beibringen, kreativ Probleme zu lösen. Prüfungen bringen keinen Schüler dazu, flexibel zu denken.« Tracey drückte eine tief sitzende Besorgnis aus: »Es macht mir zu schaffen, dass die Entscheidungsträger wenig Interesse an den Meinungen von Eltern haben. Im besten Fall werden diese einfach abgetan, und diejenigen, die Entscheidungen über Bildung treffen, haben keine Ahnung, wie es in einem Klassenraum wirklich zugeht.« All diese Sorgen sind berechtigt, und wenn Sie sie teilen, dann tun Sie das nicht ohne Grund.
Schulbildung wird oft als Vorbereitung auf das betrachtet, was nach der Schule passiert – wenn Ihr Kind eine Stelle sucht oder auf eine Hochschule gehen möchte. Das stimmt auf gewisse Art auch, aber Kindheit ist kein Probelauf. Ihre Kinder leben im Hier und Jetzt; sie haben Gefühle, Gedanken, und bauen Beziehungen auf. Schulbildung muss sie auch hier und jetzt begeistern, genau wie Sie es als Eltern tun. Wer Ihre Kinder werden und was sie in der Zukunft erreichen, hat mit dem zu tun, was sie in der Gegenwart erleben. Wenn sie eine zu engstirnige Schulbildung haben, kann es sein, dass sie die Talente und Interessen nicht entdecken, die ihr Leben in der Gegenwart bereichern und ihre Zukunft inspirieren können.
Wie kann dieses Buch helfen?
Wie kann dieses Buch Ihnen also helfen? Ich hoffe, dass es Ihnen auf drei Arten von Nutzen ist. Einmal zeigt es auf, welche Art von Schulbildung Ihr Kind heutzutage braucht und wie diese mit Ihrer Rolle als Eltern in Verbindung steht. Eltern denken oft, dass ihre Kinder dieselbe Schulbildung brauchen, die sie selbst genossen haben. Das kommt natürlich auf die Art von Schulbildung an, aber es stimmt höchstwahrscheinlich nicht. Die Welt verändert sich so schnell, dass sich auch die Schulbildung ändern muss. Zweitens soll das Buch die Herausforderungen beleuchten, mit denen Sie auf der Suche nach einer solchen Schulbildung konfrontiert werden. Manche Herausforderungen hängen mit dem Bildungssystem zusammen und andere allgemeiner mit der Welt, in der wir heute leben. Drittens komme ich auf die Möglichkeiten zu sprechen, die sich Ihnen als Eltern bieten, um solche Herausforderungen zu meistern. Dazu muss ich zuerst einige Einschränkungen erwähnen.
Zuallererst ist dies kein Ratgeberbuch, das Sie zu besseren Eltern machen soll. Das würde ich mir nicht anmaßen. Sicherlich beruhigt Sie das, denn die meisten anderen Ratgeber scheinen genau das zu tun. Vom Baby-Guru Dr. Spock in den Vierzigern bis zu den Tigermüttern erzählt Ihnen schon jeder, wie Sie Ihre Kinder erziehen sollen. Zusätzlich zu ungewollten Ratschlägen von Freunden, Verwandten, und oft selbst Ihren eigenen Kindern gibt es mehr als vier Millionen Erziehungsblogs im Internet, und der Buchhandel bietet mehr als 150 000 Bücher zum Thema Erziehung an. Ich möchte Sie nicht noch weiter belasten.
Meine Frau und ich haben zwei Kinder und viele Verwandte und Bekannte mit eigenen Kindern. Wir haben die meisten Herausforderungen, die in diesem Buch beschrieben werden, selbst meistern müssen. Meinem Schreibpartner Lou Aronica geht es genauso; er hat selbst eine große Familie. Wir wissen, dass Eltern ständig unter Druck stehen. Für den Rest Ihres Lebens werden Sie sich um Ihre Kinder sorgen und versuchen, ihnen auf ihrem Weg zur Seite zu stehen. Eltern zu sein ist eine Lebensaufgabe. Es kann sehr schwierig werden, und...