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Der sozialistische Städtebau und sein Erbe: Eine Untersuchung am Beispiel der Planstadt Halle-Neustadt

AutorLars Grummich
VerlagGRIN Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl93 Seiten
ISBN9783656292074
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Geowissenschaften / Geographie - Bevölkerungsgeographie, Stadt- u. Raumplanung, Note: 1,7, Universität zu Köln, Sprache: Deutsch, Abstract: Als am 9. Mai 1945 durch die Kapitulation des Deutschen Reiches der Zweite Weltkrieg nach 6 Jahren endete, sollte eine Zeit der politischen Umwälzung auf deutschem Boden beginnen. Durch die besonderen Umstände, welche sich nach dem Krieg im besetzten Ostdeutschland abzeichneten und schließlich in der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik mündeten, gab es städtebauliche Entwicklungen, die in Westdeutschland nicht vorzufinden sind und sich von deren Planungen stark unterscheiden. Ziel im ersten Teil der vorliegenden Hausarbeit ist es, diese Umstände näher zu erläutern und zu bewerten. Dazu soll der Zeitraum von 1945, also unmittelbar nach Kriegsende, bis zur Deutschen Einheit 1990 untersucht werden. Dafür ist es unumgänglich, sich mit der Gründungsgeschichte der DDR, der zentralen Stadtplanung und den 'Sechzehn Grundsätzen des Städtebaus' auseinanderzusetzen. Zusätzlich gibt es im Zusammenhang mit der Problematik des Wohnungsbaus in der DDR einen Exkurs zu den eingesetzten Typen der Plattenbauten und dem dahinter stehenden sozialistischen Grundgedanken. Die Gründe für den Aufbau der sozialistischen Arbeiterstadt Halle-Neustadt mit den sozialistischen Idealvorstellungen sollen im zweiten Teil der Hausarbeit analysiert werden. Des Weiteren wird näher auf die Entwicklung der Stadt und die wachsenden Probleme eingegangen. Dieser Abschnitt der Hausarbeit wird sich vor allem auf den zeitlichen Rahmen von Beginn der Planungen zu Halle-Neustadt ab Ende der 1950er Jahre bis zum Zusammenbruch der DDR beschränken. Im dritten und letzten Teil der Hausarbeit wird schließlich die Problematik der schrumpfenden Städte in Ostdeutschland nach 1990 angesprochen. Hierbei möchte ich im Besonderen auf die damit entstandenen Probleme in Halle-Neustadt und die Versuche der Stadt Halle eingehen, um eben jenem Bevölkerungsrückgang entgegen zu wirken.

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Leseprobe

2 Der Wiederaufbau in der Sowjetischen Besatzungszone


 

2.1 Politische Rahmenbedingungen


 

Als sich am 30. April 1945 die „Initiativgruppe“ der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD) um den späteren Staatsratsvorsitzenden der Deutschen Demokratischen Republik (DDR), Walter Ulbricht, auf den Weg „nach Berlin [begab], um von dort aus die Nachkriegsverhältnisse im sowjetisch besetzten Teil Deutschlands in ihrem Sinne zu ordnen“ (Durth et al. 1999a: 76), sollte der Grundstein für einen späteren, mehr als 40 Jahre andauernden Sozialismus gelegt werden.

 

Doch zunächst stellten sich in den besetzten Gebieten Ostdeutschlands die gleichen Fragen wie für die westlichen Alliierten. Durch den Zweiten Weltkrieg wurden große Teile Deutschlands zerstört und Millionen von Menschen obdachlos. „Die Folge war, dass es die Stadt als Standort von Handel und Gewerbe kaum mehr gab und dass insbesondere Bürger unterer und mittlerer Schichten ihre Wohnungen verloren hatten“ (Hewitt et al. 1993: 438).

 

Aus diesem Grund entschieden sich die Siegermächte schnellstmöglich die administrativen Rechte und Aufgaben zu klären, welche für einen geordneten Wiederaufbau unerlässlich waren. Dadurch kam es in kurzer Zeit zu einer Vielzahl von Entscheidungen, die einen bedeutenden Einfluss auf die Entwicklung zweier deutscher Staaten und einer damit einhergehenden, nahezu konträren städtebaulichen Entwicklung in den Folgejahren haben sollten.

