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E-Book

Der Zauberberg des Geldes

AutorBernd Niquet
VerlagFinanzBuch Verlag
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783862488193
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis19,99 EUR
'Wir müssen in großen Dimensionen denken, so können wir an die Großen ran' lautete die Grundüberlegung von Alexander von Schulenburg und Bernhard von Mandelwindel bei der Gründung ihres eigenen Staates. Besessen von Geld, das Ihnen die Schätze der Welt käuflich macht, bauen Sie einen hypermodernen Merkantilismus auf. Die ewige Jagt nach frischem Kapital nimmt gänzlich neue Dimensionen an und mündet in eine rasante Romanhandlung. Bernd Niquet, der als Wirtschaftskolumnist im gesamten deutschsprachigen Raum einen hervorragenden Ruf genießt, wirft mit seinem neuen Roman einen ironischen Blick hinter die Fassaden der Wirtschaftswirklichkeit. Utopie und wahre Fakten werden auf eindrucksvolle Weise miteinander verbunden und vermitteln ein profundes Verständnis, was die Weltwirtschaft im Innersten zusammenhält. Der bekannte Wirtschafskolumnist Bernd Niquet bewegt sich mit seinem neuen Werk einmal mehr auf der Passhöhe der Erzählkunst. Spannend, rasant und mit unvergleichlich kosmopolitem Esprit schildert er seinen Lesern, was ein Wirtschaftssystem im Innersten zusammenhält und von wem es gelenkt wird. Die 'Herren des Geldes', verkörpert durch die beiden Hauptfiguren Alexander von Schulenburg und Bernhard von Mandelwindel machen sich nach der Diskussion um die Vor- und Nachteile von sagenumwobenen Staatengebilden wie Monaco, Schweiz und Luxemburg gleich selbst daran einen eigenen Staat aufzubauen. In ihrer Republik 'Schwarzenstein' herrscht ein hypermoderner Merkantilismus, der auch im internationalen Vergleich vorderste Plätze belegt. Mit Abraham Grünspan kristallisiert sich bald der größte Vermögensbesitzer der Welt heraus. Doch je höher der Aufstieg, desto tiefer ist der Fall. Der Staatenführer stolpert in seinen Untergang - neue Visionäre werden an seine Stelle treten und wieder genau den gleichen Weg einschlagen ...

Dr. Bernd Niquet promovierte über das Entstehen neuer wirtschaftlicher Strukturen und war für die Privatisierung von Unternehmen für die Treuhandanstalt tätig. Daneben kümmerte er sich um Sanierungsmanagement in den neuen Bundesländern sowie um die Finanzierung junger Wachstumsunternehmen. Seit 1998 ist er als selbständiger Autor und Publizist in eigener Sache tätig. Seine hintergründigen Marktberichte und spitzen Kolumnen begeistern alle an Wirtschaft Interessierte. Der Autor lebt und arbeitet in Berlin.

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Leseprobe

Vorwort

MUSKELN AUS GELD

„Ich bin in Boogie-Laune“, sagte mein neuer Freund, als wir um Mitternacht die Galerie verließen. Wir waren uns zu Beginn des Abends vorgestellt worden, die Galeristin hatte zu einem Pre-Vernissage-Diner ihrer Ausstellung von Bildern des Mexikaners Manolo da Campo eingeladen. Wir saßen dort an zwei langen Tafeln vor eigens dafür rosa gestrichenen Wänden aus Beton. Hinter uns hingen die Ikonen del Campos wie böse rosa Schatten: Betty Page gibt Karl Marx einen Blowjob, das Michelin-Männchen schmilzt im Fegefeuer, Metallica tackern das Schneewittchen an ein Kreuz und so weiter.

Diese lustige Pop-Ironie – wo hatte ich das schon einmal gesehen?, oder darüber gelesen?, oder davon gehört?

Vom Bürgersteig her, durch die raumhohen Schaufenster betrachtet, muss die Szenerie ausgesehen haben, als ob eine Reisegruppe von dreißig sehr reichen, sehr gut aussehenden Menschen versehentlich in den Magen eines Höllenwurms gewandert wäre – was sie nicht weiter zu stören schien.

Denn kleinwüchsige Kellnerinnen aus Genf mit platinblonden Seitenscheitelfrisuren servierten ihnen Thai Fingerfood und Weißwein, Rotwein, Prosecco; die Tischgespräche drehten sich um Collageninjektionen, Andreas Baader und die Performance der Prada-Yacht im Americas Cup. Und die ganze Zeit dachte ich, dass mir das Szenario dieses Abends seltsam bekannt vorkommt. Ein seltsamer Re-Run, aber: wovon?

