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E-Book

Diversity

Transkulturelle Kompetenz in klinischen und sozialen Arbeitsfeldern

VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2010
Seitenanzahl366 Seiten
ISBN9783170227569
FormatePUB/PDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis34,99 EUR
Die steigende Vielfalt in der Gesellschaft durch individuelle Unterschiede - Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Religion, soziales Milieu, sexuelle Orientierung und Behinderung - gehört mittlerweile zum Alltag im Gesundheits- und Sozialwesen. Diversity, der kompetente Umgang mit Vielfalt, bietet neue Handlungsperspektiven. Praxisbezogen und wissenschaftlich fundiert wird dieses Konzept auf den klinischen und sozialen Berufsalltag übertragen: Managing Diversity berührt Fragen des Profits und der Ethik gleichermaßen und bietet eine professionelle Reaktion auf die veränderte Realität unserer Einwanderungsgesellschaft.

Die Ärztinnen und Psychotherapeutinnen sind in transkultureller Praxis, u. a. am Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge in Düsseldorf, tätig und bieten seit Jahren 'Diversity Trainings' mit der Ärztekammer Nordrhein und der Psychotherapeutenkammer NRW an. Zwei von ihnen stehen dem 'Dachverband der transkulturellen Psychiatrie, Psychotherapie, Psychosomatik im deutschsprachigen Raum' vor.

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Leseprobe

Vorwort der Herausgeberinnen


Liebe Leserin, lieber Leser,

Vielfalt begegnen wir in einer Zeit der raschen Veränderungen in fast allen Lebensbereichen. Die Diversität der Weltanschauungen und Identitäten durch Globalisierung, demographischen Wandel, Mobilität und Migration führen uns zu neuen gesellschaftlichen Erfahrungen und stellen uns vor die Herausforderung, mit dieser Vielfalt, ihren Chancen und Risiken im Privat- und im Berufsleben umzugehen. In diesem Buch geht es um die Fähigkeiten, die wir brauchen, um mit kultureller Vielfalt in gesundheitlichen und sozialen Handlungsfeldern professionell umzugehen.

Wir Herausgeberinnen kommen aus der transkulturellen, klinischen Arbeit (ambulante und stationäre Psychotherapie, Beratung) und der Fortbildungen für MedizinerInnen und PsychotherapeutInnen. Uns verbindet seit einigen Jahren die gemeinsame Bemühung „Wie vermitteln wir das, was wir täglich machen, an andere?“ mittels Diversity-Fortbildungen. Diese Diversity-Fortbildungen führen wir seit 2005 im Psychosozialen Zentrum für Flüchtlinge Düsseldorf (PSZ) durch, im Rahmen des Projektes „Dialog-Kultur“, gefördert vom Europäischer Integrationsfond EIF und in Kooperation mit der Ärztekammer Nordrhein, der Psychotherapeutenkammer NRW und dem Bildungsinstitut im Gesundheitswesen BiG. Unsere eigene transkulturelle Praxis, die didaktische Herauforderung der Fortbildungen und die Fragen der TeilnehmerInnen veranlassten uns, unsere eigenen Konzepte zu überprüfen, uns mit konträren Positionen zu beschäftigen, Widersprüche aufzugreifen, uns mit wissenschaftlichen Konzepten zu befassen, auf der Suche nach einem pragmatischen Ansatz für die Praxis. Der Diversity-Ansatz ermöglicht in diesem Zusammenhang, sich dem Begriff „Kultur“ zu nähern, ohne vorschnell zu kulturalisieren, d. h. alle individuellen Merkmale einer Person wie Geschlecht, Alter, Bildung, sexuelle Orientierung, Familienstatus, sozioökonomischer Status, Behinderung explizit zu berücksichtigen, wobei „Zuwanderung“ nur ein Merkmal unter vielen ist.

