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Der Comic im Geschichtsunterricht

Art Spiegelman's 'Maus' als Medium zur Holocaust Education

AutorJohannes Kolb
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl77 Seiten
ISBN9783656322856
FormatePUB/PDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis29,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Didaktik - Geschichte, Note: 12, Justus-Liebig-Universität Gießen, Sprache: Deutsch, Abstract: 'Der Name Ausschwitz ist bis heute ein Synonym für das Nicht-Darstellbare, dem nur Leere oder Schweigen gerecht werden könne.' Fragen über mögliche Darstellungsweisen des Holocaust werden sehr kontrovers diskutiert. Dennoch gibt es eine enorme Bandbreite von Formen zur Veranschaulichung des historischen Ereignisses. Es liegen dazu Zeugnisse, Dokumente, Zeichnungen, (Fernseh-)Filme, Fotografien, Theaterstücke, Romane, Gedichte, Kunstwerke, Denkmäler und auch Comics vor. Art Spiegelman versucht mit Maus den Holocaust im Comic darzustellen. Sein Werk war ein kommerzieller Erfolg in den USA und in Deutschland, wurde von den Kritikern fast ausnahmslos positiv bewertet und gilt inzwischen dem Kanon der Holocaust-Literatur zugehörig. Die Veröffentlichung sorgte aber auch für kritische Reaktionen und führte zu der Frage, ob die Vernichtung der Juden durch das NS-Regime durch einen Comic veranschaulicht werden darf. Die Paradoxie liegt vor allem darin, dass eine derartig ernsthafte Thematik in einem Medium verarbeitet wird, das bis in die 70er Jahre noch als Schundliteratur bezeichnet wurde. Auch die Art der Darstellung des Holocaust durch Tiermetaphern, in der Juden als Mäuse, Nazis als Katzen etc. dargestellt werden, wurde zunächst skeptisch begutachtet. Die Kritik schlug mit dem Erscheinen des Zweiten Bandes und der deutlicher werdenden metaphorischen Intention des Autors dann aber in allgemeine Anerkennung um. Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich daher mit der Frage, ob Art Spiegelman's Maus ein geeignetes Medium darstellt, um den Holocaust im Geschichtsunterricht zu vermitteln.

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Leseprobe

3 Art Spiegelman’s „Maus“ als Medium zur Holocaust Education


 

3.1 Comics und (Geschichts-)Unterricht


 

3.1.1 Comics - Begriff und Definition


 

Ziel dieses Abschnitts ist es, den Gegenstand Comic schrittweise zu definieren. Es geht zunächst einmal um eine Form von Literatur im Bildformat, bei welcher visuell erzählt wird. Narrative Bilder hat es  in der Menschheitsgeschichte schon immer gegeben – wie bspw. in Historienbildern, Fresken, Wandmalereien – und jedoch fällt nicht jedes dessen unter die Kategorie Comic. Bezüglich Inhalt und Intention sind dem Format keine Grenzen gesetzt. So kann es als Bericht, Kritik, Provokation, Erzählung, Unterhaltung usw. fungieren und sich aus jeglichen Bereichen wie Religion, Politik, Geschichte, Alltag, Fantasie, Kunst, Wissenschaft etc. zusammensetzen.[76]Begrifflich ergibt sich eine enorme Fülle an Beschreibungen des Phänomens: Bildergeschichte, Bilderzählung, Bilderliteratur, Bildroman, narrativer Zyklus, Fotoroman, Comic, Comicstrip, Comicstory, Pantomimenstrip, Manga, Grafische Novelle bzw. GraphicNovel, Autorencomic, Underground Comix etc. Jedwede Bezeichnung besitzt hierbei einen unterschiedlichen Schwerpunkt wie etwa die Form der Gestaltung, den Inhaltsbezug, die Art und Weise der Erzählung, die jeweiligeZuweisung oder die Herkunft. Der Pantomimenstrip beschreibt einen Comic, der ohne Text lebt. Der Comicstrip bezieht sich dagegen auf einen knappen Comicstreifen in einer Zeitung. Ein Fotoroman stellt eine Reihe von Fotografien dar, welche eine Geschichte darstellen. Mangas beziehen sich vor allem auf filmähnliche Comics, die größtenteils aus Japan stammen. Der Autorencomic grenzt sich von der Massenware ab und definiert sich als anspruchsvolles Werk. Der Begriff der GraphicNovelist momentan aktuell und bezieht sich auf eine epische Großvariante, die als Buch publiziert wird, künstlerischen Anspruch besitzt und zuletzt auch ökonomischen Interessen nachgeht.Zuletzt hat sich allerdings der Begriff Comic durchgesetzt. Darunter wird im engeren Sinne eine narrative Bildfolge verstanden, die Figuren beinhaltet sowie über comicspezifische Requisiten wie Sprechblasen, Speedlines, Lautmalerei etc. verfügt.[77]

