2 Technik der Tomosynthese
Thomas Mertelmeier
2.1 Einführung
Schon wenige Jahre nach der Entdeckung der Röntgenstrahlung durch Wilhelm Conrad Röntgen kamen die ersten Ideen auf, wie man nicht nur Projektionsbilder erzeugt, sondern auch dreidimensionale Informationen über das abzubildende Objekt gewinnen kann. Doch es dauerte noch eine beträchtlich lange Zeit, bis sich dies auch technisch realisieren ließ. Zunächst gab es eine dreidimensionale Technik, die während der Bewegung des Röntgenstrahlers relativ zum Objekt die von diesem geschwächte Röntgenstrahlung auf dem Strahlungsempfänger, dem Film, aufsummierte. Bei dieser klassischen bzw. konventionellen Tomografie bewegt sich die Strahlungsquelle um einen Punkt, dem sog. Fulcrum, in der Fokusebene herum (Tome, griechisch: Schnitt). Diese Ebene wird dann scharf auf dem Film abgebildet. Andere Ebenen werden jedoch durch die Bewegung während der Bildentstehung verwaschen dargestellt. Deshalb wurde diese Technik auch Verwischungstomografie genannt.
Ziedes des Plantes ▶ [1] nutzte die lineare Verwischungstomografie erstmals in der Praxis, nämlich bei Schädelaufnahmen. Strahler und Bildempfänger bewegten sich linear um das Fulcrum. Er wird deshalb häufig als der Erfinder der Tomografie betrachtet, obwohl es viele andere Varianten gab (▶ [2], ▶ [3]).
Nachteil der klassischen Verwischungstomografie war der hohe Dosisbedarf, da immer nur eine Ebene, definiert durch die Aufnahmegeometrie scharf abgebildet wurde. Für jede weitere Schicht musste eine neue Aufnahme mit angepasster Geometrie durchgeführt werden. Dies änderte sich erst mit der Einführung von digitalen Bildempfängern (Flächendetektoren), die schnell und verzeichnungsfrei ausgelesen werden konnten und durch Computer, die retrospektiv aus den einzeln abgespeicherten Projektionsbildern aus unterschiedlicher Perspektive das gewünschte Schnittbild rekonstruieren konnten. Der damit verbundene Dosisvorteil ist offensichtlich, da mit einer Bewegung des Aufnahmesystems jede beliebige Bildebene scharf abgebildet werden kann. Dieses Bildgebungsverfahren, bei dem der Röntgenstrahler relativ zum Objekt unterschiedliche Aufnahmepositionen einnimmt, wird digitale Tomosynthese oder auch nur Tomosynthese genannt. Aus Einzelaufnahmen von unterschiedlichen Blickwinkeln werden Schicht- oder Schnittbilder rekonstruiert. Dadurch kann um objektinterne Strukturen herumgesehen werden und man erhält dreidimensionale Informationen in Form von Einzelschichten.
Der entscheidende Vorteil der Tomosynthese ist die Trennung einzelner Gewebeschichten. Beispielhaft ist dies anhand ▶ Abb. 2.1 zu erkennen, einem Ausschnitt aus einem Brustdatensatz. In ▶ Abb. 2.1a ist die Ebene 23 mm über der Patientenlagerungsplatte (z = 23 mm) dargestellt. Deutlich ist die runde und glatt berandete Läsion zu erkennen. Die Gruppe von Mikrokalzifikationen, die darüber nur andeutungsweise sichtbar ist, wird jedoch in der Ebene 27 mm (▶ Abb. 2.1b) über der Lagerungsplatte (z = 27 mm) klar gezeigt, und die runde Läsion ist nur noch schwach zu erkennen. Diese Aufteilung der einzelnen Gewebeschichten könnte sowohl die Detektionsrate als auch die Diagnosesicherheit erhöhen. Eine der ersten Anwendungen in der Brustbildgebung wurde bereits 1997 von Niklason beschrieben ▶ [4].
Abb. 2.1 Ausschnitt (18 × 29 mm) aus 2 Tomosynthese-Schichten der Mamma (Rohdaten, mit freundlicher Genehmigung von Dr. Ingvar Andersson, Universitätskrankenhaus Malmö, Schweden, und Siemens AG Healthcare Sector).
Abb. 2.1a Schicht bei z = 23 mm mit Rundherd im Fokus.
Abb. 2.1b Schicht bei z = 27 mm mit Mikrokalkanhäufung im Fokus.
