1. Einleitung:
„Führe mich
aus der Unwirklichkeit in die Wirklichkeit,
aus der Finsternis in das Licht,
aus dem Tod in das Leben.“
Indisches Gedicht
Über Yoga wurde mehr Unsinn geredet und geschrieben als über irgendeinen anderen Gegenstand in dieser materiellen Welt. Aber trotzdem: Zwei Wurzeln besitzt das Wort Yoga:
- sich versenken und
- es entspricht dem Wort „Joch“, und bedeutet so viel wie verkoppeln, zusammenbinden.
Deshalb verlangt Meister Joschuah auch: „Nehmt auf euch mein Joch, denn mein Joch ist sanft und meine Last ist leicht!“ (Matth. 11/29-30). Somit bedeutet Yoga Vereinigung mit seiner auserwählten Gottheit, wie das Wort „Religion“, welches sich vom lateinischen „religio“ herleitet, und „Rückbindung“ bedeutet. Für Ariane ist der Begriff Yoga identisch mit der Bezeichnung JHVH, d. h., dass dem Wort „Yoga“ mit seinen vier Buchstaben die gleich Bedeutung zukommt wie dem Tetragrammaton, in welchem die vier Tattwas stecken. Genauso kann man es mit dem Wort I.N.R.I machen, das auch dem göttlichen Viererschlüssel untersteht! Somit bezieht sich Yoga auf die Tatsache, dass wir eine Verbindung zu etwas aufgegeben haben, und es nun unsere Aufgabe ist, uns wieder aufs Neue mit einem höheren Wesen zu vereinigen! Deshalb kann es keine höhere Wissenschaft geben als Yoga, welche die universelle Wahrheit im ganzen Weltall umfasst. Diese Wissenschaft wird aber nicht in den Hörsälen unserer Universitäten gelehrt, denn die Unendlichkeit des Kosmos ist dem beschränkten Menschenverstande nicht begreifbar. Da aber die allen Erscheinungen zugrundeliegende Wahrheit nur eine einzige ist, wie eine Sonne unser Universum erhellt, so kann sie der Geist auch erkennen, sobald er sich über seine menschliche Beschränktheit erhebt und sich selbst als eins mit der Wahrheit erkennt. Die Wahrheit ist die allen Dingen die zugrundeliegende vierblättrige Wirklichkeit, deren Offenbarung die Welt der Erscheinungen ist, welche wir sehen, wie auch derjenigen Formen, die für uns unsichtbar sind. Der Schöpfer dieses reellen, allgegenwärtigen, unsichtbaren und sichtbaren Kosmos ist Gott, und die Vereinigung des Menschen mit Gott wird Yoga genannt.
Yoga ist kein dogmatisches, künstlich gemachtes Religionssystem und keine philosophische Spekulation. Sie stützt sich auf keine hypothetischen Theorien oder Schlussfolgerungen, Überlieferungen oder irdischen „Offenbarungen“ oder Mittellungen von anderen; sie wurde von keinem Sterblichen ersonnen, verfertigt, erdacht oder erfunden; sie ist keines Menschen Werk, sondern eine hohe und heilige Wissenschaft, deren Grundlage die universellen Gesetze und die daraus resultierende eigene Erfahrung und Selbsterkenntnis ist; sie hat nichts mit Visionen und Träumereien zu tun, sondern ist das Resultat von einem geistigen Erwachen zu einem höheren Bewusstsein, einer Auferstehung durch den „mystischen Tod“ zu einer höheren Daseinsform gleich dem quabbalistischen Baum des Lebens.
Auch wurden die auf die tiefsten Wahrheiten der Religion sich beziehenden Lehren zu allen Zeiten und Orten als heilige Geheimnisse bewahrt, und nur den Würdigen mitgeteilt. Die Yoga-Lehre, das Heiligste von allem, war stets nur den Eingeweihten bekannt. Sie wurde von den indischen und auch ägyptischen Priestern sorgfältig bewahrt; sie war die Grundlage der „Mysterien“ der Griechen und Römer; sie ist in der „Geheimlehre“ der Adepten enthalten. Ihr Grundsatz aber ist, dass der aus vier Grundbestandteilen bestehende Mensch genauso wie der Schöpfer Eins in ihrem Wesen sind, und dass der Mensch, wenn er zur Gotteserkenntnis gelangt, sich selber durch entsprechende Meditationen mit dem Allbewusstsein als Gottheit erkennen kann.
Noch klarer und deutlicher finden wir sie in Rückerts Lehrgedichten, wo es, um ein Beispiel anzuführen, heißt:
„Ich, der Gefangene, der mit seinen Ketten spielt,
Der blinde Schütze, der nach hohem Ziele zielt;
Der Geistern anverwandt, ans Tier gebundene,
Sich selber suchend, stets sich selbst entschwundene,
Der nicht weiß, was er ist, war oder werde sein;
Was ward ich denn, wenn ich nichts war als ich allein!
Ich bin auch Du, weil Du das bist, was in mir ist;
Ich bin mehr als ich bin, weil Du mein alles bist!“
Denn: Nur Gleiches kann Gleiches begreifen.
