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Der Pfaffenspiegel.

Historische Denkmale des christlichen Fanatismus.

AutorOtto von Corvin
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl484 Seiten
ISBN9783741248665
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Aus der Vorrede zur 5. Auflage 1885: Das wurde vom Publikum sowohl als der Presse ganz außerordentlich günstig aufgenommen, wenn auch einige zartbesaitete Kritiker meine Sprache hin und wieder zu offen und derb fanden. Ich habe aber für jedes meiner Bücher einen besonderen Stil, wie ich ihn für den behandelten Gegenstand und für die Klasse des Publikums, für welche das Buch bestimmt ist, für zweckmäßig halte. Der Erfolg hat bewiesen, dass ich, was die "Historischen Denkmale usw." betrifft, das Richtige getroffen habe. Corvin

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Leseprobe

Vorreden


»Sollte Dir, heiligster Vater,

dieses Büchlein gefallen und Du

mir solches öffentlich zu erkennen

geben, so will ich mich bemühen,

mit ähnlichen Geschenken aufzuwarten.«

Ulrich von Hutten

Aus der Vorrede zur ersten Auflage (1845)


Die Welt ist schon oft mit einem Narrenhause verglichen worden. Der Vergleich ist für uns nicht schmeichelhaft, aber leider ist er passend. Schauen wir um uns! Wo wir hinsehen, finden wir die charakteristischen Kennzeichen eines Tollhauses:

Überall rennen wir gegen verschlossene Türen, überall erblicken wir vergitterte Fenster und drohend geschwungene Peitschen eines Aufsehers, wenn wir etwas zu unternehmen trachten, was gegen die Hausordnung verstößt. Doch das alles hat die Welt auch mit einem Zuchthause gemein; das Treffende des Vergleichs wird uns erst klar, wenn wir ihre Bewohner, die Menschen, in ihrem Treiben beobachten.

Dort erblicken wir hochmütige Narren, die sich für die Herren der Welt halten und steif und fest glauben, Gott habe dieselbe mit allen Menschen nur zu ihrem Privatvergnügen geschaffen; vor ihnen liegen Millionen noch größerer Narren im Staube, die ihnen glauben und demutsvoll gehorchen.

Dort sitzt ein anderer und nennt sich Vizegott. Er liebt das Geld wie ein altrömischer Statthalter, und die Menge rennt herbei und füllt ihm die Taschen mit Gold, wofür er ihr Einlaßkarten - zum Himmel gibt. Dort knien Tausende anbetend vor einer Bildsäule, dort vor einer Schlange, dort vor einem Ochsen. Jene beten die Sonne an, diese den Mond, andere das Wasser.

Seht euch diese Leute genauer an, denn von ihnen handelt dies Buch. Ihr findet unter ihnen Wahnsinnige von allen Graden, vom rasend Tollen bis zum armen Blödsinnigen, der unter Zittern und Zagen seinen Rosenkranz betet und beständig fürchtet, der Teufel möchte ihn holen. Wie mannigfach sind nicht die Äußerungen ihres Wahnsinns, oft grauenerregend, oft lächerlich, oft Abscheu und Zorn, oft Mitleid erweckend. Diese Religionstollheit verdient schon eine genauere Betrachtung, denn sie ist über die ganze Erde verbreitet und hat unsägliches Elend über die Menschen gebracht.

Und ist denn diese Krankheit unheilbar? O nein! Aber die Ärzte, die es vermöchten, sie zu heilen, meinen es nicht ehrlich, denn sie beuten diese Pest des Menschengeschlechtes zu ihrem Vorteil aus und fürchten ihre Macht zu verlieren, wenn die Welt von diesem Übel befreit wird. Andere meinen es ehrlich; aber Machthaber fesseln ihnen nicht allein die Arme, sondern versiegeln ihnen auch den Mund.

Vor etwa zweitausend Jahren wurde zum Glücke der tollen Menschheit der Welt ein Heiland geboren. Er war ein großer Arzt, und wer seine Mittel gebrauchte, der genas von der Religionstollheit, die schon von Anbeginn unter dem Menschengeschlechte wütete. Aber er fiel als ein Opfer seiner Menschenfreundlichkeit und wurde ans Kreuz gehängt. Seine Schüler schrieben die Lehren des Meisters nieder, so gut sie dieselben begriffen, aber sie taten es in der überschwenglichen Ausdrucksweise des Morgenlandes, und das war es, was das Abendland noch toller machte, als es vorher war. Hier verstand man den Geist der Sprache nicht, man hielt sich an den Wortlaut, fing an zu drehen und zu deuteln, und in die ganze Heilmethode kam grenzenlose Verwirrung. Die gute Absicht des großen Arztes, die Menschheit aus den Fesseln des Wahns zu erlösen, ging verloren, die geistige Finsternis wurde immer dichter, und die Menschen sind nach zweitausend Jahren noch verrückter, als sie es vorher waren.

Doch ich will diese Bildersprache aufgeben und sie denjenigen überlassen, welche eine Menge von der Romantik des Christentums zu faseln wissen. Ich will nun weiter kein Blatt vor den Mund nehmen, sondern gerade und deutsch meine Meinung sagen.

Es ist meine ehrliche und aufrichtige Meinung, daß das Christentum unendliches Elend über die Welt gebracht hat! Das Gute, welches es erzeugte, wäre auf anderen Wegen gewiß weit herrlicher erreicht worden, und dann steht es mit dem Bösen, dessen Ursache es war, in gar keinem Verhältnis ...

