|18|Kapitel 2
Bereits vorhandene Trainingsprogramme
Trainingselemente, die Emotionsregulationskompetenzen thematisieren, sind grundsätzlich in vielen manualisierten Trainingsprogrammen für das Kindesalter enthalten. Es gibt jedoch nur wenige Trainings, die unmittelbar auf die Förderung von Emotionsregulationskompetenzen ausgerichtet sind.
Eine der wenigen Ausnahmen ist das Programm Mich und Dich verstehen von Bieg und Behr (2005), das als Präventionsansatz zur Wahrnehmung von und zum Umgang mit Gefühlen konzipiert wurde. Es richtet sich an Kindergruppen in einem Altersbereich von 8 bis 12 Jahren. Es gliedert sich in drei Epochen mit einer Dauer von jeweils vier Zeitstunden, die jedoch auf mehrere Termine verteilt werden können (insgesamt ca. 35 Schulstunden). Jede Epoche ist einem unterschiedlichen Thema gewidmet. Die Themen beziehen sich auf (a) Erkennen und Wahrnehmen eigener Gefühle, (b) Einfühlungsvermögen und (c) Angst- und Stressbewältigung. Die drei Epochen repräsentieren nach Bieg und Behr (2005) die Hauptanliegen des Programms, die darin bestehen, dass Kinder (a) die eigenen Gefühle und die Gefühle anderer besser erkennen, dass sie (b) ein besseres Einfühlungsvermögen erlangen und dass sie (c) Stress- und Angstsituationen adäquater bewältigen können. Das Programm setzt stark auf das Erkennen und Verstehen eigener und fremder Emotionen, während die Emotionsregulationskompetenzen im Vergleich dazu weniger Raum einnehmen. Der hohe Programmumfang kann in der (Schul-)Praxis problematisch sein, wobei andererseits zu konstatieren ist, dass das Programm dadurch eine Fülle an Übungen und Materialien enthält, aus denen ggf. eine Auswahl getroffen werden kann.
Ein weiteres Trainingsprogramm für Kinder, in dem die Förderung von Emotionsregulationskompetenzen eine große Bedeutung hat, ist das Verhaltenstraining in der Grundschule von Petermann, Koglin, Natzke und Marées (2013). Es handelt sich um ein Präventionsprogramm zur Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz sowie der Moralentwicklung im Grundschulalter (3. und 4. Klasse). Das Training besteht aus insgesamt 26 Einheiten mit einer Dauer von jeweils 45 bis 90 Minuten, die wiederum ein- bis zweimal wöchentlich durchzuführen sind. Die Gesamtdauer des Trainings kann sich damit über ein Schulhalbjahr erstrecken. Das Training bezieht sich zwar stark auf Emotionsregulationskompetenzen, ist jedoch darüber hinaus auch breiter ausgerichtet (z. B. auf die Verbesserung des moralischen Urteilsvermögens). Es ist ebenfalls zeitlich sehr umfangreich, bietet dabei jedoch auch den Vorteil, dass ein großer Umfang an Übungen und Materialien vorhanden ist, um ggf. eine Auswahl zu treffen. Zusätzlich erwähnenswert ist, dass es aus dieser Arbeitsgruppe weiterhin ein Verhaltenstraining für das Kindergartenalter gibt, das ebenfalls als primärpräventives Präventionsprogramm zur Förderung der emotionalen und sozialen Kompetenz konzipiert ist (Koglin & Petermann, 2013). Beide Programme können dadurch auch aufeinander aufbauend zum Einsatz gelangen.
Auch das Therapieprogramm zur Förderung emotionaler, sozialer und kognitiver Kompetenzen für Kinder mit Verhaltensproblemen (FESKKO; Maur & Schwenck, 2013), ein kognitiv-verhaltenstherapeutisches Gruppentherapieprogramm, welches von den Autoren als ein Baustein innerhalb einer psychotherapeutischen Behandlung von psychischen Störungen bei Kindern empfohlen wird, beinhaltet Sitzungen zur Förderung der Emotionsregulation. Es richtet sich an Kinder im Alter zwischen 7 und 13 Jahren, die Beeinträchtigungen in sozialen, kognitiven und emotionalen Kompetenzen aufweisen und ist modular aufgebaut. Zwei von acht Modulen widmen sich thematisch explizit den Gefühlen von Kindern (Modul 3: Erkennen und Wahrnehmen von Basisemotionen; Modul 6: Emotionsregulation und Problemlösen mit Fokus auf dem Umgang mit negativen Gefühlen). Es ist im Vergleich zu den anderen Programmen primär im psychotherapeutischen Bereich verankert.
