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E-Book

Die Kunst, Feuer zu machen

Das Buch für echte Männer

AutorDaniel Hume
VerlagS. Fischer Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl304 Seiten
ISBN9783104906775
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis14,99 EUR
Wer nur auf einen Schalter drücken will, der kauft sich einen Elektrogrill. Allen anderen ist klar: Feuer machen ist ein echtes Handwerk für Könner, eine hohe Kunst. Jeder Handgriff muss sitzen. Kenntnis, Geschick, das richtige Material. Hier gibt es kein Irgendwie. Jahrtausendealtes Wissen, von einer Generation zur anderen weitergegeben und weiterentwickelt. Wie hypnotisiert starren wir in das Flackern eines Feuers und spüren die Energie und die Gefahr. Feuer muss beherrscht werden. Es zieht uns magisch an. Es führt zusammen. Es kann unser Leben retten. Je dringender wir allerdings ein Feuer brauchen, desto schwerer ist es zu machen. Nirgendwo sonst rächen sich Unerfahrenheit oder Selbstzufriedenheit so bitter wie beim Feuermachen. Dieses Buch versammelt alles, was wir wissen müssen.

Mit 9 Jahren zeigte sein Vater ihm zum ersten Mal, wie man durch Reibung ein Feuer erzeugen kann. In diesem Moment war es um Dan Hume geschehen. Doch erst mit 14 Jahres gelang es ihm endlich, Holzstücke zum Rauchen zu bringen. Mittlerweile ist Hume DER Experte, wenn es um Feuer geht. Er arbeitet beim britischen Outdoor-Ausrüster und -Ausbilder Ray Mears Bushcraft und weiß alles über Outdoor-Abenteuer, die freie Natur und das Überleben in der Wildnis. Seine größte Leidenschaft aber gehört immer noch den roten Flammen. Dank seiner Reiselust ist Hume außerdem einer der wenigen Menschen, die sämtliche traditionellen Techniken des Feuermachens beherrschen.

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Leseprobe

Kapitel 2 Quirlbohrer


Das empfindliche Gleichgewicht des Lebens und unser Platz im Reich der Natur faszinieren mich ungemein. Die Grundschule mochte ich gern, aber auf der weiterführenden Schule verlor ich rasch das Interesse und saß oft mit abwesendem Blick da, während ich schon von neuen Abenteuern träumte. Ich ließ die Hausaufgaben Hausaufgaben sein und verbrachte immer mehr Zeit allein in den Wäldern und auf den Feldern rund um unseren Wohnort damit, meine Fähigkeiten und Kenntnisse zu verfeinern. Meine Eltern erlaubten mir, mit vierzehn von der Schule abzugehen, und meine Mutter unterrichtete mich von da an zu Hause. Letztlich legte ich nur in zwei Fächern Abschlussprüfungen ab (in Englisch und Mathematik). Schulischer Erfolg interessierte mich wenig; ich wusste, ich gehörte in die freie Natur.

Mein Lieblingslehrbuch war damals Essential Bushcraft von Raymond Mears. Eine zerlesene Ausgabe thronte stolz in meinem Bücherregal und begleitete mich oft auf meinen Exkursionen. Ich bewunderte Ray zutiefst, und ich hatte auch über Woodlore gelesen, die erste Schule für Outdoor-Überlebenstechniken in Großbritannien, die er 1983 gegründet hatte. Dort gab er in Kleingruppen das Wissen und die Techniken weiter, die er sich über viele Jahre hinweg angeeignet hatte. Ich wollte unbedingt an einem seiner Grundlagenkurse teilnehmen, in denen die wichtigsten Überlebenstricks und das nötige Wissen vermittelt wurden. Meine Eltern meldeten mich für den Jugendkurs an, aber bei einer von Rays Autogrammstunden überzeugte ich die Dame, die sich um die Anmeldungen kümmerte, mich in den sechstägigen Erwachsenenkurs zu schmuggeln, obwohl ich erst sechzehn war.

Der Kurs war phantastisch. Ich hatte mich bereits in vielen der dort behandelten Fähigkeiten geübt, aber trotzdem lernte ich eine Menge dazu. Noch wichtiger aber war, dass ich endlich Menschen fand, die die gleiche Sprache sprachen wie ich, die sich ebenfalls in der Natur, unter Bäumen, zu Hause fühlten. Ich liebte es, meine Zeit draußen unterm Sternenzelt zu verbringen und meine Handflächen an einem selbstentfachten Feuer zu wärmen.