 

Am „5. Juni 1945 übernahmen die vier Siegermächte mit der Berliner Erklärung die oberste Regierungsgewalt in Deutschland. Die damit verbundene Zusammenarbeit im Alliierten Kontrollrat und in der Alliierten Stadtkommandantur von Berlin machten […] eine zentrale sowjetische Militärregierung notwendig“ (Creutzberger 1996: 27).

 

Bereits einen Monat nach der bedingungslosen Kapitulation Deutschlands wurde deshalb am 9. Juni 1945 durch den Befehl Nr. 1 die Gründung der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland (SMAD) offiziell bekanntgegeben.

 

Jedoch war der Apparat der SMAD mit seinem Hauptstab in Berlin Karlshorst nach Creutzberger (1996: 29ff) organisatorisch unzureichend aufgebaut und personell völlig unterbesetzt. Zu diesem Zeitpunkt trat die „Gruppe Ulbricht“ in Erscheinung, die nach ihrem langjährigen Aufenthalt in Moskau und entsprechender Vorbereitung „der Sowjetischen Militäradministration in Deutschland beim Aufbau der Verwaltung in der sowjetischen Besatzungszone […] helfen“ (Benz 2005: 12) sollte.

 

In der Folge begann die Militärverwaltung im Juli 1945 damit, ihren Verwaltungsapparat auf Länder- und Provinzebene umzuorganisieren. Die „644 Kommandanturen, die bis dahin dem Truppenkommandos der sowjetischen Streitkräfte unterstanden, [wurden] zu Organen der SMAD umfunktioniert und den Länder- und Provinzialadministrationen unterstellt“ (Creutzberger 1996: 28). Somit spannte sich ein flächendeckendes Verwaltungsnetz in Ostdeutschland, das unter der Befehlsgewalt des ranghöchsten sowjetischen Offiziers G.K. Žukow stand.

 

Am 10. Juni 1945 wurde durch Befehl Nr. 2 der Militäradministration die Gründung von Parteien gestattet und so die Parteilandschaft in Deutschland wiederbelebt. Diesem Befehl folgte nur einen Tag später, am 11. Juni 1945, der Gründungsaufruf der Kommunistischen Partei Deutschland (KPD), welche sich zum damaligen Zeitpunkt als demokratisch-antifaschistische Partei ohne „Hetze und Feindschaft gegenüber der Sowjetunion“ (Durth et al. 1999a: 77) beschrieb. Die letztlich geplante sozialistische Umwälzung wurde aber nicht als Ziel angeführt.

 

Doch trotz des Beschlusses der alliierten Siegermächte während der Potsdamer Konferenz, welche vom 17. Juli bis 2. August 1945 abgehalten wurde, Deutschland als einheitliches Wirtschaftsgebiet zu behandeln, sollten „gemäß Befehl Nr. 17 der SMAD vom 27. Juli 1945 Zentralverwaltungen für die Sowjetische Besatzungszone gebildet“ (Durth et al. 1999a: 78) werden.

 

Aus dieser Zeit stammt auch ein Zitat von Walter Ulbricht, welches die eigentlichen Absichten der Sowjetunion verdeutlicht: „Es ist doch ganz klar: Es muss demokratisch aussehen, aber wir müssen alles in der Hand haben“ (Durth et al. 1999a: 78).

 

2.2 Städtebauliche Entwicklungen


 

Erst nach Errichtung der als Übergangsregierung geplanten SMAD sollte der Aufbau der zerstörten Städte langsam wieder an Bedeutung gewinnen.       Dennoch stellt sich die Frage, inwiefern sich in den Folgejahren überhaupt eine städtebauliche Entwicklung abzeichnete.

 

Tatsächlich wurde unmittelbar nach dem Zweiten Weltkrieg mit dem Begriff „Aufbau“ zunächst nichts anderes als Trümmerbeseitigung in Verbindung gebracht. Doch bereits ab 1946 rückte „das Problem des Wiederaufbaus der historischen Stadtkerne und Baudenkmäler“ (Paul 1992: 316) neben der Trümmerbeseitigung in den Mittelpunkt. Hierfür fanden bereits „1946/47 intensive Planungsarbeiten und Wettbewerbe“ (Nutz 1993: 159) der Städte in Gesamtdeutschland statt. Doch diese litten allesamt unter einem Problem: Aufgrund der Tatsache, dass sich nach dem Krieg kein städtebauliches Leitbild durchsetzen konnte, waren sie „nicht klar genug in der Aufgabenstellung begrenzt“ (Beyme v. 1987: 275). So gab es einerseits Vorschläge einer Totalrekonstruktion der vielerorts mittelalterlichen historischen Stadtkerne oder aber auch Entwürfe moderner Neubauten mit neuer städtebaulicher Struktur.