Yoga ist unabhängig und man kann ihn im Grunde an jeden beliebigen Ort auf Erden praktizieren, denn die hermetische Forschung hat gezeigt, dass sich in jedem Land analoge Übungen finden lassen, die gleiche Ergebnisse hervorrufen. Die Philosophie unterscheidet sich, aber die Grundstruktur ist die gleiche. Denn alle Körper, und daher auch jede Psyche und Mentalität, besitzen einen identischen Aufbau und die gleichen Formen. Es gibt nämlich überall vier Himmelsrichtungen, vier Jahreszeiten, vier Tageszeiten, vier Aminosäuren besitzt jeder Mensch, vier Aggregatzustände usw., welche jeden Menschen gleichwertig machen. Infolgedessen können alle Menschen nur ein und denselben Weg der Entwicklung einschlagen, denn alle Wege führen nach Rom!
Leider gibt es nur sehr wenig Auserwählte, die die vier Yogasysteme, die weit über den herkömmlichen und allgemein bekannten Hatha-Yoga stehen, und auf die systematische Entwicklung des rein Geistigen im Menschen gerichtet sind, gut kennen und auch auszuführen imstande sind. Yoga wird nämlich prinzipiell mit Hatha-Yoga verwechselt. Die östliche Lehre wird immer und überall so dargestellt, als sei Yoga bloß eine gymnastische Verrenkung, die die größten Wunder bewirkt. Dr. Franz Hartmann, der bekannte Theosoph und Kenner aller Yogasysteme, sagt dazu, dass, „alle solche Praktiken (des Hatha-Yoga) haben gar keinen Zweck, als höchstens denjenigen, für unverhältnismäßig große Kosten die „wissenschaftliche Neugierde“ zu befriedigen. Alle „Askese“ im gewöhnlichen Sinne des Wortes, alle Selbstpeinigung, alles „Sitzen für Yoga“ ist schlimmer als nutzlos, denn es entwickelt höchstens mediumistische Eigenschaften, welche ebenso wenig wünschenswert sind, als die Pest. Sie dienen zu einer Schwächung und Erniedrigung des wahren Selbstbewusstseins, anstatt zu einer Stärkung desselben.“
Von nahezu allen geschäftstüchtigen Abend- und auch Morgenländern werden die sich hieraus ergebenden Ausbeutungsmöglichkeiten dieses Systems auch gleich erkannt und in Anspruch genommen. Forderung nach Steigerung und Veredlung der moralisch-seelischen Kräfte wird dabei in blinder Gier nach persönlichem Gewinn übersehen oder bewusst rundweg abgelehnt. Die übrigen Yogasysteme, die die Loslösung vom vergänglichen persönlichen Selbst und dessen Aufgehen im All-Selbst fördern, finden wenig bis keine Beachtung.
Daran sind aber die unzähligen indischen Yoga-Lehrer schuld, die im Westen nur Hatha-Yoga lehrten, weil sie selber von den Tattwa-Yoga-Wegen keine Ahnung haben. Das spielen sie mit der Behauptung runter, der Westler sei nicht reif dafür. Selbst die Yoga-Wege werden von jedem Autor anders bezeichnet. Einer sagt zum Beispiel zu Bhakti-Yoga, er sei der Weg der Hingabe oder Anbetung, Verehrung oder manchmal Liebes-Yoga, aber keiner, und ich betone kein erfahrener Schriftsteller, ordnet die Wege den Elementen korrekt zu. Keiner! Aleister Crowley ist der einzige, der in „Erlangung durch Yoga“ schreibt, dass die vier Wege dem Willen, der Liebe, dem Wissen und der Werke zuordnet werden, aber weiter geht er nicht! Franz Bardon war der erste, welcher die vier Yoga-Wege – Raja-, Jnana-, Bhakti- und Karma-Yoga – analog den vier Elementen – Feuer, Luft, Wasser und Erde – unterstellte!
Viele wissen nicht einmal, ob Yoga für körperliche oder geistig-seelische Zwecke genutzt werden kann, ferner, ob Yoga überhaupt für den westlichen Menschen geschaffen ist. Außerdem wird immer falsch behauptet, dass der östliche Schüler besser für die geistige Entwicklung geeignet ist wie der Europäer.
Manch ein „Guru“ verlangt sogar von seinen Chelas (Schülern) überhaupt keinen Beruf auszuüben und fordert ein Leben in Indien, um den Yoga besser kennen zu lernen. Sinnvoller ist es, wenn man in die Gesetzmäßigkeit der indischen Yoga-Lehre, wie es der Autor vieler Yoga-Bücher – O. A. Isbert – sagte, eintaucht, den Yoga richtig erkennt, dann kann man ihn im hier und jetzt überall ausüben, solange man ihn mit Harmonie betreibt!
Und die Harmonie und der wahre Rhythmus ist genau das Entscheidende. Es gibt nämlich Übungsanweisungen, die nicht haltbar sind, wie dass man täglich 4-5 Stunden meditieren oder mehrere Stunden Japa (das Murmeln von Sprüchen) ausüben soll. Viele östliche Esoteriker meinen sogar, dass man den Charakter überhaupt nicht ändern kann. Deshalb gehen sie auf eine Veränderung der seelischen Eigenschaften gar nicht näher ein. Dann werden dem Schüler Meditationen gegeben, welche auf die Symbolik der Chakras hinweisen, ohne zu bedenken, dass diese...