Studienarbeit aus dem Jahr 2012 im Fachbereich Germanistik - Neuere Deutsche Literatur, Note: 1,3, Universität Potsdam (Institut für Künste und Medien), Veranstaltung: Im Labyrinth. Literatur und labyrinthischer Diskurs, Sprache: Deutsch, Abstract: Friedrich Dürrenmatt schafft mit Minotaurus (1985) eine Entdramatisierung des antiken Mythos. In seiner Ballade wird das Monstrum im Labyrinth zum Gefangenen des Labyrinths. Es wird nicht weggesperrt, weil es eine Bedrohung für Menschen darstellt, vielmehr ist es durch die Menschen gefährdet. Der Minotaurus wandelt sich zum Sympathieträger und dekonstruiert den Heldenmythos von Theseus. Der Stiermensch wird in ein gläsernes Labyrinth gesperrt und sieht sich plötzlich seinen eigenen unzähligen Spiegelbildern ausgesetzt. Für ihn beginnt der Prozess der Ich-Findung, indem er zuerst sein eigenes Spiegelbild erkennen muss. Gilt das Beschreiten des Labyrinths doch auch als Initiation, wird hier die Komplexitäterfahrung zur Autonomieerfahrung. Die Umdeutung des Mythos steht im Dienste einer Metapher. Denn Dürrenmatt erwählt das Labyrinth-Motiv zum Gleichnis, das die Welt wiederspiegelt, in der wir leben. Er führt das Labyrinthische der Welt vor Augen und entlarvt die ewige Suche nach Erkenntnis als hoffnungsloses Unterfangen. Durch den ohnmächtigen Blickwinkel eines Tieres, das auch Mensch ist, wird das Labyrinth zur Welt. Dabei wird das Labyrinth-Motiv in der Ballade potenziert: Zum einen allein durch die multiplen Spiegelungen der Glaswände, dann durch die verschachtelt formulierten Sätze, die das Labyrinthische vertiefen und nicht zuletzt durch das Wesen des Minotaurus. Dürrenmatt erkennt die Polyvalenz der Mythenfigur des Minotaurus und beleuchtet sie. Sie birgt in sich eigene Oppositionen, eine gespaltene Identität. Im Minotaurus kämpfen Göttliches gegen Menschliches und das Menschliche wiederum gegen das triebhafte Tierische. In dieser Arbeit wird Dürrenmatts Umdeutung des Mythos aufgezeigt. Es wird seine Dramaturgie des Labyrinths skizziert, um sein Weltverständnis zu erläutern und den Zusammenhang von Weltwirklichkeit und Labyrinth zu erklären. Den Schwerpunkt werden die Funktionen der Spiegel im Labyrinth, die die Ich-Findung des Minotaurus initiieren, bilden. Zu diesem Zweck wird Jacques Lacans Theorie des Spiegelstadiums angeführt, die als Folie für die einzelnen Erkenntnisstufen des Minotaurus dient. Ziel ist es zu zeigen, dass das Schicksal des Labyrinthbewohners sinnbildlich für den Menschen steht, der versucht seine Welt aus der Distanz zu sehen, um sie zu reflektieren. Als Einführung wird der antike Mythos der Analyse der Ballade voran gestellt.
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