2.
Parallelen: Börsenbarometer und Spielklassen
2.1 Von der DAX-Familie zu den großen internationalen Indizes
So wie der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Spielklassen mit den Schwerpunkten 1., 2. und 3. Bundesliga aufteilt, gibt es in der deutschen Börsenlandschaft oben den DAX, vergleichbar mit der 1. Bundesliga, danach den MDAX und TecDAX analog zur 2. Bundesliga und darunter den SDAX, vergleichbar mit der 3. Bundesliga. Ende Juni 2011 notierte der DAX bei 7.300 Punkten mit einer ständigen Berg- und Talfahrt. Im August und September kämpfte er wegen der Überschuldungs- und Bankenkrise um die Marke von nur noch 5.000 Punkten, im Oktober wieder um 6.000 Punkte. Im Februar 2012 waren es schon 6.700 Zähler.
So wie sich die Spitzenteams der Bundesliga für den internationalen Wettbewerb Champions League oder Europa League qualifizieren wollen, weil neben Imagegewinn Einnahmen in Millionenhöhe winken, verfolgen auch die DAX-Konzerne ähnliche Ziele. Es geht um die Aufnahme in den EURO STOXX 50.
2.1.1 Der DAX, der deutsche Leitindex
In Deutschland dreht sich bei den meisten Privatanlegern fast alles um den DAX, sichtbar am Heimatliebe-Depot.
Gut informierte Anleger, insbesondere die mutigen, risikobewussten Börsianer, orientieren sich weltweit. Sie investieren nicht nur in die internationalen Standardwerte, sondern legen bevorzugt in aufstrebenden Märkten ihr Kapital an und kaufen auch Nebenwerte.
Der DAX als das wichtigste deutsche Börsenbarometer bildet die Wertentwicklung der 30 größten und umsatzstärksten AGs aus Deutschland ab. Der DAX lässt sich als Leitindex des 2003 von der Deutschen Börse AG eingeführten »Prime Standard« mit der 1. Fußballbundesliga vergleichen. Was Bayern München, Borussia
Deutscher Leitindex DAX
Zusammensetzung:
Die 30 größten deutschen Unternehmen aller Branchen
Aufnahmekriterien:
Mitglied im Prime Standard, zu den 35 Größten bei Börsenwert und Börsenumsatz zählen (35/35-Regel)
Schlusskurse:
2006: 6.597 Punkte (+22 %)
2007: 8.067 Punkte (+22 %)
2008: 4.810 Punkte (-40 %)
2009: 5.957 Punkte (+24 %)
2010: 7.055 Punkte (+18 %)
2011: 5.898 Punkte (-15 %)
Allzeittief:
Ca. 2.200 Punkte, März 2003
Allzeithoch:
ca. 8.100 Punkte, März 2000
Dividendenrendite: 4,2 %
Dortmund, Bayer Leverkusen, Werder Bremen, Schalke 04 und Mönchengladbach für die Fußballfans bedeuten, sind Adidas, Allianz, BASF, Bayer, BMW, Deutsche Bank, Münchener Rück, SAP, Siemens, VW usw. für die Börsianer.
Nicht zu vergessen die »Volksaktie« Deutsche Telekom. Sie rutschte von luftigen Höhen bis unter ihren Ausgabepreis! Noch schlimmer sieht es mit Infineon aus, nach zeitweiligem Abstieg wieder zurückgekehrt in die erste Börsenliga mit Platztausch Hannover Rück.
Der DAX-Kurs hat sich seit seinem Allzeittief bei 2.200 Punkten im März 2003 und nach der schwersten Weltwirtschaftskrise 2008/2009 seit 80 Jahren zeitweilig mehr als verdreifacht und 2010 erneut die 7.000-Punkte-Marke übersprungen. Der August und September 2011 wurden wegen der überbordenden Staatsverschuldung in Südeuropa mit der befürchteten Griechenland-Pleite, anwachsender Euro- und Rezessions-Ängste sowie allgemeiner Verunsicherung von heftigen Börsenturbulenzen heimgesucht. Der Crash führte beim DAX zum Kursabsturz zeitweilig um ein Drittel auf rund 5.000 Punkte. Allerdings haben die meisten deutschen Konzerne ihre Hausaufgaben gemacht und die Kosten gesenkt.
Ein straffes Kostenmanagement wäre auch bei den nach oben schnellenden Ablösesummen, Gehältern und Prämien für die Fußballstars dringend geboten. Dies gilt umso mehr, wenn sich – wie von führenden Wirtschaftsinstitutionen befürchtet – die Konjunktur 2012 abschwächt. Interessant ist es, rückblickend anhand der Übersicht im Kasten die DAX-Entwicklung zu verfolgen. Sieger ist, wer günstig einsteigt und im Bullenmarkt hier und da verkauft. Verlierer steigen zu teuer ein und trennen sich im Crash von ihren Aktien.
- Im Langzeitvergleich markiert der 1988 ins Leben gerufene DAX regelmäßig wiederkehrende Hoch- und Tiefpunkte in Abständen von einigen Jahren, wenngleich in sich verstärkender Dynamik. Einige Male fiel der deutsche Leitindex – wie alle großen Börsenbarometer – im berüchtigten Crashmonat Oktober auf ein markantes Tief. 2011 geschah dies schon ab August.