Der nächste Kurs, an dem ich teilnahm, drehte sich um das erfolgreiche Fährtenlesen von Menschen- und Tierspuren im Wald. Als ich mich dafür bewarb, fragte ich im Überschwang der Begeisterung zugleich wegen eines Praktikumsplatzes an. Den bekam ich, und nachdem ich Ray und den anderen Ausbildern eine Zeitlang zur Hand gegangen war, bot man mir eine Teilzeitstelle an. Da war ich siebzehn. Als ich den Brief öffnete, in dem stand, dass man mich für etwas bezahlen wollte, das ich von Herzen liebte, schienen alle meine Geburtstage auf denselben Tag gefallen zu sein.

Ein Jahr später sollte es für einen siebzehntägigen Kurs nach Namibia gehen, geleitet von Ray und dessen altem Freund und Kollegen Bob, der in Kenia aufgewachsen war. Von Afrika hatte ich schon lange geträumt: endlose Weiten, eine phantastische Tierwelt und unterschiedlichste Kulturen, von denen viele ihre ganz eigenen Überlebenstechniken nutzten. Mir war klar, dass ich so viel Geld wie möglich zurücklegen musste, um meinen Beitrag zu den Reisekosten aufbringen zu können, also arbeitete ich hart bei unserem örtlichen Metzger. Dabei war ich im Geiste schon mit all den Dingen beschäftigt, auf die ich besonders gespannt war, etwa auf den Gebrauch des Quirlbohrers, mit dem Ureinwohner Feuer machen.

Von Heathrow aus hatten wir einen neunstündigen Direktflug in die namibische Hauptstadt Windhoek. Als wir gelandet waren und ich die Metallstufen zum ausgetrockneten Erdboden hinabstieg, war es über 40 Grad heiß. Ein sengender Wind wehte über die Landepiste und raubte mir fast den Atem – es fühlte sich an, als stünden wir unmittelbar vor einem riesigen Föhn. Wir fuhren nach Nordwesten, zu einem Ort namens Hobatere, wo wir das Fährtenlesen übten, und einige Tage später weiter gen Norden in den Etosha-Nationalpark und das Gebiet, das früher Buschmannland genannt wurde. Dort suchten wir nach einer kleinen Siedlung namens Tsumkwe. Das Dorf liegt so ziemlich am Ende der Welt. Die Straßen verwandeln sich in Schotterpisten, dann zu Staub, über Hunderte von Kilometern. Tsumkwe ist ein Zentrum der San mit vielen verstreuten Trabantensiedlungen. Von dort aus holperten wir weitere 15 Kilometer in den Busch hinein, über staubige, unbefestigte Pfade, und erreichten schließlich eine San-Gemeinschaft von etwa fünfundzwanzig bis dreißig Personen.

Das Volk der San, das einst den ganzen Südteil Afrikas bewohnte, ist heute auf kleine, entlegene Flecken in Angola, Botswana, Lesotho, Namibia, Sambia und Simbabwe beschränkt. Es gilt als ältester Volksstamm der Erde. Die San sind absolute Minimalisten und wahre Meister im Reisen mit leichtem Gepäck. Es geht auch gar nicht anders: Dort, wo sie leben, ist es nicht ratsam, sich mit allzu vielem Zeug und schwerer Ausrüstung abzuschleppen. Die typische Bekleidung der San ist ein mit Perlen verzierter Lendenschurz aus Antilopenleder. An kühlen Abenden trägt manch einer jedoch auch einen alten Pullover, denn in den kälteren Monaten des Jahres kann die Temperatur auf unter null fallen. Materialismus ist den San und ihrer Kultur fremd, Ansehen und Reichtum spielen keine große Rolle. Sie blicken auf eine traurige Geschichte von Armut, Verfall ihrer kulturellen Identität und Diskriminierung zurück. Andererseits haben sie aufgrund ihrer Überlebens- und Jagdtechniken und ihres enormen Wissens über die heimische Flora und Fauna die Aufmerksamkeit der Anthropologen geweckt. Ihre von Stolz geprägte, instinktive Bindung an ihr Land ist sehr eng; in ihrem Dasein finden Natur und Spiritualität in einer kargen, trockenen Umwelt zusammen.

