AR-CHE
Tatkunst für die Wagenden
Als Handschrift gedruckt für den Opferkreis der Deutschen
Hagal-Gesellschaft – Copyright by Brückner-Verlag – Berlin
DOM
III
Opfer und Gebet
Seit etwa 30 Jahren wird in gewissen Gemeinschaften mit Eifer eine amerikanische Erfolgsmethode geübt, welche darin besteht, dass jedes Mitglied der Gemeinschaft an jedem Tag zur gleichen Stunde, wo immer es sich befinden mag, eine kurze Zeit seine Gedanken auf ein Erfolgsziel der Gemeinschaft oder auf Heilung (körperliche oder seelische) eines bestimmten Menschen lenkt, indem es eine vereinbarte oder frei gewählte Formel mit voller Sammlung der Gedanken spricht. Die Erfolge und Heilerfolge solcher Gemeinschaftsübungen werden nicht ausbleiben, wenn der Leiter derselben die Gedanken nur auf solche Dinge sammeln lässt, deren Gelingen im Rahmen des kosmisch Möglichen liegen. Doch dazu gehört ein sehr feines und ein sehr reines Gefühl für die feinsten Schwingungen in der Erdaura: Diejenigen, welche diese Methode einführten, hatten solche feine Einfühlung: ihre Nachahmer hatten sie weniger oder gar nicht; darum arbeiten deren Gemeinschaften mit so problematischem Erfolg, dass die Sache entweder allmählich einschläft oder mit Einbildungen, Aberglauben und Wahnseligkeit ein wenig gesundes Leben fristet. Mag diese Gedankensammlung vieler auf einen Punkt von Anfang an eine falsche Richtung gehabt haben und darum veräußerlicht und entartet sein: an der Sache selbst ist schon etwas dran! Im Wesen ist es gar nichts anderes als eine aufs praktische gerichtete Gebetsübung einer Glaubensgemeinde. Alles, was dieser Gebetserhörung oder Nicht-Erhörung bringt, das bringt auch jener die wirklichen oder eingebildeten Erfolge und Misserfolge.
Auch die öffentlichen Fürbitt-Gebete der Kirche erhoffen ja Erfüllung durch Sammlung der Wunschkraft von Tausenden. Wenn die Wunschkraft matt ist und die volle Sammlung bei den Tausenden fehlt, so kann folgerichtig der Erfolg kaum merkbar sein. Aber die schulmäßige Logik versagt hier: denn der Erfolg bleibt auch aus, wenn – wie z. B. während des Krieges, als allgemein um den Sieg der deutschen Waffen gebetet wurde – die Wunschkraft der Tausenden brennend heiß ist und der Wille zur Sammlung einen sehr hohen Grad erreicht hat. Es steht demnach fest, dass auch der lebendigste Wunsch und der stärkste einmütige Wille selbst eines großen Millionen-Volkes nicht in jedem Falle ausreicht, um einem Gebete die Erfüllung zu sichern. Die letzte Entscheidung liegt stets jenseits von Wunsch und Willen einzelner Menschen, einzelner Gemeinschaften und Völker. Wenn Gebete nicht erfüllt werden, so hat man nicht das Rechte zu beten und nicht recht zu wünschen verstanden. Nach Jahren wird es auch immer bewusst, warum Erfüllung unmöglich, ja unheilvoll gewesen wäre; so z. B. wissen wir heute, dass der erbetene Sieg der deutschen Waffen das deutsche Wesen, welches einmal allen Völkern Genesung bringen soll, schwer vergiftet haben würde. Erfüllung eines Gebetes kann nur eintreten, wenn das Erbetene mit dem Plane der göttlichen Weltordnung vereinbar ist. Dieser ist durch noch so heiße Gebete einzelner Gemeinschaften und Teile der Menschheit nicht beeinflussbar, denn es ist bedingt durch den Zustand des Menschen; der Gesamtheit Mensch. Je geordneter daher der Zustand der Menschheit wird, umso besser kommen Menschheit-Wille und Gottheit Wille in Einklang, umso seltener wird der Einzelne sein Gebet auf etwas z. Zt. Unmögliches richten, (weil die Grenzen des Möglichen immer weiter werden), umso häufiger werden Gebete erhört.
