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Die Bildung der Differenz

Weiterbildung und Beratung im Kontext von Gender Mainstreaming

AutorSandra Smykalla
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl300 Seiten
ISBN9783531924700
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis42,25 EUR
Mit der Einführung von Gender Mainstreaming boomt in Deutschland ein professioneller 'Gender-Markt' mit 'Gender-Trainings'. Die empirische Studie präsentiert die in Deutschland erste Typisierung des sich neu konstituierenden Marktsegments genderorientierter Weiterbildung. Aus diskursanalytischer Perspektive wird die 'Reise durch die öffentliche Kultur' des Konzepts 'Gender' an der Schnittstelle von Markt und sozialer Bewegung nachgezeichnet. Die Dissertation nutzt poststrukturalistische Erkenntnisse für die Analyse konkreter Beratungspraxis. Sie leistet einen Beitrag zur wissenschaftlichen Auseinandersetzung um Professionalisierung und Kompetenz und bietet ein Analyseinstrumentarium für eine zukunftsfähige Gleichstellungspolitik.

Sandra Smykalla ist Gastdozentin in der Erziehungswissenschaft und im Zentrum für transdisziplinäre Geschlechterstudien an der Humboldt-Universität zu Berlin sowie Mitbegründerin und Beraterin bei gleichstellung concret.

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Leseprobe
4 Die Bildung der Ambivalenz – Herausforderungen für theoretisch reflektiertes Handeln (S. 245-246)

Die Unvollständigkeit jeder ideologischen Formulierung ist ganz zentral für den Begriff politischer Zukünftigkeit des radikaldemokratischen Projekts. (…) Sie lässt die Erzeugung neuer Subjektpositionen offen, die Sammlungspunkte der Politisierung werden können (Butler 1995: 256).

In diesem Kapitel werden die zentralen Ergebnisse der qualitativen Studie, die akteursbezogenen Diskursivierungen, die sich in den beschriebenen Interventionsstrategien verdichten, kritisch diskutiert. Dabei sollen die wechselseitigen Beeinflussungen von wissenschaftlichen und praxisorientierten Reflexionen näher analysiert werden, um herauszustellen, wie sie sich entsprechen, ergänzen oder konterkarieren.

Der Diskussion liegen dabei die oben beschriebenen wissenschaftlichen Kontroversen um die Entgrenzung von Bildung und gender im Kontext der Implementierung von Gender Mainstreaming zugrunde. Inwiefern im Handlungsfeld der gender-orientierten Weiterbildung und Beratung Phänomene der Entgrenzung als Bedrohung oder Chance wirksam werden und inwiefern die professionellen Interventionsstrategien zur Festschreibung oder Transformation von Geschlechterdifferenz beitragen, wird ebenso thematisiert wie Herausforderungen, die sich aus den praxisorientierten Überlegungen der Gender- Trainer_innen für geschlechtertheoretische und pädagogische Auseinandersetzungen ergeben.

Ziel ist es, Potenziale und Grenzen von Gender-Trainings als pädagogischer und gleichstellungspolitischer Intervention an der Schnittstelle der Diskurse um Gleichstellungspolitik, Geschlechterforschung und Erwachsenenbildungsforschung zu resümieren und zukünftige Herausforderungen zu skizzieren, die z.B. die Diskussion um Qualitätsstandards betreffen. Die Anerkennung der Kontingenz professionellen Handelns, verstanden als eine systematische Ambivalenz, wird für geschlechterreflektierende Wissenschaften und machtkritische Gleichstellungspolitiken produktiv gemacht.

