|65|2 Bildschirmmedien – Wie wirken sie sich auf das Lernen aus?
2.1 Medienkompetenz
Unter Medienkompetenz versteht man den verantwortungsbewussten und gekonnten Umgang mit Medien. Voraussetzung dafür ist auf der Wissensseite Offenheit, Kritikfähigkeit und Neugierde für Medien und auf der Persönlichkeitsseite eine Riesenportion Selbstdisziplin.
Sicherlich hast du schon oft Warnungen über die Digitalisierung gehört. Aber wie bei jedem Werkzeug liegt die Gefahr nicht am Tool, sondern an seiner Benutzung. Du selbst bestimmst durch deine Anwendung, ob es dir nützt oder schadet.
Um die dynamische Entwicklung von Medien und deren Nutzung in Deutschland zu untersuchen, gibt es seit 1998 eine jährliche Studienreihe des Medienpädagogischen Forschungsverbundes Südwest, die sogenannte JIM-Studie (JIM = Jugend, Information, Multi-Media). Sie ist in diesen vielen Jahren zu einem Standardwerk geworden, das regelmäßig über die aktuellen Entwicklungen des Medienumgangs junger Menschen in Deutschland informiert.
Musik spielt bei Jugendlichen auch weiterhin eine zentrale Rolle. Im Vergleich mit anderen Medieninhalten steht sie für viele Jugendliche an erster Stelle, weil sie für Entspannung, Ablenkung und Unterhaltung sorgt. Für Musik, Information und Kultur gibt es inzwischen über 2.800 deutsche Webradios, die man im Internet hören kann.
Bücher und Zeitschriften zählen zwar zu den Printmedien, werden aber kaum mit Medienkompetenz in Verbindung gebracht. Interessant ist in diesem Zusammenhang jedoch, dass der griechische Philosoph Sokrates schon vor zweieinhalb Jahrtausenden vehement vor der Verbreitung der Schrift warnte, da er als Verfechter des gesprochenen Wortes einen geschriebenen Text für minderwertig hielt. Er warnte gar vor einer Verlotterung der Sprache und dem Verkümmern von Merkfähigkeit bei Jugendlichen. Große Aufregung herrschte auch nach der Erfindung und |66|Verbreitung des Buchdrucks. Wichtige, einflussreiche Menschen erhoben ihre Stimme und warnten vor dem verheerenden Einfluss des Bücherlesens. Tatsache ist, dass sowohl Bücher als auch die neuen Medien einerseits sinnvoll genutzt und eingesetzt werden können, andererseits durch Missbrauch großen Schaden verursachen können.
In den vergangenen 15 Jahren haben sich die Lebenswelt und dadurch die Weltsicht von Kindern und Jugendlichen durch Internet und moderne Kommunikationsmedien tiefgreifend verändert. Weiterhin sind digitale Spiele ein wichtiger Bestandteil des jugendlichen Alltags. Ein Trend zu mobilen Games ist feststellbar. Auch die Printmedien haben sich der modernen Zeit angepasst. Alle diese Veränderungen zusammen haben einen enormen Einfluss auf das Denken und Verhalten von Kindern, manchmal einen größeren als Eltern und Lehrern bewusst ist. Du solltest dich diesen Einflüssen nicht unwissend und unüberlegt überlassen, sondern dich gründlich mit möglichen Auswirkungen befassen.
Menschen möchten sich selbstständig eine Meinung bilden und nicht wie eine Marionette an den Fäden einer unbekannten und mit fragwürdigen Methoden operierenden Macht hängen und von deren Interessen gelenkt und gesteuert werden. Deshalb ist kritisches Hinterfragen von Medieninhalten wichtiger denn je.
Glaubt man den Voraussagen der Optimisten über unsere digitale Zukunft, so wächst derzeit eine neue Elite heran, Weltbürger im erdumspannenden Netz, denen im Leben alle Türen offen stehen. Vertraut man eher den Pessimisten, so werden in Zukunft verhaltensgestörte Daten-Junkies, die im wirklichen Leben keine Freunde finden, sich in eine einsame virtuelle Computerwelt zurückziehen. Diese verwirrenden, gegensätzlichen Meinungen findet man auch bei den Gehirnforschern. Einer derjenigen, die begründen Warum das Internet uns schlauer macht (Glomp, 2014), ist Michael Madeja, Hirnforscher von der Universität Frankfurt. Er erinnert daran, dass jegliche Tätigkeit den inneren Aufbau unseres Gehirns verändert, denn die Verarbeitung von Informationen führt zu neuen oder veränderten Kontakten zwischen den Nervenzellen, was bedeutet, dass wir Neues lernen. Insofern verändert natürlich auch der Umgang mit Computern und anderen digitalen Geräten unser |67|Gehirn. Positiv merkt er an, dass sich männliche Teenager beispielsweise durch Onlinespiele wie World of Warcraft (WoW) zum Lesen und Schreiben motivieren. Videospielen vergrößert Hirnbereiche, die für räumliche Orientierung, Gedächtnisbildung, strategisches Denken sowie Feinmotorik bedeutsam sind.