Die Siedlung lag auf einer Lichtung und bestand aus einem Dutzend im Halbkreis angeordneter Gras- und Schilfhütten. Jede Familie bewohnte eine kleine Hütte mit eigener Feuerstelle vor dem Eingang, und in der Mitte der Lichtung gab es ein weiteres Feuer, um das sich am Abend alle versammelten. Die Feuerstellen dienten zum Kochen und als Lichtquelle, hielten aber auch Hyänen und Leoparden vom Lager fern. Die Männer leben fürs Jagen; ein fauler Jäger gilt als Schande für den gesamten Clan. Sie verwenden Bogen und Giftpfeile aus festen Gräsern. Ihre Beute, darunter Antilopen, Giraffen und Zebras, verblutet nicht, sondern stirbt durch die winzige Pfeilwunde an dem höchst wirksamen Gift, das sie aus einer Blattkäferlarve auf den Schaft der Pfeile quetschen. Die San sind nicht verschwenderisch: Ihr Fleisch kochen oder grillen sie über dem Feuer, Tierhäute werden gegerbt und zu Jagdbeuteln und Decken verarbeitet, und Knochen bricht man auf, um das Mark zu gewinnen. Ein paar skurrile Gegenstände erinnerten uns auf unserer Reise an die moderne Welt: Manche Männer trugen Köcher aus alten Abflussrohren, und es lag einiger Müll herum. Ich erfuhr, dass viele Familien nach Tsumkwe zogen, um ihre Söhne und Töchter zur Schule schicken zu können, und ein paar der Männer brachen frühmorgens zu ihrer Arbeit als Farmarbeiter auf und kamen erst am Abend oder an den Wochenenden zurück. Dennoch lebten die Menschen noch sehr traditionell, und viele ältere Männer kannten bloß ihre althergebrachte Sprache, eine Mischung aus sanften Saug- und Klicklauten.

San mit Quirlbohrer und einem Köcher mit Pfeilen und weiteren Bohrstäben, Namibia

Der Stamm hatte mit Hilfe von Buschmessern eine große Fläche gerodet, auf der wir unsere Zelte aufschlagen konnten. Dafür halfen wir mit, die Nüsse des Mankettibaums (auch Mongongo genannt) zu sammeln, und hatten am Ende mehrere große Säcke gefüllt. Nahrung sammeln ist vor allem Sache der Frauen. Sie können über 300 verschiedene Pflanzenarten unterscheiden, von denen viele heilende Wirkung besitzen und zum Beispiel Hunger dämpfen oder Rheuma lindern. Sie demonstrierten uns ihre Grabstöcke, und zusammen buddelten wir dann große Knollen aus der Erde, die wie riesige Kartoffeln aussahen und aus deren Fruchtfleisch sie ein erfrischendes Getränk pressten. Sie führten uns auch vor, wie sie aus zerkleinerten, polierten Straußeneierschalen Schmuck herstellen, den manche als Nebenverdienst an Touristen verkaufen.

Die Männer begleiteten wir auf der Jagd und sammelten gemeinsam mit ihnen Stöcke, die sich als Quirlbohrer eigneten. Die Jäger liefen dabei im Gänsemarsch durch den Busch und suchten Mankettiholz zusammen. Die Mankettibäume waren riesig, und rund um die Stämme ragten gerade, schmale Schösslinge empor. Dieses Holz brachten wir zurück ins Lager, wo uns die San zeigten, wie sie Feuer machen. Für die verschiedenen Anfeuerverfahren gibt es stets Varianten. Ich hatte immer geglaubt, das untere Holzstück eines Quirlbohrers – der Herd – müsse breit und flach sein. Die San hingegen nutzten alte Bohrstäbe als Herde, verwendeten also zwei gleichdicke Hölzer. Es war aufregend, ihnen bei der Arbeit zuzuschauen. Ihre von Hitze geschwärzten Bohrer waren mit aufwendigen Spiralmustern versehen, was beim Drehen toll aussah. Obwohl ich nicht genau weiß, wie die Muster entstehen, vermute ich, dass sie die Bohrer mit einem feuchten Stück Stoff oder Rinde umwickeln und ins Feuer legen. Unsere Verständigung lief über vorsichtige Handzeichen und Gesten, angedeutetes Lachen und breites Grinsen. Ich empfand es als Privileg, ihre Lebensweise kennenlernen zu dürfen.

An unserem letzten Abend wurden wir Zeugen eines Trancetanzes. Ich hatte von diesem Schauspiel bereits gehört, und als wir im Lager angekommen waren, war mir der ausgetretene Pfad rund...

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