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E-Book

Die All-inclusive-Lüge

Wie Pauschalurlauber getäuscht werden

AutorMikka Bender
VerlagRowohlt Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2013
Seitenanzahl208 Seiten
ISBN9783644487611
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis4,99 EUR
Die Reiseveranstalter versprechen den Urlaubshimmel auf Erden: Preiswert und rundum sorglos soll er sein. Und tatsächlich bedeutet «all-inclusive» alles - oder aber auch nichts. Denn schnell kann der Urlaub zum Albtraum werden: verdreckte Hotelzimmer, ungenießbares Essen und horrende Nebenkosten. Mikka Bender schaut erstmals hinter die Kulissen des Pauschaltourismus und enthüllt verblüffende und schockierende Fakten. Außerdem zeigt er, wie man sich als Gast gegen die dubiosen Methoden der Reiseanbieter wehren kann, und deckt anhand anschaulicher Fallbeispiele die häufigsten Gefahren und Fallstricke auf.

Mikka Bender war schon während seines Studiums als Reise- und Expeditionsleiter weltweit unterwegs. 1992 engagierte VOX ihn als Redakteur. Er entwickelte maßgeblich die Reisesendung «Voxtours» und wurde 1996 Redaktionsleiter des wöchentlichen Magazins «Wolkenlos». Seit Frühjahr 2010 steht er als Moderator und Reporter in der Sendung «Hilfe, mein Urlaub geht baden» (VOX) vor der Kamera.Weitere Infos über den Autor unter: www.mikkabender.de.

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Leseprobe

2 «Urlaub ohne Nebenkosten»
– Was ist überhaupt all-inclusive?


Das All-inclusive-Reiseangebot ist keine Erfindung der letzten Jahre. Schon 1893 brachte der Berliner Reiseveranstalter Carl Stangen eine All-inclusive-Weltreise auf den Markt. Zuvor war es der englische Laienprediger Thomas Cook, der 1841 eine Pauschalreise anbot, und zwar eine Bahnfahrt von Leicester ins siebzehn Kilometer entfernte Loughborough, zum Sonderpreis von nur einem Shilling. Unterwegs gab’s Tee und Schinkenbrote. Damals bestand der Sinn der Veranstaltung darin, die Menschen vom Gin weg in die freie Natur zu bringen. Cook wollte mit seinem Reiseprogramm dem Alkoholmissbrauch vieler Arbeiter Einhalt gebieten. Gut, dass er nicht mehr sehen kann, was aus seinem All-inclusive-Vorhaben geworden ist.

Als der wirkliche All-inclusive-Erfinder gilt jedoch Gérard Blitz, ein 1912 gebürtiger Belgier. Mit dem Touristikunternehmen Club Méditerranée bot er Anfang der fünfziger Jahre Reisenden Urlaub in Zeltdörfern auf Mallorca an. Das völlig neuartige Angebot beinhaltete Essen, Tischwein, Sport und Animationsprogramme. Und war das All-inclusive-Modell einst auf spezielle Clubanlagen und Spezialreisen beschränkt, so ist es heute weltweit bei Touristen, die Pauschalreisen buchen, in aller Munde. Wer da als Insider gelten möchte, der kürzt ab und sagt schlicht «AI».

Treffen sich drei Pauschaltouristen zum Grillen und erzählen über ihren letzten Sommerurlaub, könnte sich das in etwa so anhören:

Tourist 1: «Ich hab AI gemacht.»

Daraufhin Tourist 2: «Hat mir nicht gereicht, ich hatte Ultra-AI

Tourist 3 kontert: «Ich hatte mit meiner Frau sogar Premium-AI und meinen Kinder buchte ich Soft-AI

Würde Tourist 1 jetzt Tourist 2 fragen: «War dir AI denn nicht gut genug?», würde er vermutlich zur Antwort bekommen: «Exakt, ich wollte auf Nummer sicher gehen und mich im Urlaub um absolut nichts kümmern.» Und Tourist 3 würde ergänzen: «Alles Quatsch, nur bei Premium-AI gibt es das Rundum-Verwöhnprogramm. Unseren Kindern reichte aber Soft-AI. Sonst hätten die ja schon morgens um zehn das erste Bier gezischt.»