Es werden Transformationen von Gleichstellungspolitik durch Gender Mainstreaming diskutiert, welche angesichts der Vermarktlichung, einer dominant werdenden Effizienzlogik und den Professionalisierungskonflikten die Rolle von Gender-Trainer_innen beschreiben. Es wird zudem gezeigt, welche „Gender-Regulierungen“ (gender regulations) (Butler 2004: 40) hegemonial werden, wenn die Kategorie gender in ihrer doppelten Bedeutung als Erkenntnisgegenstand und als Erkenntnisinstrument im Handlungsfeld der genderorientierten Weiterbildung und Beratung diskursiviert wird. Anschließend werden Fragen nach der Notwendigkeit von Transformationen von Bildungs- und Lernverständnissen innerhalb pädagogischer Diskussionen aufgegriffen und diese für eine Gender-Kompetenz als Ambivalenz-Perspektive nutzbar gemacht.
Inhaltsverzeichnis
Danksagung6
Inhaltsverzeichnis7
Einleitung9
Gender sells!? Die Konjunktur von Gender-Training und -Beratung11
Wissenschaftliche Kontroversen um Entgrenzung13
Gender auf Reisen: Verhältnisbestimmungen von Theorie und Praxis15
Orte des forschenden Blicks17
1 Situierte Wissensproduktionen – Praktiken der Differenzierung22
1.1 Differenz und Dekonstruktion in qualitativer Forschung23
1.2 Die Kontingenz der Gegenstandskonstitution29
1.3 Paradoxien qualitativer Geschlechterforschung35
1.4 Spurensuche: Expert_innen-Interview und Diskursanalyse39
Methodisches Vorgehen48
Feldzugang48
Sample48
Durchführung der Interviews49
Diskursanalytische Auswertung der Interviews51
1.5 Ambivalenz als Forschungsperspektive55
Die Bildung der Differenz als Gleichzeitigkeit von Herstellung und Darstellung57
Die Bildung der Differenz als Konstitutionslogik von Bedeutung57
2 Horizont der Differenz – Kontroversen um Gender Mainstreaming, gender und Bildung59
2.1 Gender-Trainingslandschaften60
Vorläufer und Bezüge von Gender-Trainings64
Was ist neu an Gender-Trainings?66
Zielgruppen, Form und Inhalt von Gender-Trainings67
Ziel Gender-Kompetenz?69
2.2 Quadratur des Kreises? Gleichstellungspolitik zwischen Mainstreaming und Separation72
2.2.1 Durchsetzungsgeschichte(n) von Gender Mainstreaming73
2.2.2 Diskursivierungen von Gender Mainstreaming78
Die Bedeutung von gender79
Die Entpolitisierung von gender81
Die Essentialisierung normativer Grundlagen84
Die Marginalisierung von Frauenförder- und Gleichstellungspolitik als konstitutives Außen87
Die Vereinnahmung von Gleichstellungspolitik89
Das Verhältnis von Geschlechterforschung und Gleichstellungspolitik92
2.2.3 Horizont von Gleichstellungspolitik95
2.3 Beyond gender? Geschlechterdifferenz zwischen Verschwinden und Manifestation98
2.3.1 Bedeutungsverlust versus Entnennung der Kategorie Geschlecht99
Zum Bedeutungsverlust der Kategorie Geschlecht102
Die Entnennung der Kategorie Geschlecht103
2.3.2 Gender als Kontrapunkt, Degendering und undoing gender106
2.3.3 Horizont von gender112
2.4 Von der Bildung zur Kompetenz? Weiterbildung zwischen Professionalisierung und Ökonomisierung115
2.4.1 Pädagogische Debatten um Postmoderne und Entgrenzung116
2.4.2. Kompetenzwende und Subjektkritik121
Exkurs: Das Subjekt (in) der Pädagogik125
2.4.3 Dezentralisierung von Lernorten und Kommerzialisierung der Weiter bildung128
2.4.4 Erweiterung pädagogischer Grundvorgänge: Vom Erziehen zum Beraten129
2.4.5 Lehrende und Lernende in der Weiterbildung132
2.4.6 Horizont von Bildung134
2.5 Figurationen der Ambivalenz – gender-orientierte Weiterbildung und Beratung zwischen Mainstreaming und Entgrenzung135
3 Aushandlungsräume – Interventionen in genderorientierter Weiterbildung und Beratung137
3.1 Zwischen Markt und Bewegung: Das Handlungsfeld genderorientierter Weiterbildung und Beratung137
3.1.1 Lesarten von Gender Mainstreaming: Chance und Bedrohung138
Gender Mainstreaming als Chance139
Gender Mainstreaming als Bedrohung147
3.1.2 Gleichstellung: Modernisierung und Transformation152
Ziel: Modernisierung153
Ziel: Transformation154
3.1.3 Berufsbiografische Verläufe: Profession und Mission159
Kontinuierlicher, geschlechterpolitisch-identifikatorischer Professionalisierungsmodus160
Neuer bzw. diskontinuierlicher fachlich-pragmatischer Professionalisierungsmodus165
3.1.4 Die Vermarktlichung von gender-orientierter Weiterbildung und Beratung168
Professionalisierungskonflikt zwischen Angebot und Nachfrage169
Professionalisierungskonflikt zwischen Profit und Selbstverwirklichung170
Professionalisierungskonflikt mit männlichen Privilegien im Handlungsfeld171
3.2 Zwischen Machbarkeit und Ermöglichung: Konzeptionen von Gender-Trainings172
3.2.1 Organisations- und subjektorientierte Perspektiven173
3.2.2 Trainingsziele: Verhaltens- und Haltungsänderung180
Trainingsziel Verhaltensänderung180
Trainingsziel Haltungsänderung188
3.2.3 Gender-Konstruktionen: Plausibilisierung und Infragestellung191
Die Plausibilisierung der sex-gender-Trennung192
Die Infragestellung der sex-gender-Trennung203
Szenario1: Die Herstellung der Geschlechterdifferenz – Von der Geschlechtsneutralität zur Geschlechtssensibilität207
Szenario 2: Die Relativierung der Geschlechterdifferenz: Von biologischen Unterschieden zur sozialen Konstruktion209
Szenario 3: Die Dekonstruktion der Geschlechterdifferenz: Von der Hierarchie zur Transformation211
3.2.4 Didaktische Wege: Anwendung und Sensibilisierung213
Übungen zur fachlichen Sensibilisierung und Handlungsorientierung – Geschlecht als Faktor216
Übungen zur personen- und fachbezogenen Sensibilisierung für Unterschiede – die Arbeit mit Stereotypen217
Übungen zur personenbezogenen Sensibilisierung für den Gegensatz – die Arbeit mit ‚dem Anderen’221
Übungen zur personenbezogenen Sensibilisierung für Vielfalt und Privilegierung – die Arbeit mit Normalität und Tabus223
Team-Teaching und Gendering im Team225
3.2.5 Kontroversen in Gender-Trainings231
3.3 Dilemmata professioneller Interventionsstrategien236
Funktional-fachliche Interventionsstrategien237
Ideell-reflexive Interventionsstrategien240
Das Umsetzungsdilemma (Wollen – Sollen)242
Anerkennungsdilemma auf struktureller Ebene (Wollen – Dürfen)243
Das Glaubwürdigkeitsdilemma auf personeller Ebene (Wollen – Dürfen)243
4 Die Bildung der Ambivalenz – Herausforderungen für theoretisch reflektiertes Handeln245
4.1 Gerechtigkeit und Effizienz – ein Widerspruch?246
4.2 Gender-Regulierungen: Akteursbezogene Dilemmata der Differenz256
4.3 Professionelles Nicht-Wissen-Können: Gender-Kompetenz als Ambivalenz-Perspektive261
Ausblick266
Abbildungs- und Tabellenverzeichnis270
Literaturverzeichnis271

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