 

Deswegen wurden für die Umsetzung der Wettbewerbsvorschläge in der Sowjetischen Besatzungszone schnell „politische und wirtschaftliche Bedingungen geschaffen, die sich von denen in den Westzonen stark unterschieden“ (Paul 1992: 316).

 

Schon mit den im September 1945 eingeleiteten „Verordnungen zur Bodenreform“, im Rahmen des von der SMAD durchgeführten „Neubauernprogramms“, kam es zu einschneidenden Veränderungen im Bodenrecht.

 

Dabei griff die Bodenreform besonders stark auf dem Land, da der Befehl     Nr. 209 „die planmäßige Realisierung des Neubauernprogramms mit allen zur Verfügung stehenden Mitteln anordnete“ (NUTZ 1993: 159). Auf diese Weise entschädigungslos erhaltenes Gebiet wurde zumeist an Flüchtlinge verteilt. Oberstes Ziel war es hierbei, sogenannte „Neubauern“ auszubilden und so einen höheren Grad der Selbstversorgung der Bevölkerung sowie eine Verringerung des Imports an Nahrungsmitteln zu erreichen.

 

Bemerkenswert ist, dass sich auch Architekten für eine Umsetzung der Bodenreform stark machten, da durch diese nur wenig Rücksicht auf bestehende Besitzstrukturen genommen werden musste.

 

Jedoch wurden „die beschränkten Baumaterialien, die vor allem aus Trümmern gewonnen wurden, in erster Linie und unter ständiger Kontrolle der Sowjetunion für den Aufbau der Industrie und Energieversorgung“ genutzt, was den „Klein- und Mittelstädten im ländlichen Raum, nur wenige Möglichkeiten zum sichtbaren Aufbau der zerstörten Stadtzentren, die über die Wiedererrichtung einzelner Gebäude hinausgehen“ (NUTZ 1993: 159) einräumte.

 

Für die Entwicklung größerer Städte aber zeichnete sich eine andere Entwicklung ab. Die noch „vorhandene Nazi-Architektur wurde als Symbol einer verlogenen Zeit interpretiert“ (HOSCISLAWSKI 1991: 38). Aus diesem Grund bot es sich an, sich wieder dem Bauhaus-Funktionalismus zuzuwenden, „dem in der Weimarer Republik gerade von Sozialdemokraten und Kommunisten Sympathien entgegengebracht worden waren, und dessen Prinzipien Eingang in die von der internationalen Architektenvereinigung CIAM verabschiedeten […] „Charta von Athen“, gefunden hatten“ (HOSCISLAWSKI 1991: 38). Die CIAM (Congrès Internationaux d’Architecture Moderne) war eine in den Jahren 1928 bis 1959 stattfindende Reihe von Kongressen für Architekten und Stadtplaner, deren wichtigster Beschluss die „Charta von Athen“ war.

 

Außerdem hatte die im Zuge der von der sowjetischen Besatzungsmacht verfolgten Entnazifizierung zur Folge, dass politisch unbelastete Architekten, insbesondere Vertreter des Neuen Bauens, mit ihren Ideen in der Sowjetischen Besatzungszone wirksam werden konnten. Dabei orientierten sich bekannte Anhänger des Neuen Bauens, wie Richard Paulick, Hermann Henselmann oder  Otto Haesler auch am Baugeschehen der anderen Siegerstaaten, um den Anschluss an die „moderne Architekturentwicklung wiederzugewinnen“ (HOSCISLAWSKI 1991: 40). Dazu wurden Planungsvorstellungen unter anderem von Le Corbusier, der Umgestaltung Groß-Londons oder aber auch der Gartenstadtidee aufgenommen.

 

Besonders der Einfluss der Gartenstadtentwicklung wird bei den...

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