Die Menschen verlieren ihren Glauben an Gott, weil sie – in Unkenntnis dieser gegenseitigen Bedingtheit von Mensch und Gott – nicht recht zu wünschen verstehen. Wer das vermag, der findet jedes seiner Gebete erhört. Es sind besonders die anfangs erwähnten Gedankensammlungen in Gemeinschaften und die diesen entsprechenden Fürbitt-Gebete der Gläubigen, welche häufig ein falsches Wünschen erkennen lassen. Man erwartet, dass Gott Partei nehme für das eigne Volk, für die eigne Gemeinschaft, und gegen die anderen, sie schädige und vernichte. Beispiel: „Gott strafe England“. Dieses verlogene England aber war ebenso wie das verratene Deutschland Werkzeug in der Hand desselben Gottes! Man macht Gott Vorschriften und bedenkt nicht, dass Gott in seinem Wirken abhängig ist vom Zustand der ganzen Menschheit. Und wenn überall Unordnung und Unheil waltet, so ist es der ungeordnete und heillose Gesamtzustand der Menschheit, der dies notwendig zur Folge hat. Auch das eigne Volk kann nur in dem Grade genesen, wie die Kraft gesunder Ordnung im Einzelnen wächst. Erst dann, wenn diese Kraft mächtiger zu werden beginnt, als die Gegenkraft, die heute herrscht, wird Gott die Gebete, die man für des Volkes Heil an ihn richtet, erfüllen können; erst dann wird er als guter Gott empfunden und allgemein geglaubt werden. Das ist gegenwärtig nur erst in den kleinen Kreisen (wie unser Opferkreis) erfüllt, welche jene Übermacht an gesunder Kraft der Ordnung anstreben und sie auch gewinnen werden. Auf die große Zahl kommt es nicht an; das Heil kommt von den Wenigen! (vgl. AR-CHE, I). Darum sorgt ein jeder für die seinen und seines Volkes Heil am besten, wenn er für sein eignes Heil sorgt. Nur soviel Kraft er selber neu gewinnt, soviel Kraft kann er anderen geben; gewinnt er keine neue Kraft, so wird weder bei ihm noch bei seinem Volke das Geringste besser werden. Jeder kann nur für sich selbst einstehen und darf nur sich selber bestimmte Zwecke und Ziele setzen. Gemeinschaftliche Gedankenübungen und Bittgebete für Regierung, Volk, Umwelt und auch für die Allernächsten sollten deshalb vorerst niemals die Erreichung eines besonderen Zweckes zum Gegenstand haben, weil man außerstande ist zu ermessen, ob dieser dem göttlichen Plane gemäß ist. Stets aber ist im Einklang mit diesem der Wunsch, dass das oder der Betreffende in Ordnung komme, d. h. seine Ordnung, sein Glück, sein Heil finde. Das ist es, was man für andere und anderes stets wünschen soll. Dieser Wunsch findet in dem schlichten Wort: „Dein Wille soll geschehen,“ seinen Ausdruck, wie denn überhaupt das Vaterunser ein bisher noch nicht. übertroffener Ausdruck der Bestätigung der göttlichen Ordnung ist. Nichts als solche Bestätigung tut not; sie ist zugleich ein Bekennen zu ihr und ein Sich-Einordnen in dieselbe. Mit irgendeinem Dogma von Gott hat dieses Bekennen zur Ordnung gar nichts zu tun. Wer derart die Ordnung achtet, der lenkt die wirksamen Heilkräfte auf den (oder das), für den (oder das) er betet; persönliche Wünsche sollten also ganz dabei schweigen, weil sie aus der stets blinden Maske (=„persona“) kommen. Nur ein in diesem Geiste ausgesprochener Wunsch (Gebet) kann als ein im Bereiche der weißen Magie liegender gelten.
Nun hat man aber vor allem mit sich selber zu tun; und da gilt es, für sehr eng umrissene Zwecke zu beten; und beten heißt: opfern. Mit der einfachen Bestätigung der göttlichen Ordnung kommt man da nicht aus, wiewohl sie als Auftakt nicht fehlen sollte. Hier setzt der ganz persönliche Wille ein – geheiligt durch seinen heiligen Zweck, aber als solcher doch blind für die Möglichkeiten im Kosmos und – wie jede persönliche Willensregung – schwarzmagisch. Die brutale Willensarbeit gegen die Dämonen in der eignen Seele ist genau so schwarze Magie wie die Willensvergewaltigung anderer Menschen, um sie den eignen – ob guten oder bösen Zwecken fügsam zu machen. Dieses: Menschenbeherrschung wird durch jenes: Selbstbeherrschung bedingt; und beides ist notwendig; kein irdischer Erfolg ist möglich ohne schwarze Magie (vgl. „Wandlung“ 1928, Heft 4 u. 5). In der „Wandlung“ ist oft davon die Rede, wie der Wille bis zum Zerreißen angespannt werden muss, wie man sein Leben einsetzen muss für jeden Aufstieg, sowohl seelischer wie materieller Art, anderenfalls man stets nur ein Glück auf der Seifenblase erhaschen wird und zu ewiger Unrast und Sorge sich verurteilt.
Angesichts des wärmenden Feuers, aber, das man in sich entzündet fühlt, seit man den Willen zum Opfer geweckt hat und im Ahnen des Lichtes, dem man zustrebt, wird diese unerbittliche Willensarbeit gegen die Dämonen im eigenen Unterbewusstsein zu jenem herrlichen und geweihten Werk, das man täglich im allerheiligsten DOM seiner Seele vollbringt. Für dieses ist das sinnfällige Opfer am sichtbaren Opferstein: Symbol.
Wenn aber etwas von dem für die eigne Seele oder für äußere Belange so heiß Gewollten noch nicht gelingen sollte, so wird man nicht verzweifeln, weil man weiß, die Stunde der Erfüllung ist noch nicht gekommen; noch mehr wachsames Mühen und Opfern tut not, um sie beschleunigt herbeizuführen. Je mehr Wärme und Liebe man für die Anderen, die Nächsten und für sein Volk hat, je stärker man sich von seinem höchsten Ziel angezogen fühlt, umso ernster, aber auch umso leichter und freudiger wird man das hohe Opfer leisten, denn nun fühlt man alle und alles, was man liebt und heil sehen will in sich selbst...