Unser Ziel ist es nicht, sozialwissenschaftlich und konzeptionell Diversity zu beleuchten, sondern aufzuzeigen, wie dieses – im deutschen Sprachraum recht neue Konzept – im Praxistransfer, speziell im Gesundheits- und Sozialwesen, umgesetzt werden kann. Daher haben wir Experten angesprochen und gebeten, ihre eigenen Tätigkeitsschwerpunkte in Bezug auf Diversity zu setzen. Da das Thema Diversity in sozialen und klinischen Handlungsfeldern ein noch relativ unbearbeitetes Feld ist, konnten die AutorInnen, die wir eingeladen haben zu schreiben, entsprechend wenig auf diesem Feld ernten. Die meisten mussten das Feld zunächst selbst beackern, indem sie diese Einladung zur Annäherung und Auseinandersetzung mit Diversity in ihrem jeweiligen Arbeitsfeld (Zuwanderung, Gender, Behinderung, Lebensende und weitere) angenommen haben.

Dabei geht das „Feld“, um bei dem Bild zu bleiben, über eine Landschaft hinaus, die wir nicht weit oder scharf genug in einem Buch aufzeigen können. Doch das Buch als Gesamtes zeigt die Sicht durch verschiedene diversitäts-sensible Fenster, bei dem ein Fenster – das soziokulturell differenzierte – besonders groß und weit geöffnet wird. Das bedeutet aber auch, dass nicht alle relevanten Aspekte entsprechend gewürdigt werden konnten (z. B. Transsexualität).

Dabei ist nicht beliebig, welcher Autor vor einem Fenster steht und die jeweilige Sicht eröffnet. Je nach Zugang und Perspektive präsentiert sich eine andere Landschaft – aus der Perspektive als VerhaltenstherapeutIn oder als PsychoanalytikerIn, als Mehrheits- oder Minderheitsangehörige, als Mann oder Frau. Diese Subjektivität spiegelt sich in allen Texten – Objektivität vermögen wir nicht zu bieten, aber vielleicht reflektierte Subjektivität. Diese Sichtweise möchten wir auch Ihnen beim Lesen ans Herz legen – denn abhängig von Ihrem beruflichen und persönlichen Kontext werden Sie sicherlich die eine oder andere Formulierung als fremd oder berührend wahrnehmen.

Einer unreflektierten Subjektivität haben wir uns bemüht zu begegnen, durch die Wahl der AutorInnen (mit und ohne Zuwanderungsgeschichte, mit und ohne Melaninmangel, mit und ohne zweites X-Chromosom, aus Wissenschaft und Praxis), und ihrer unterschiedlichen, nicht-identischen Themenfelder, die sich aber überkreuzen konnten oder benachbart gelegen waren.

Die Kapitel sind unterschiedlich zu sehen, abhängig von der Thematik und ihrer Präsenz im Gesundheitswesen, in den Medien, im gesellschaftlichen Diskurs. Bei manchen Bereichen geht es darum, spezifische Bedürfnisse einer speziellen Gruppe überhaupt wahrzunehmen (z. B. Flüchtlinge). Bei anderen Themengebieten gibt es bereits dieses gesellschaftliche Bewusstsein, und es geht viel mehr um die innere Diversität (z. B. Gender). Wiederum werden Sie feststellen, dass einige AutorInnen mehr die Unterschiede, andere eher die Gemeinsamkeiten (z. B. bei Diversität am Lebensende) fokussieren, wobei beide wichtige und sich ergänzende Blickwinkel innerhalb des Diversity-Konzepts darstellen.

Die unterschiedlichen Blickwinkel der AutorInnen zwingen uns einerseits, die universellen Gemeinsamkeiten der unterschiedlichen Gruppen wahrzunehmen, und andererseits werden uns immer wieder die Grenzen der eigenen Wahrnehmung und der eigenen Gruppenzugehörigkeit deutlich, also das Anderssein.

Sie merken, dieses Buch ist zwar ein Lehrbuch, aber keines, aus dem Sie ohne die persönliche Auseinandersetzung mit sich und den eigenen Gewohnheiten eine „Lehre“ ziehen und auswendig lernen können. Denn die Praxis der Diversity-Kompetenz ist Wissens- und Erfahrungswert zugleich. Wir können Ihnen die Fenster zeigen, die AutorInnen können ihre Sicht beschreiben, erlernbar und erfahrbar wird die Lehre erst, wenn Sie selbst schauen.