Dass bei einer solch verwirrenden Unterhaltung das Reiseziel der drei Touristen nicht genannt wird, verwundert wenig, weil bei ihnen nur die Art des Urlaubs von Belang ist. Das Reiseziel spielt eine nachgeordnete Rolle, wenigstens so lange, wie die Sonne scheint. Nein, für Kopfschütteln sorgt eher die Tatsache, dass all, also alles, offensichtlich doch nicht alles ist.

Wenn alles der Gegenbegriff zu nichts ist, alles aber auch nicht alles ist – sonst müsste es ja kein Ultra-Alles oder Premium-Alles oder Soft-Alles geben –, dann kann nichts ja eventuell auch nicht nichts sein. Alles oder nichts heißt demzufolge keineswegs, dass hundert Prozent gleich alles ist und null Prozent gleich nichts. Ich gebe zu: Das klingt jetzt alles ziemlich verrückt.

Liest man in einem der Reisekataloge, was unter all-inclusive zu verstehen ist, kommt man am Ende zu folgender Definition: All-inclusive («Alles inklusive») ist die Bezeichnung für eine Verpflegungsart während eines Reiseaufenthalts, üblicherweise in einem Hotel. All-inclusive, oft auch in Reiseunterlagen als AI abgekürzt, schließt dabei neben der Unterkunft und der Anreise alle Mahlzeiten (Vollpension) und auch alle ortsüblichen alkoholischen und alkoholfreien Getränke ein. Importierte Getränke wie die meisten Weine und Spirituosen müssen jedoch fast immer extra bezahlt werden, ebenso wie ein Essen à la carte. Abgesehen von den bei all-inclusive sowieso servierten Mahlzeiten werden darüber hinaus normalerweise noch Kaffee und Kuchen am Nachmittag sowie Snacks rund um die Uhr, manchmal auch ein Mitternachtsbuffet und Cocktails angeboten.

Verschiedene Unternehmen und Hotelketten offerieren Abwandlungen des üblichen AI-Programms. So gibt es in verschiedenen Hotels eine sogenannte «Verwöhnpension». Diese beinhaltet meist nur ein einziges Tischgetränk, dafür aber nachmittags noch zusätzliche Brotzeiten.

In manchen Unterkünften ist die Definition von AI oft der Hauptzielgruppe angepasst. So haben Family-Hotels unter anderem All-inclusive soft in ihrem Angebot. Bei dieser Empfehlung für Familien sind alkoholische Getränke nicht dabei.

Bei der Variante All-inclusive premium kann der Gast sogar importierte Alkoholika erwarten; in diesen Hotels stehen dann Familien nicht unbedingt im Vordergrund, eher Paare oder sogar Singles.

Bei diesem Aufgebot an diversen Unterkategorien zeigt sich: All-inclusive ist ein nicht geschützter Begriff, er kann ohne überprüfbare Voraussetzungen in der Reisebranche verwendet und dem Kunden in dieser oder jener Auslegung präsentiert werden.

Aber warum dieses ganze Chaos?

Warum ist alles nicht das, was es laut Definition auch gefälligst zu sein hat, nämlich tatsächlich alles?

Das wissen nur die deutschen Reiseveranstalter, die das Wort alles schlichtweg missbrauchen und dem unbedarften Gast ein undurchschaubares System anbieten, obwohl alles so klar sein könnte. Aber genau das soll verhindert werden. Eindeutigkeit könnte ja zu genau nachprüfbaren Leistungen führen. Und das könnte Regressansprüche zur Folge haben.

Natürlich gibt es noch die guten alten und fest umrissenen Leistungsbeschreibungen: Übernachtung mit Frühstück, Übernachtung mit Halbpension oder Vollpension, mit den klassischen Abkürzungen ÜF, HP und VP. All-inclusive will sich davon aber abheben. Es ist der Versuch, möglichst vielen Pauschaltouristen das Gefühl zu geben, einen Urlaub ohne jedes Risiko, ohne verdeckte Nebenkosten und damit komplett entspannt verbringen zu können. Nicht zu vergessen: Das alles natürlich zum Schnäppchenpreis.