Rom und Griechenland sind ohne Christentum groß geworden, und welcher christliche Staat kann so herrliche Beispiele von Bürgertugend und wahrer Mannesgröße aufweisen? Was hätte aus dem trefflich begabten deutschen Volke werden können, wenn es sich auf ähnlichem Wege wie das griechische entwickelt hätte, oder auch - wenn ihm Christi Lehre in ihrer reinen Gestalt überliefert worden wäre! Aber was hat die christliche Kirche mit Christus gemein! Er predigte die Freiheit - sie aber die Sklaverei. Was haben die Deutschen durch das von den Pfaffen verpfuschte Christentum gewonnen? - Sie, die sonst frei waren, wurden durch dasselbe Sklaven und sind es geblieben bis auf den heutigen Tag. Statt hölzerner und steinerner Götzenbilder, die keinen Schaden taten, bekamen sie lebendige Pfaffen.

Die Verteidiger des Christentums rühmen, daß es die Barbaren entwilderte. Ich will zugeben, daß dies für den Augenblick geschah, allein wie bald zerknickte nicht das Papsttum die durch die neue Lehre hervorgerufenen dürftigen Blüten der Kultur und versenkte ganz Europa in eine Barbarei, die weit finsterer war, als sie es zu heidnischer Zeit je gewesen. Die heidnischen Preußen waren so dumm nicht, als sie den „heiligen“ Adalbert totschlugen, und verdienten weit eher das Denkmal, welches nun diesem gesetzt werden soll.

Papst Alexander VI. sagte: „Jede Religion ist gut, die beste aber - die dümmste.“ Er sprach es aus, was alle Päpste vor und nach ihm dachten. „Rom kann nur herrschen, wenn die Welt dumm ist“, stand als unumstößlicher Grundsatz in ihrer Seele geschrieben, und deshalb schickten sie ihre Apostel aus, welche die Menschheit systematisch verdummen mußten ...

Völker und Fürsten lagen vor den Päpsten im Staube. Das Weltreich, welches sie errichteten, und sein Bestehen bis auf den heutigen Tag ist das größte Wunder, welches die Geschichte kennt. Des großen Alexander Reich zerfiel; das der alten Römer und das Napoleons ging in Trümmer; sie waren gebaut auf die Gewalt der Waffen. Aber das Reich von Neu-Rom besteht schon fast anderthalbtausend Jahre und wird wer weiß noch wie lange bestehen, denn es ruht auf dem solidesten Fundament ‒ auf der Dummheit der Menschen.

Man schämt sich, ein Mensch zu sein, wenn man überdenkt, durch welche Mittel es den Päpsten gelang, die Geister der Menschen in das Joch zu schmieden. Der grobe Betrug, der nichtswürdigste Eigennutz lagen so klar und offen da, daß es fast unbegreiflich erscheint, wie sie nicht auf der Stelle und selbst von dem Dümmsten erkannt wurden, besonders da die Pfaffen sich nicht einmal große Mühe gaben, ihr Tun und Treiben zu verbergen. Mit der schamlosesten Frechheit wurde die dummgläubige Christenheit geplündert, denn Geld! Geld! war die Losung Roms. Scharen feister Mönche und Nonnen mästeten sich von dem sauer erworbenen Sparpfennig der Armen, die um so mehr bereit waren, die Koffer der Pfaffen zu füllen, weil es ihnen hier auf Erden so schlecht ging und sie sich doch wenigstens nach dem Tode ein bequemes Plätzchen sichern wollten.

Der Klerus nahm lachend das gute Geld, welches ihm die Leichtgläubigen zahlten, und gab dafür Wechsel aufs Jenseits, die bis heute ihren Kredit behielten, da Tote bekanntlich stumm sind. Die schändlichsten Verbrechen, welche sich die Zunge zu nennen sträubt, konnten mit Geld gebüßt werden; aber wer an dem Glauben rüttelte, der büßte in den Flammen!

Der über alle Erwartung gute Erfolg und die unerhörte Leichtgläubigkeit der christlichen Herde hatten die Päpste und Pfaffen zu sicher gemacht. Ihre Geldgier wie ihre Üppigkeit und Liederlichkeit überschritten alle Grenzen. Einzelne sahen ein, daß der zu scharf gespannte Bogen brechen mußte; aber alle ihre Warnungen waren vergebens. Kardinal Johann, ein Engländer, sagte zu Innocenz IV: “Bileams Eselin ließ sich lange mißhandeln, aber endlich fing sie an zu reden.“ Der Kardinal hatte richtig prophezeit. Die Eselin redete; aber als sie geredet hatte, da schwieg sie wieder und blieb nach wie vor - eine Eselin.

Von allen Seiten erhoben sich zwar Stimmen gegen das tolle Pfaffenwesen; sie wurden in Flammen erstickt, und bornierte Fürsten halfen getreulich, die Ketzer vertilgen. Aber jeder vergossene Blutstropfen schien dem Pfaffentum einen neuen Feind zu gebären, und nun begann der Kampf Roms mit der Vernunft, welche es schon längst erstickt zu haben meinte.

Wie ein Riese hieb der deutsche Grobian Luther die italienischen Finten durch; „aber ach“, sagt sein Zeitgenosse Caspar von Schwenkfeld, „Luther hat uns aus Ägypten geführt und durch das Rote Meer, aber in der Wüste sitzenlassen und Israel nicht ins gelobte Land gebracht.“ Und heute, nach dreihundert Jahren, ist der Josua noch nicht erschienen.

Wer wollte die großen Verdienste Luthers verkennen! Die von ihm hervorgerufene Reformation war auf den sittlichen Zustand der Welt von unendlich großem Einfluß. Zahlen sprechen am klarsten....

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