Über soziale Netzwerke haben wir mehr Kontakte als früher. Menschen finden in Foren schnell gute Lösungen für ihre Probleme. Die Ratgeber geben ihr Wissen aus Begeisterung weiter und nicht für Geld. Der kanadische Autor Clive Thompson nennt das gemeinschaftliche Arbeiten public thinking. Beste Beispiele dafür sind die Online-Enzyklopadie Wikipedia und das Betriebssystem Linux. Beim Projekt Fold.it machen sich Wissenschaftler den Arbeitseinsatz der vielen Mitdenker mit erstaunlichem, früher unvorstellbarem Erfolg zunutze.
Klar birgt die intensive Betätigung im Internet auch Risiken. Ein Hauptrisiko ist der schwierige rechtzeitige Ausstieg, die Gefahr, sich in Spielwelten zu verlieren und unter Schlafmangel zu leiden.
Multitasking
Viele Menschen, besonders auch junge, versuchen mit dem im Kapitel 5.2 beschriebenen Überangebot an Reizen mithilfe des sogenannten „Multitasking“ fertig zu werden. In der Computersprache bedeutet Multitasking, dass der Rechner mehrere Programme gleichzeitig bearbeiten kann. Vergleichbar dazu bedeutet Multitasking im Alltag das gleichzeitige Aufnehmen von verschiedenen Dingen.
Gemeint ist zum Beispiel: das gleichzeitige Lesen, Telefonieren und Musik hören oder zeitgleich chatten, Videos anschauen und Pizza essen. Sind diese massiven Sinnesreize förderlich oder schädlich für die Intelligenzentwicklung?
Der Psychologe und Hirnforscher Ernst Pöppel ist überzeugt von der Schädlichkeit von Multitasking (Pöppel, 2000). Er warnt vor den negativen Folgen, denn es fördert die Unkonzentriertheit. Natürlich kannst |68|du etwas konzentriert tun – und im Hintergrund etwas mit verminderter Aufmerksamkeit verfolgen, aber das führt keinesfalls zu schnellerem Denken. Im Gegenteil: Das Bewusstsein kann die jeweiligen Inhalte nicht mehr sinnvoll verarbeiten und der dauernde Wechsel verhindert eine nachhaltige Verinnerlichung. Du kannst kein fundiertes und vertieftes Wissen aufbauen. Du verzettelst dich geradezu und schwächst deine Konzentrationsfähigkeit. Es ist also nicht hilfreich für dich, wenn du gleichzeitig zwei Dinge tun möchtest, die deine volle Konzentration erfordern.
2.2 Video- und Computerspiele
Videospiele oder Computerspiele sind am Computer, Laptop und Smartphone möglich. Da es hier um die Auswirkungen des Videospielens geht, unterscheiden wir in diesem Kapitel nicht zwischen den verschie|69|densten Möglichkeiten des Spielens mit Computerprogrammen, die einem oder mehreren Nutzern interaktiv zugänglich sind, und Videospielen, auch Konsolenspiele genannt, sondern sprechen der Einfachheit halber vom Computerspielen.
Viele, die sich an der aktuellen Debatte über die Vor- und Nachteile der digitalen Revolution beteiligen, können sich wohl kaum vorstellen, dass diese Diskussion schon sehr alt ist. „In wenigen Jahren wird der Tonfilm das Lehrbuch weitgehend, wenn nicht vollständig abgelöst haben“, prophezeite schon das Erfindergenie Thomas Alva Edison. Das war im Jahr 1922!
Damit dir die neuen Medien außer Spaß auch Nutzen bringen, brauchst du bestimmte Grundsätze, an die du dich unbedingt halten solltest. Tatsächlich lauern heute mehr Gefahren hinter harmlosen Fassaden als früher. Auch ein Buch kann dich so fesseln, dass du auf keinen Fall mittendrin gestört werden möchtest. Aber wenn du es dann mal ausgelesen hast, greifst du wahrscheinlich nicht sofort zum nächsten Buch, sondern gehst zuerst einmal anderen Beschäftigungen nach.
|70|Info:
Mit den Computerspielen ist es anders. Sie können einen Spieler so stark fesseln, dass er nicht mehr selbstständig aus der spannenden Geschichte herauskommt. Es kann eine psychische Abhängigkeit entstehen. Die Weltgesundheitsorganisation definiert diese als „ein Bedürfnis bis hin zu einem zwanghaften Drang oder Verlangen nach periodischem oder dauerndem Konsum der Droge, um ein Lustgefühl zu erlangen und/oder ein Unlustgefühl zu vermeiden.“ Die „Droge“ ist in diesem Fall das Computerspielen...