Aber lohnt sich all-inclusive überhaupt? Und wenn ja, für wen? Was bekommt der Gast bei AI in welcher Quantität – und auch in welcher Qualität? Genau das ist die große Frage, die sich nur schwer beantworten lässt.

Gewiss und sicher sind bei einem pauschal gebuchten Rundum-sorglos-Paket nur folgende Dinge: die Anreise, der Transfer, das Zimmer und drei Mahlzeiten am Tag. Wenn man Glück hat, sind die Getränke noch eingeschlossen. Aber mehr ist nicht zu erwarten. Auf Gran Canaria und Teneriffa gibt es zum Beispiel immer noch unzählige Mittelklassehotels, die all-inclusive anbieten, bei denen die Gäste aber für den Fernseher auf ihrem Zimmer extra zur Kasse gebeten werden – unglaublich, aber wahr!

Denken Sie daran: Alle für Sie wichtigen Details stehen in der Katalogbeschreibung! Sie ist die entscheidende Informationsquelle für den Kunden und Grundlage des Reisevertrags, den er mit dem Reiseveranstalter abschließt.

Alles inklusive, nur nicht der Fernseher

Quelle: alltours-Sommerkatalog 2012. Kanaren, S. 82

Und was verstehen diese Veranstalter nun unter den All-inclusive-Zusatzbezeichnungen ultra, premium und soft?

Öger Tours führt bei ultra-all-inclusive im Sommer 2012 für das Hotel Majesty Resort Mirage Park im türkischen Göynük unter anderem folgende Leistungen auf: Tischtennis und Beach-Volleyball kostenlos, Toasts an der Poolbar von Mitternacht bis zwei Uhr morgens, Eiscreme stundenweise sowie eine einmalig gefüllte Minibar. Nicht im Paket inbegriffen sind frisch gepresste Obstsäfte. Und im Hotel Susesi Deluxe Resort & Spa in Belek bekommt man bei Öger Tours für die gleiche Kategorie: eine Baby-Ecke (wie auch immer diese Ecke aussehen mag), Obstsäfte zum Frühstück, eine Minibar, die jeden Tag aufgefüllt wird, und Eiscreme rund um die Uhr. Also selbst beim Zusatz ultra geht es bei ein und demselben Veranstalter kreuz und quer durcheinander.

Die TUI wirbt mit der Marke Premium-all-inclusive unter anderem auf ihren Kreuzfahrtschiffen und lässt sich das entsprechend bezahlen. Wenn man bei dieser Bezeichnung in die Leistungsbeschreibung schaut, stellt man fest: Da wird ziemlich viel versprochen. Hier heißt es nämlich: «Schon mal alles bestellt, außer der Rechnung? Bei uns sind dank Premium-alles-inklusive fast alle Speisen und Getränke schon im Reisepreis inbegriffen.»

Warum aber taucht hier das Wörtchen «fast» auf, das das supertolle Angebot gleich wieder relativiert?

Bei soft-all-inclusive wird es leichter, eine Übersicht zu behalten. Diese Kategorie gibt es speziell für Kinder und Jugendliche, die sich im Urlaub in der Türkei nicht mit Raki ins Koma saufen sollen und dementsprechend nur Softdrinks kostenfrei ausgeschenkt bekommen. Der Frage, ob ein Halbstarker mit einigen Euros als Entscheidungshilfe in der Hand nicht jeden Hotelkellner dazu bewegen kann, ihn in den Stand eines Ultra-all-inclusive-Konsumenten zu erheben, kann und will ich an dieser Stelle jedoch nicht auf den Grund gehen. Fest steht nur: Großartig geworben wird mit dem Jugendmodell von AI vonseiten der Reiseveranstalter nicht. Sie, beziehungsweise die Hotels, wären dadurch...

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