Unser Taxi hielt vor der bekannten Diskothek „Parkcafé“, die für diesen Abend in ihrem Inneren bis hinauf zur acht Meter hohen Decke mit marineblauem Schottenkaro ausgekleidet war. Die Uniformen der auf uns zugleitenden Kellner waren aus demselben Stoff geschnitten. „Relight My Fire“ von Dan Hartman lief gerade aus, der DJ spielte „I Will Survive“.

Die Mädchen trugen ihr blondes Haar mit Hornspangen zum Pferdeschwanz zusammengefasst und lachten mit sehr vielen Zähnen, in denen sich die Perlen ihrer Halsketten spiegeln konnten; ihre Begleiter hatten die Ärmel ihrer Oxfordhemden von Polo Ralph Lauren bis in die Ellbogen aufgerollt. Beim Tanzen fielen ihnen wellig nach hinten gegelte Haarsträhnen in die Stirn.

Mein neuer Freund sah genau so aus wie die anderen Gäste und bestellte Champagner an einer der Bars. Der Keeper fragte: „Welcher Jahrgang?“.

Das ist doch, dachte ich – ist das nicht eine Szene aus … ? Ja, aus was denn nur?

„Alles umsonst“, raunte mein neuer Freund mit den Gläsern in der Hand und ich roch sein After Shave: „Eau Sauvage“ von Christian Dior – Duft einer längst vergangenen Zeit.

Über den Anlass der Party wurde viel spekuliert: Der oder die Gastgeber seien um die fünfundzwanzig Jahre alt. Zu feiern gebe es um die siebenundzwanzig Millionen Mark an Venture-Capital, die irgendjemand – gestern?, vorgestern?, letzten Monat? – in ihr Start-up geblasen hatte. Das Start-up selbst sei irgendetwas Serviceorientiertes im Netz, möglicherweise ein Portal.

Mein neuer Freund bestellte uns noch eine Flasche, zündete sich eine Zigarette an und schaute sich dabei um – den Kopf leicht eingezogen, seine Schneidezähne gebleckt, den Kragen eins weiter aufgeknöpft — und sagte: „Jetzt brauche ich noch etwas Liebe“.

Die Musik wurde lauter, mein neuer Freund verschwand auf der Tanzfläche zwischen den Körpern und jemand neben mir sagte laut schniefend: „Metall!“.

Eine Zeitschleife zog sich fester um mich und begann schon damit, sich zu schließen. Und dann hatte ich es plötzlich: Ja! Das war es doch: Hier sah es so aus wie in New York, Ende der achtziger Jahre; dem New York von Bret Easton Ellis und Patrik Bateman, seinem Helden aus „American Psycho“. Das gibt’s doch nicht! Die Achtziger sind endlich da – Willkommen, ihr Lieben, was habt ihr euch Zeit gelassen!

1986, ’87 und auch noch 1988 saßen viele zu Hause auf ihrem Bett und sagten sich jeden Monat: „Scheiße, was ich hier gerade alles verpasse!“

1986, ’87 und auch noch 1988 war „Tempo“ die wichtigste Zeitschrift Deutschlands. Damals standen in „Tempo“ jeden Monat die unfassbarsten Geschichten zu den unglaublichsten Fotos.

Damals gab „Tempo“ der deutschen Jugend ihr Selbstbewusstsein zurück.

Denn „Tempo“ sagte: „Schaut her, ihr seid doch gar nicht so unhip!“

Aber „Tempo“ sagte auch: „Ihr könntet noch viel hipper sein!“

Weil sich Tempos Erfinder, der Österreicher Markus Peichl, vor allem von den Achtundsechzigern distanzieren wollte, brauchte er für die Welt von „Tempo“ einen archetypischen Bewohner, der durch seine bloße Anwesenheit vor Ort die Langhaarigen, Gitarrenmusikhörenden und Diskutierfreudigen von gestern in die Flucht schlagen würde.

„Tempo“ pickte sich dafür den Yuppie heraus. Eine gute, eine sehr gute Wahl. Der Yuppie war zwar im Grunde nichts weiter als ein Bankangestellter, aber dazu: jung, reich (wie man hört), sexy (das kriegen wir schon hin) und eben durch und durch Kapitalist. Aber was heißt schon Kapitalist? Der Yuppie ist der Super-, der Turbokapitalist – schlimmste Fratze des Geldes unter allen Sonnen!