 

Allerdings verfügt der Begriff Comic über keine einheitliche Definition, die gleichermaßen von Medienpädagogen, Comicforschern und Pädagogen anerkannt ist. Dies ist nicht zuletzt der Tatsache geschuldet, dass sich das Format in über 100 Jahren Geschichte immer wieder neu erfunden hat. Zusätzlich erschwert wird die Definition durch folgende Hintergründe. Die Annahme des Comics als Massenmedium würde anspruchsvolle, weniger kommerzielle Exemplare ausblenden. Somit ist eine Definition ausgehend von einem historischen Ansatz oder bestimmter Inhalte nicht zielführend. Ein weiteres Problem liegt darin, dass Comics einerseits ein eigenständiges Format darstellen und andererseits in der Forschung immer wieder als Mischformen zwischen Kunst und Literatur gesehen werden.Will Eisner bezeichnet bspw. den Comic als „sequentielle Kunst“ und meint damit also eine Kunstform, die durch die Hinzugabe des Begriffs Sequenz den narrativen Charakter zuzüglich erhält.[78]Dittmar definiert: „Comic ist eine Sequenz von Bildern oder Bildelementen, die einen Handlungsstrang oder Gedankenflug erzählen.“[79]Die Definition nach Scott McCloud gilt heute als weitgehend anerkannt und fügt dazu noch die ästhetische Wirkung hinzu. Danach sind Comics „zu räumlichen Sequenzen angeordnete, bildliche oder andere Zeichen, die Informationen vermitteln und/ oder eine ästhetische Wirkung beim Betrachter erzeugen sollen.“[80]Diese Kennzeichnung ist sehr offen gestaltet und lässt dadurch Freiraum für eine Einbettung in ein Genre sowie für die Fragen nach den Inhalten, Stil oder Technik. Es wird hierbei auch kein Bezug zur Grundform des Comic als Massenmedium gesetzt. Außerdem kommt hier auch keine Diskussion über den Bezug zu Literatur oder Kunst auf. Gundermann[81] kritisiert allerdings, dass diese Definition vor allem für den Laien einen zu hohen Grad an Unverbindlichkeit lässt, so dass bspw. stilistische Merkmale wie Sprechblasen nicht Teil der Beschreibung sind. So müsse eine Ergänzung zu der besagten Definition hinzugefügt werden. Martin Barker definiert simpel: „Ein Comic ist ein Comic.“[82]Gundermann sieht hierbei vor allem den Vorzug darin, dass dem Comic Eigenständigkeit als Medium eingeräumt wird. Sie definiert daraus eine eigene Definition: „Der Comic ist ein eigenständiges Medium, das durch bildliche oder andere Zeichen charakterisiert wird, die zu räumlichen Sequenzen angeordnet sind. Ein Comic ist dann als solcher zu bezeichnen, wenn er unter diesem Namen produziert worden ist und Informationen vermitteln und ästhetische Wirkungen beim Betrachter erzeugen soll.“[83] Diese Definition soll in dieser Arbeit als Grundlage dienen.