Als weitere Trainingsprogramme, die eine starke Affinität zum Training von Emotionsregulationskompetenzen haben, können auch Stressbewältigungstrainings für Kinder gelten. Hierzu liegen für das Kindesalter das Anti-Stress-Training für |19|Kinder von Hampel und Petermann (2003) sowie das Stresspräventionstraining Bleib locker von Klein-Heßling und Lohaus (2012) vor. Typischerweise wird in Stressbewältigungstrainings u. a. der Umgang mit Emotionen, die sowohl als Ursache als auch als Folge von Stresserlebnissen auftreten können, thematisiert. Daher nehmen Emotionsregulationskompetenzen in diesen Trainings einen großen Stellenwert ein. Beide Trainings haben einen deutlich geringeren Umfang als die zuvor dargestellten Trainings (maximal acht Doppelstunden, wobei beim Anti-Stress-Training auch noch weniger umfangreiche Varianten vorgesehen sind). Das Anti-Stress-Training richtet sich an Kinder im Alter von 8 bis 13 Jahren, während das Bleib-locker-Training Kinder der 3. und 4. Grundschulklasse als Zielgruppe vorsieht.
Emotionsregulationskompetenzen spielen weiterhin eine Rolle in Trainings, die auf spezifische Problembereiche ausgerichtet sind. In diesem Zusammenhang sind insbesondere Trainings zu nennen, die auf eine Reduktion aggressiven Verhaltens bzw. auf Gewaltprävention abzielen. Als Beispiel kann das Programm Faustlos gelten, das aus drei Programmeinheiten zur (a) Empathieförderung, (b) Impulskontrolle und (c) zum Umgang mit Ärger und Wut besteht. Es liegen Programmvarianten für den Kindergarten, die Grund- sowie Sekundarstufe vor (Cierpka & Schick, 2011, 2014a, 2014b). Das Programm für die Grundschule erstreckt sich über insgesamt 51 Lektionen im zweiwöchentlichen Rhythmus (Kindergarten: 28 Lektionen) und gehört damit ebenfalls zu den sehr umfangreichen Programmen. Auch in anderen Trainings zum Aggressionsabbau und zur Gewaltprävention spielen Emotionsregulationskompetenzen eine wichtige Rolle (wie beispielsweise in dem Training im Problemlösen von Lösel et al., 2006).
Emotionsregulationskompetenzen sind nicht nur in Trainings bedeutsam, die auf externalisierende Probleme ausgerichtet sind, sondern auch in Trainings, die auf internalisierende Probleme abzielen. Da es hier unmittelbar um die Beeinflussung von Emotionen (wie Ängste oder Depressionen) geht, steht die Vermittlung von Emotionsregulationskompetenzen direkt im Fokus. Zu nennen sind in diesem Zusammenhang beispielsweise das Freunde für Kinder-Programm von Barrett, Webster und Turner (2003) oder das Programm Treating Trauma and Traumatic Grief (TF-CBT) von Cohen, Mannarino und Deblinger (2006), die sich an Kinder (und Jugendliche) mit Symptomen einer Posttraumatischen Belastungsstörung, Depression oder Angst richten.
Nicht zu allen Interventionsprogrammen liegen Hinweise auf empirische Überprüfungen ihrer Wirkungen in den jeweiligen Manualen oder in publizierten Studien vor. Bei denjenigen, zu denen es zugängliche Studien gibt, sind die empirischen Ergebnisse meist gemischt. Im Folgenden soll beispielhaft auf einige Evaluationsstudien eingegangen werden. So fand sich z. B. bei Mich und Dich verstehen als Ergebnis einer nicht randomisierten Evaluationsstudie, bei der 17 Schulklassen (N = 347) an der Intervention teilnahmen und weitere 6 Schulklassen (N = 126) die Kontrollgruppe ohne Intervention bildeten, Verbesserungen bei der Emotionswahrnehmung und im Umgang mit Stress und Angst, die auch noch in der Follow-up-Messung nach zwei Monaten erkennbar waren. Die erzielten Effektstärken lagen jedoch im kleinen Bereich. Die theoretisch ebenfalls erwartete Verbesserung des Sozialverhaltens konnte nicht nachgewiesen werden.
Das Verhaltenstraining für Grundschulkinder wurde mit einem nicht randomisierten Interventions-Kontrollgruppen-Design auf seine Wirksamkeit geprüft (von Marées & Petermann, 2009). Die Kontrollgruppe wurde vom Schulpsychologischen Dienst, die Interventionsgruppe über Pressemitteilungen und Interessenbekundung ausgewählt. Letztlich nahmen 85 Kinder aus drei Interventionsklassen (58 Kinder) und zwei Kontrollklassen (27 Kinder) teil. In die Auswertung gingen nur Kinder ein, die zu allen drei Messzeitpunkten vollständige Daten hatten. Es gab drei Messzeitpunkte (Prä-, Post- und 12-Monats-Nachuntersuchung). Die Studie ergab eine Zunahme sozialer Kompetenzen (mithilfe der Social Competence Scale erfasst), wohingegen sich keine statistisch signifikanten Veränderungen im sozial kompetenten Verhalten (erfasst mithilfe der Skala prosoziales Verhalten des Strengths and Difficulties Questionnaires, SDQ) zeigten. Auch verminderten sich die sozial-emotionalen Probleme (erfasst mit dem Gesamtproblemwert des SDQ) sowie die Bullying-/Viktimisierungsrate nicht statistisch signifikant. Alle Urteile basieren auf den Lehrkräften als Informanten. ...