Wie beim Fußball gibt es auch an der Börse Auf- und Abstiegskandidaten. Im Fußball kämpfen die besten Teams um Ruhm, Trophäen und vor allem um die Millioneneinkünfte in der Champions und Europa League. Die 50 marktführenden AGs von Euroland bilden den EURO STOXX 50 mit so bekannten Titeln wie L’Oreal, Nokia, Philips, Unilever oder Total. Um zu dem bei Bundesbürgern beliebten Depot »DAX-Heimatliebe« zurückzukommen: Das Risiko steigt bei einseitiger Ausrichtung auf DAX-Titel mangels Streuung (Diversifikation). Dies trifft auch im Fußball zu, wenn das Durchschnittsalter der Spieler zu hoch ist, einseitig defensive oder offensive Kräfte bevorzugt werden und ein zu starres Spielsystem kreative Spielzüge bereits im Keim erstickt.
Beim Vergleich zwischen DAX und EURO STOXX fällt auf, dass die beiden Börsenbarometer unterschiedlich zusammengesetzt sind. Der EURO STOXX 50 als Index für Euroland bringt einen großen Anteil von Öl- und Gasunternehmen, die im DAX vollständig fehlen. Bezüglich der jährlichen Gewinnausschüttung führt der EURO STOXX mit einer Durchschnittsdividende von fast fünf Prozent gegenüber dem DAX von vier Prozent. Wie niedrig ist dagegen der Sparbuch-Zinssatz!
Über zwei Jahrzehnte DAX: Ein Streifzug durch die Geschichte
1988: Der Deutsche Aktienindex DAX startet nach einem halbjährigen Probelauf am 1. Juli 1988 mit 1.163 Punkten und legt an seinem ersten Geburtstag eine Traumperformance von 33 Prozent hin.
1989: Am 16. Oktober 1989 erlebt der DAX mit einem Minus von 13 Prozent den größten Tagesverlust in seiner über 20-jährigen Geschichte.
1990: Der DAX steigt um rund ein Drittel, obwohl zeitgleich in Japan die Immobilien- und Börsenblase zu platzen beginnt.
1991: Wegen politischer Turbulenzen mit Absturz des US-Dollars, der Pfundkrise wegen der Milliardenspekulation von George Soros und Gewinneinbrüchen einiger Großkonzerne erlebt der DAX die erste große Krise und Bewährungsprobe.
1993: Inmitten schwacher Konjunktur- und Unternehmenszahlen schafft der DAX mit einem Plus von 47 Prozent das beste Jahresergebnis. Sinkende Zinsen wecken die Hoffnung auf ein baldiges Ende der Rezession und treiben die Kurse in ungewohnte Höhen.
1994/95: Doch die Wirtschaft überwindet ihre Schwächephase noch nicht, sichtbar an der steigenden Arbeitslosenquote. Die Kurse brechen ein. Danach startet der DAX bis 2000 eine nie dagewesene Rallye, unterstützt durch reißerische Schlagzeilen und DAX-Kurse auf den Titelseiten der Boulevardpresse.
1996/97: Mit dem Börsengang der einstigen »Volksaktie Deutsche Telekom«, für die der Schauspieler Manfred Krug die Werbetrommel rührt, startet der größte Hype seit den 1920-er Jahren. Über drei Millionen Privatanleger zeichnen die 713 Millionen T-Aktien zum Preis von umgerechnet 14,57 Euro. Knapp vier Jahre später notiert die T-Aktie bei 104 Euro, aktuell schwankend zwischen acht und gut zehn Euro. Nach einer Korrektur wegen der Pleite des US-Hedge-Fonds LTCM sprintet der DAX sehr sportlich von einem Tausender zum nächsten.
2000: Am 7. März 2000 endet so mancher Traum von Reichtum ohne Arbeit für jedermann bei 8.136 Zählern. Noch ahnt niemand, dass der Crash drei Jahre dauern und zahllose Anleger in den finanziellen Ruin treiben wird.
2003: Bis Frühjahr 2003 stürzt der DAX auf 2.200 Punkte ab und vernichtet drei Viertel seines Börsenwerts. Die Interneteuphorie und der Traum von einer dauerhaften Hochkonjunktur erweisen sich als Schaumschlägerei. Die Terroranschläge am 11. September 2001 auf das World Trade Center lösen Kriegs- und Rezessionsängste aus. Der Irakkrieg verstärkt die weltweite Verunsicherung.
2003 bis 2007: Bis Mitte 2007 läuft eine Boomphase in der klassischen Industrie. Doch bei den meist passiv an der Seitenlinie verharrenden Privatanlegern, misstrauisch geworden und ängstlich nur noch auf Kapitalerhalt bedacht, läuft die Rallye vorbei. Die Chance, alte Verluste wettzumachen, bleibt ungenutzt. Erst als der DAX im Sommer 2007 erneut die 8.000er-Marke überspringt, keimt bei vielen Anlegern neue Hoffnung auf – reichlich spät.
2008/09: Die im Sommer 2007 in den USA ausgelöste Subprime- und Hypothekenkrise als Folge schlechter Bonität amerikanischer Wohnimmobilienbesitzer weitet sich zum Monster und globalen Finanzdesaster insbesondere im Hypothekenbankensektor aus. Sinkende Umsatz- und Gewinnerwartungen gekoppelt mit zurückgehenden Aufträgen schwappen auf den Industriesektor über. Die verbrieften spekulativen Kreditderivate, raffiniert neu verpackte komplizierte Finanzkonstrukte, die selbst Finanzexperten oft nicht mehr verstehen, erweisen sich als brisante Fallstricke. Die Häuserpreise...