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Der Sinn der Institutionen

Mehr-Ebenen- und Mehr-Seiten-Analyse

VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl302 Seiten
ISBN9783531917818
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis52,99 EUR


Dr. Mateusz Stachura ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg.
Dr. Agathe Bienfait ist Privatdozentin am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg.
Dr. Gert Albert ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg.
Dr. Steffen Sigmund ist Akademischer Oberrat am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg.

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Leseprobe
"Der Kapitalismus als eine universalgeschichtliche Erscheinung. Max Webers institutionenbezogene Analyse (S. 209-210)

Wolfgang Schluchter

1 Vom Kapitalismus als einem neuzeitlichen zum Kapitalismus als einem universalgeschichtlichen Phänomen

Die Soziologie kennt in ihrer relativ kurzen Geschichte viele Analysen des Kapitalismus. Unter ihnen ragen die theoretisch angeleiteten und zugleich historisch ausgerichteten Ansätze von Karl Marx, Werner Sombart und Max Weber nach wie vor heraus. Besonders Max Webers Versuch verdient weiterhin Beachtung, setzt er sich doch mit den Ansätzen der beiden anderen auseinander und sucht sie zu überbieten.

Auch grenzt er sich bei seiner Bestimmung des Kapitalismus von vornherein von aus seiner Sicht unzulässigen Gleichsetzungen ab. So sei Kapitalismus nicht, wie bei Georg Simmel, mit Geldwirtschaft identisch, kapitalistischer Geist nicht, wie bei Lujo Brentano, mit jedem Erwerbsstreben (Brentano 1916), vor allem nicht mit dem Streben nach Geld (Weber 1920: 4f., Fn. 1) gleichzusetzen. Aber auch zu Karl Marx und zu Werner Sombart hält er Abstand.

Für Karl Max war der Kapitalismus die ökonomische Gesellschaftsformation einer historischen Phase, ein neuzeitliches Phänomen, das er als die bis dato höchste Stufe der ökonomischen Entwicklung einordnete. Für Werner Sombart ergab sich der neuzeitliche Kapitalismus aus langfristig wirkenden Entwicklungsfaktoren, die historisch weit zurückreichen. Aber Sombarts Betrachtungsweise, so Weber, der er im Grundsatz zustimme, habe den Nachteil, dass dabei das Allgemeine mit dem Spezifischen verschwimme.

Anders als Marx sieht Weber den Kapitalismus als eine universalgeschichtliche Erscheinung, anders als Sombart beharrt er auf dem Spezifischen des modernen Kapitalismus, und zwar im Unterschied zu jenen Formen des Kapitalismus, die auch andere Kulturkreise und im ‚mittelländisch-okzidentalen’ Kulturkreis die Antike und das Mittelalter kennen. Er sah dieses Spezifische vor allem in der rationalen Arbeitsorganisation (Weber 1920: 4, Fn. 1).

Alle Institutionen, welche die Wirtschaftsverfassung des modernen Kapitalismus darüber hinaus kennzeichnen – die rechtliche Trennung von Haushalt und Erwerbsbetrieb, von persönlichem Vermögen und Betriebsvermögen, die rationale Haushalts- und Betriebsbuchführung in Geldgrößen zur Optimierung von Versorgung und Gewinn, die ‚Kommerzialisierung’ des Kapitals mittels börsengehandelter Wertpapiere –, all dies hätte seine „heutige Bedeutung"" nur durch den „Zusammenhang mit der kapitalistischen Arbeitsorganisation"" gewonnen. Überall, wo diese fehle, wo die Arbeit nicht formell frei sei, wo der formell freie Arbeiter, der nur seine Arbeitskraft verkaufen könne, sich keiner technisch und ökonomisch bedingten Arbeitsteilung und Arbeitsverbindung und keiner Betriebsdisziplin unterzuordnen habe, existiere kein moderner Kapitalismus.

Folgt man Weber, so hat der „bürgerliche Betriebskapitalismus"" (ebd.: 10) der Neuzeit in der „kapitalistisch-rationalen Arbeitsorganisation"" seinen institutionellen Kern (ebd.: 9). Vergleichbares lässt sich aus seiner Sicht nun aber auch für die Wirtschaftsgesinnung sagen. Es gebe keinen größeren Irrtum, als kapitalistischen ‚Geist’ mit schrankenloser Erwerbsgier gleichzusetzen. Eine solch „naive Begriffsbestimmung"" habe in einer ernst zu nehmenden Analyse des Kapitalismus keinen Platz. Eine kapitalistische Wirtschaftsgesinnung könne „geradezu identisch sein mit Bändigung, mindestens mit rationaler Temperierung, dieses irrationalen Triebes"" (ebd.: 4). Dies hatte Weber ja in seiner schnell berühmt gewordenen Aufsatzfolge über die Wirkung des asketischen Protestantismus auf die Ausprägung der frühkapitalistischen Wirtschaftsgesinnung bei gläubigen, aufstiegsorientierten kleinbürgerlichen Schichten des 16. und 17. Jahrhunderts dargelegt (ebd.: 17- 206)."
Inhaltsverzeichnis
Inhalt6
Vorwort8
Einleitung Der Standort weberianischer Institutionentheorie im Raum konkurrierender Forschungsprogramme9
I. Grundzüge weberianischer Institutionentheorie41
Institutionenanalyse und Makrosoziologie nach Max Weber42
Die Institutionalisierung rationaler Handlungsorientierungen69
Nicht intendierte Effekte, Transformationslogik und Institutionen89
Institutionen verstehen: Zur Integration von ökonomischer und soziologischer Betrachtungsweise124
Interaktionen und Institutionen bei Weber und Esser. Von Idealtypen zu einer spieltheoretischen Analyse und zurück154
II. Ordnung und Wandel176
Kreativität und Anpassung – Wandel religiöser Institutionen in Max Webers Studie über das antike Judentum177
Der Kapitalismus als eine universalgeschichtliche Erscheinung. Max Webers institutionenbezogene Analyse207
Max Weber und der Wohlfahrtsstaat234
III. Institutionen und Organisationen251
Bürokratie zwischen „traditioneller Rationalität“ und „ rationaler Tradition“. Max Weber, Preußen und die Rationalität soziologischer Rationalitätstypen252
Amtscharisma und Amtsethos. Das Zusammenspiel von Personalisierung und Versachlichung284

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