2.2 Datenakquisition und Abtastung
Für die Tomosynthese werden üblicherweise modifizierte Röntgensysteme eingesetzt. Auch für die mammografische Tomosynthese werden digitale Mammografie-Systeme verwendet, bei der die Strahlungsquelle relativ zum Untersuchungsobjekt in unterschiedliche Positionen bewegt werden kann.
Prinzipiell unterscheiden wir 2 Systeme. Bei den einen bewegt sich die Röhre kontinuierlich und wird dabei im Aufnahmetakt des Detektors gepulst. Bei den anderen wird die Röhre zwischen 2 Aufnahmen zur nächsten Position gefahren und der Röntgenpuls im Ruhezustand der Röhre abgegeben im sog. „Step&shoot“-Modus. Der Weg des Strahlers kann dabei ein Kreisbogen um einen Punkt im Objekt oder zumindest nahe dem Objekt sein oder prinzipiell auch eine lineare Verschiebung sein. Der Detektor ist während des Abtastvorgangs (Scan) entweder stationär (▶ Abb. 2.2) oder er wird mitbewegt, d.h. der Strahlerbewegung nachgeführt. Bei mitbewegtem Detektor unterscheiden wir zwischen einer isozentrische C-Bogen-Geometrie, bei der sich Detektor und Strahler um einen gemeinsamen Rotationspunkt drehen, und einer partiell isozentrische Geometrie. Bei dieser bewegt sich der Detektor zwar synchron mit dem Strahler, ist aber nicht fest gekoppelt und wird z.B. linear in der Aufnahmeebene verschoben ▶ [5]. Bei typischen mammografischen Aufnahmegeometrien ist die Brust nahe am Detektor positioniert, es wird daher in den meisten Systemen der Detektor nicht oder nur sehr geringfügig mitbewegt (▶ Abb. 2.2).
Da bei der Bildrekonstruktion jede Einzelprojektion eines Scans zu einem Bildpunkt im Volumen (Volumenelement, Voxel) beiträgt, kann ein Tomosynthese-Datensatz mit etwa der gleichen Dosis wie für ein zweidimensionales Projektionsröntgenbild akquiriert werden (Kap. ▶ 2.5). Die Gesamtdosis wird aber auf die Einzelprojektionen verteilt. Dazu wiederum ist ein Detektor notwendig, der auch bei diesen niedrigen Dosiswerten ein rauscharmes Signal liefert. Dies bedeutet, dass der Detektor auch bei einer sehr niedrigen Dosis eine genügend hohe detektive Quanteneffizienz (Detective Quantum Efficiency, DQE) aufweisen muss (Kap. ▶ 2.5). Des Weiteren muss der Detektor schnell auslesbar sein und eine hohe Bildrate ermöglichen, um die Scandauer und damit auch die Kompressionszeit für die Untersuchung kurz zu halten ▶ [6]. Beide Anforderungen an den Detektor stellen angesichts der in der Mammografie erforderlichen Orts- und Kontrastauflösung erhebliche Herausforderungen dar. Die Scanzeit kann verkürzt werden, wenn beim Auslesen des Detektors Pixel zusammengefasst werden. Der damit verbundene Auflösungsverlust und die evtl. einhergehende Erhöhung des Signal-zu-Rausch-Verhältnisses hängen von den technischen Details des betrachteten Systems ab.
In den heute zur Verfügung stehenden kommerziellen Brust-Tomosynthese-Systemen (Beispiel ▶ Abb. 2.3) werden überwiegend direktkonvertierende Detektoren auf der Basis von amorphem Selen mit Dünnfilmtransistorarrays aus amorphem Silizium (a‑Si‑TFT) eingesetzt. Es existieren auch ein System mit Szintillator und Fotodioden aus amorphem Silizium mit a‑Si‑TFT‑Auslesearrays sowie ein Prototyp mit Silizium-Direktkonverter-Zeilendetektoren.
Das für die Tomosynthese verwendete Röntgenspektrum ist entweder gleich oder ähnlich der bei der digitalen Mammografie eingesetzten Strahlungsqualität und die Röhrenspannung hängt von der Dicke der komprimierten Brust ab. Um die Dosis so gering wie möglich zu halten, kann die Energie der Röntgenstrahlung, also die Röhrenspannung, eher etwas angehoben sein. Alternativ kann eine etwas stärkere Filterung verwendet werden, wodurch die mittlere Energie der Quanten angehoben wird. Typisch ist die Verwendung von Wolfram/Rhodium (W/Rh), wie in der digitalen Mammografie, oder...