„Aber schaut dieser Yuppie denn wenigstens gut aus?“

„Glaub’ schon.“

„Okay, dann machen wir’s!“

Und der Zeitgeist fuhr ein in die mythische Begriffshülle des Yuppie, einer Abkürzung für: Young Urban Professional People. Als ob das allein etwas Neues sei: jung zu sein, in einer Stadt zu wohnen und einen Beruf auszuüben.

Aber der Yuppie wohnte auch nicht in Bonn oder München. Hier und da hatte der eine oder andere Redakteur schon gehört von den Yuppies in Manhattan, hatte schon Fotos betastet, auf denen glatte Gesichter mit Pferdeschwanz, Walkman, Haifischkragen und Rucksack irgendwo herumstanden oder mit aktentaschengroßen Funktelefonen im Straßencafé saßen. Dass die importiertes Mineralwasser tranken und mit gefrorenem Orangensaft oder Rinderhälften ihr Geld machten, in teuer möblierten Fabriketagen wohnten, zur Musik von „Adeva“ ihre roten Hosenträger schnalzen ließen und eine rotweiß gepunktete Krawatte fortan „Power Tie“ hieß – das wurde zum Gemeinwissen, zum erklärenden Teil unter dem Lexikoneintrag „Yuppie, der“.

Auch von Kokain war dabei die Rede. Und als Kokain nicht mehr sexy genug war, erfand „Tempo“ einfach und selbst neue Drogen. Zum Beispiel den „Beißer“: Eine saugefährliche, tausendmal aufputschendere Abart des Kokains, an dem sich – selbstverständlich – Yuppies berauschten, um noch länger, noch härter arbeiten und verdienen zu können.

Geld war sexy, Arbeit war sexy, Workaholic wurde zur schönsten Sucht von allen.

Was aber fehlte, waren die Yuppies in Deutschland. Immer wieder mussten sich deshalb die Broker der Privatbank Hornblower & Fisher von Stylisten die Haare zurückkämmen und sich Ray-Ban-Brillen auf die Nasen stecken lassen für eine Fotoproduktion. Nach deren Erscheinen fanden sich dann viele Hamburger Redakteure und Düsseldorfer Werber in ihrem Bild der achtziger Jahre bestätigt. Und viele neue verlangten um Einlass; wollten auch noch mit dazu, mitten auf das Gruppenbild: „Deutschland, die Achtziger: Yuppies!“ Das mit dem Ausrufezeichen war wichtig. Das Ausrufezeichen stand in den Achtzigern hinter jedem Wort. Jedes Wort, jede Marke eine Behauptung, ein Statement, eine Wahrheit für sich.

1989 musste Markus Peichl die Chefredaktion des von ihm gegründeten „Tempo“ verlassen, weil seinem Verleger Thomas Ganske die Führung des Heftes zu unrentabel zu werden drohte und „Tempo“ sagte: „Jetzt kommt das Sinnjahrzehnt“.

Anfang der neunziger Jahre gab es in jedem „Tatort“, in jeder Vorabendserie, jedem Musikvideo einen Yuppie mit zurückgekämmtem Haar, mit roten Hosenträgern und Platin-Kreditkarte in seinem Loft.

1991 erschien der Roman „American Psycho“ von Bret Easton Ellis in deutscher Übersetzung bei Kiepenheuer & Witsch. Ein Kapitel daraus erschien zwei Jahre zuvor in einer amerikanischen Anthologie unter dem Titel „The End of the Nineteeneighties“.

1991 waren die achtziger Jahre endlich vorbei. Die Yuppies verschwanden samt Hosenträgern aus den Zeitschriften und machten Platz für die Raver in Trainingsanzügen.

Und heute, nach einem knappen Jahrzehnt Sinnterror aus Style, Haltung und daraus strategisch erwachsener Ironie; nach einem knappen Jahrzehnt, in dessen Verlauf sich immerhin alle bürotechnischen Gerätschaften von ihrer ursprünglichen Aktentaschengröße auf ein schlankes zwanzigstel davon verjüngen konnten; nach einem knappen Jahrzehnt, an dessen Ende zwar nicht jeder von Berufs wegen sein Geld mit gefrorenem Orangensaft oder Rinderhälften machen muss, aber kann; am Anfang eines neuen Jahrzehnts, für das es noch keine Parole gibt, aber...

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