 


3.1.2 Geschichte des Comic


 

Die Entstehungsgeschichte des Comic gestaltet sich ähnlich kontrovers wie die Frage nach einer einheitlichen Definition des Mediums.Der Wunsch des Menschen, Erlebnisse künstlerisch zu verarbeiten „ist so alt wie die Menschheit selbst.“[84]Zu den Vorformen des Comic werden bspw. Höhlenmalereien, die die Frühform einer Geschichte in Bildern darstellen, gezählt. In altägyptischenMalereien finden sich erste sequentielle Bilder.[85]Auch in der griechischen Vasenmalerei waren erste sequentielle Bildanordnungen zu finden. Zudem können auch in der römischen Antike mit der Trajan-Säule sowie der Marc-Aurel-Säule Vorformen des Comic entdeckt werden, da hierbei ebenfalls sequentielle Bilder verwendet werden.[86]Der Wandteppich von Bayeux(ca. 1077) steht in ähnlicher Tradition, auf dem unter anderem in abgetrennten Bildsequenzen die Schlacht bei Hastings erzählt wird.[87]Auch in Japan liegen seit dem 11. Jahrhundert erste Comicvorformen vor, die als Entwicklungsschritt der Manga-Comics gelten.[88]Weitere wichtige Meilensteine der Comicvorgeschichte bildeten die Entstehung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg, die Verfeinerung dessen durch Kupfer- und Stahlstich sowie die Ende des 18. Jahrhunderts entstandene Lithografie. Hierbei zählen politische Flugschriften der Reformation, die mit satirischen Zeichnungen verknüpft wurden, als direkte Vorgänger  des Comic.[89]Mitte des 19. Jahrhunderts entstanden erste Bilderbücher und Bildergeschichten wie etwa von dem englischen Künstler William Hogarth (1697-1761).[90]Während sich in England Ende des 19. Jahrhunderts ein „goldenes Zeitalter“[91] von Karikaturen etablierte, entstanden in Deutschland neben Karikaturen die sogenannten Bilderbögen, die sich allerdings stärker an Kinder und Jugendliche statt an Erwachsene richteten. Diese stellen die ästhetische Grundlage der in Folge entstehenden Comics in Europa und Amerika dar. Die Geschichten von Wilhelm Busch (1832-1908) werden im Allgemeinen eher der Kinderliteratur zugeschrieben.[92]

 

Die Geschichte des Comic selbst beginnt Ende des 19. Jahrhunderts in den USA. In den Sonntagsbeilagen von Zeitungen wurden die anfangs zunächst lustigen und komischen Zeichnungen als Kaufanreiz beigefügt. Am 25. Oktober 1896 erschien im New York Journal der erste Comic-Streifen The Yellow Kid von Richard FeltonOutcault (1863-1928).[93]In dieser Frühphase bis zum Jahre 1929 bestanden die Comics vor allen Dingen aus komischen Inhalten. Dieser humoristische Aspekt des Mediums führte auch zu dem seit 1929 in den USA verwendeten Begriff „Comic“.[94] Das Jahr 1929 stellte dann eine Zäsur dar und führte zu einer Phase, die Munier das „Mannesalter“ der Comics bezeichnet.[95] Das Erscheinen von Tarzan (1929) von Buck Rogersbrachte die Gründung der sogenannten Abenteuer-Comics. Neben einigen anderen Comics mit Identifikationsfiguren entstand dabei auch der erste Geschichtscomic Prinz Eisenherz (1937) von Harold Foster. Zudem etablierte sich in den dreißiger Jahren das Comic-Heft neben den kürzeren Zeitungsstrips. Historisch interessant ist auch, dass die meisten US-Comic-Helden am Zweiten Weltkrieg teilnahmen und gegen Deutschland mitkämpften.[96]In Europa wurden die zuletzt bis zum Ersten Weltkrieg stark verbreiteten Bilderbogen irrelevant, wohingegen sich Frankreich und Belgien dem neuen Medium Comic öffneten. So erschien 1929 erstmals in Belgien der Comic Tintin von Hergé, der später auch in Deutschland unter dem Namen Tim und Struppi bekannt wurde.[97]In Deutschland konnten sich Comics in der Weimarer Republik nur schwerlich etablieren, da sie sich im Gesamtraum der sich entwickelnden Massen- und Populärkultur befanden, die von den damaligen Bildungseliten u.a. als „Amerikanismus“ scharf kritisiert wurden. Aus diesem Grund konnten sich deutsche Produktionen kaum konstituieren bzw. Erfolge verzeichnen, und versuchten der Kritik wie etwa „Schundliteratur“ zu entgehen, indem sie bspw. die Verwendung von...

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