Um Ihnen ein wenig die Arbeit zu erleichtern, möchten wir Ihnen an dieser Stelle eine kleine „Gebrauchsanweisung“ für das Buch geben: Während die Kapitel Ihnen einen vertiefenden Einblick in die Themen bieten, werden Sie auf einige kürzere Beiträge („Exkurse“) stoßen. Diese kurzen Überblicke umreißen Themengebiete, die kein eigenes Kapitel haben, uns aber so wesentlich erscheinen, dass wir Sie mit den kurzen Beiträgen auf diese brisanten und wichtigen Themen aufmerksam machen und zum Weiterlesen motivieren möchten.

Der erste Teil des Buches (Einführung: Warum „Diversity“ in sozialen und Heilberufen) zeigt die gesellschaftspolitische Relevanz der Implementierung von Diversity in Heil- und sozialen Berufen aufgrund veränderter demographischer Entwicklungen und Migration (Anton Rütten, Bernhard Santel). Die veränderte Bevölkerungsstruktur in Deutschland, wirft die damit einhergehende Identifikationsfrage des „Deutschsein“ auf (Andreas Ackermann). Jenseits von nationalen Identifizierungen erfordern diese Veränderungen einen strukturellen Wandel im Gesundheitswesen (Dagmar M. David).

Im zweiten Teil, Grundlagen von transkultureller Öffnung und Diversity, werden die theoretische Basis von Diversity (Rebekka Ehret) und die damit angrenzenden relevanten Grundlagentheorien beschrieben, wie das Konzept der Vorurteile und das Syndrom Gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit (Andreas Zick, Beate Küpper). Ein handlungsorientierter Ansatz, der den vorurteilsbewussten Umgang mit Differenzen schult, ist der „Anti-Bias“ (Exkurs Marina Chernivsky).

Die rechtlichen Grundlagen von Diversity sind die EU-Antidiskriminierungsrichtlinie und das Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Dessen Wirkkraft wird am Beispiel der Diskriminierung durch fehlende sprachliche Verständigungsmöglichkeiten im Bereich des Sozial- und Gesundheitswesens untersucht (Dorothee Frings). Weiterhin wird in diesem Grundlagenkapitel die Umsetzung von Diversity-Kompetenz im klinischen und sozialen Alltag fokussiert (Eva van Keuk, Ljiljana Joksimovic, Cinur Ghaderi), die konkrete Umsetzung des Diversity-Management im Gesundheitswesen am Beispiel eines Krankenhauses dargestellt (Wolfram Gießler) und schließlich wird Diversity theoretisch mit Gender und Intersektionalität (Cinur Ghaderi, Ilse Lenz) in Bezug gesetzt und es werden Methoden zur Wahrnehmungssensibilisierung für eine geschlechter-detypisierenden kommunikative Praxis benannt.

Im dritten Teil, Diversity in klinischen Handlungsfeldern, werden unterschiedliche klinische Handlungsfelder aus diversitäts-sensibler Perspektive beleuchtet, wie das ärztliche Patientengespräch (Ljiljana Joksimovic), die Psychotherapie (Eva van Keuk, Cinur Ghaderi), die Arbeits- und Sozialmedizin (Ulrike Hein-Rusinek) und die Patientenpflege (Abdulillah Polat). Die weiteren Beiträge dieses Kapitels befassen sich zunächst mit der Diversity-Kompetenz in der gesundheitlichen Versorgung von Frauen (Dela Apedjinou, Şengül Boral, Matthias David & Theda Borde), Männern (Norbert Hartkamp), Jugendlichen (Wilfried Huck) und alten Menschen (Murat Ozankan, Josef Kessler). Schließlich wird das Thema Tod und Sterbebegleitung (Christian Schulz, André Karger, Martin W. Schnell) und Trauer (Exkurs Meera Sivaloganathan) fokussiert. Bei der Auswahl dieser Themengebiete haben wir uns bemüht, einerseits universelle Aspekte zu analysieren, die Menschen aufgrund der Zugehörigkeit zu einer sozialer Gruppe (z. B. Frau, Mann, Altersgruppe) machen, gleichzeitig aber auch kulturelle oder milieuspezifische Aspekt in Augenschein zu nehmen...

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