A. Erste Stellung des Gedankens zur Objektivität
§ 26
Die erste Stellung ist das unbefangene Verfahren, welches, noch ohne das Bewußtsein des Gegensatzes des Denkens in und gegen sich, den Glauben enthält, daß durch das Nachdenken die Wahrheit erkannt, das, was die Objekte wahrhaft sind, vor das Bewußtsein gebracht werde. In diesem Glauben geht das Denken geradezu an die Gegenstände, reproduziert den Inhalt der Empfindungen und Anschauungen aus sich zu einem Inhalte des Gedankens und ist in solchem als der Wahrheit befriedigt. Alle anfängliche Philosophie, alle Wissenschaften, ja selbst das tägliche Tun und Treiben des Bewußtseins lebt in diesem Glauben.
§ 27
Dieses Denken kann wegen der Bewußtlosigkeit über seinen Gegensatz ebensowohl seinem Gehalte nach echtes spekulatives Philosophieren sein, als auch in endlichen Denkbestimmungen, d. i. in dem noch unaufgelösten Gegensatze verweilen. Hier in der Einleitung kann es nur das Interesse sein, diese Stellung des Denkens nach seiner Grenze zu betrachten und daher das letztere Philosophieren zunächst vorzunehmen. - Dieses in seiner bestimmtesten und uns am nächsten liegenden Ausbildung war die vormalige Metaphysik, wie sie vor der Kantischen Philosophie bei uns beschaffen war. Diese Metaphysik ist jedoch nur in Beziehung auf die Geschichte der Philosophie etwas Vormaliges, für sich ist sie überhaupt immer vorhanden, die bloße Verstandesansicht der Vernunftgegenstände. Die nähere Betrachtung ihrer Manier und ihres Hauptinhaltes hat daher zugleich dies nähere präsente Interesse.
§ 28
Diese Wissenschaft betrachtete die Denkbestimmungen als die Grundbestimmungen der Dinge; sie stand durch diese Voraussetzung, daß das, was ist, damit daß es gedacht wird, an sich erkannt werde, höher als das spätere kritische Philosophieren. Aber 1. wurden jene Bestimmungen in ihrer Abstraktion als für sich geltend und als fähig genommen, Prädikate des Wahren zu sein. Jene Metaphysik setzte überhaupt voraus, daß die Erkenntnis des Absoluten in der Weise geschehen könne, daß ihm Prädikate beigelegt werden, und untersuchte weder die Verstandesbestimmungen ihrem eigentümlichen Inhalte und Werte nach, noch auch diese Form, das Absolute durch Beilegung von Prädikaten zu bestimmen.
Solche Prädikate sind z.B. Dasein, wie in dem Satze »Gott hat Dasein«; Endlichkeit oder Unendlichkeit, in der Frage, ob die Welt endlich oder unendlich ist; einfach, zusammengesetzt, in dem Satze »die Seele ist einfach«; ferner »das Ding ist Eines, ein Ganzes«, usf. - Es wurde nicht untersucht, ob solche Prädikate an und für sich etwas Wahres seien, noch ob die Form des Urteils Form der Wahrheit sein könne.
§ 29
Dergleichen Prädikate sind für sich ein beschränkter Inhalt und zeigen sich schon als der Fülle der Vorstellung (von Gott, Natur, Geist usf.) nicht angemessen und sie keineswegs erschöpfend. Alsdann sind sie dadurch, daß sie Prädikate eines Subjekts seien, miteinander verbunden, durch ihren Inhalt aber verschieden, so daß sie gegeneinander von außen her aufgenommen werden.
Dem ersten Mangel suchten die Orientalen z.B. bei der Bestimmung Gottes durch die vielen Namen, die sie ihm beilegten, abzuhelfen; zugleich aber sollten der Namen unendlich viele sein.
§ 30
2. Ihre Gegenstände waren zwar Totalitäten, welche an und für sich der Vernunft, dem Denken des in sich konkreten Allgemeinen angehören, - Seele, Welt, Gott, aber die Metaphysik nahm sie aus der Vorstellung auf, legte sie als fertige gegebene Subjekte bei der Anwendung der Verstandesbestimmungen darauf zugrunde und hatte nur an jener Vorstellung den Maßstab, ob die Prädikate passend und genügend seien oder nicht.
§ 31
Die Vorstellungen von Seele, Welt, Gott scheinen zunächst dem Denken einen festen Halt zu gewähren. Außerdem aber, daß ihnen der Charakter besonderer Subjektivität beigemischt ist und sie hiernach eine sehr verschiedene Bedeutung haben können, so bedürfen sie es vielmehr, erst durch das Denken die feste Bestimmung zu erhalten. Dies drückt jeder Satz aus, als in welchem erst durch das Prädikat (d. i. in der Philosophie durch die Denkbestimmung) angegeben werden soll, was das Subjekt, d. i. die anfängliche Vorstellung sei.
In dem Satze »Gott ist ewig usf.« wird mit der Vorstellung »Gott« angefangen; aber was er ist, wird noch nicht gewußt, erst das Prädikat sagt aus, was er ist. Es ist deswegen im Logischen, wo der Inhalt ganz allein in der Form des Gedankens bestimmt wird, nicht nur überflüssig, diese Bestimmungen zu Prädikaten von Sätzen, deren Subjekt Gott oder das vagere Absolute wäre, zu machen, sondern es würde auch den Nachteil haben, an einen anderen Maßstab, als die Natur des Gedankens selbst ist, zu erinnern. - Ohnehin ist die Form des Satzes oder bestimmter des Urteils ungeschickt, das Konkrete - und das Wahre ist konkret - und Spekulative auszudrücken; das Urteil ist durch seine Form einseitig und insofern falsch.
§ 32
3. Diese Metaphysik wurde Dogmatismus, weil sie nach der Natur der endlichen Bestimmungen annehmen mußte, daß von zwei entgegengesetzten Behauptungen, dergleichen jene Sätze waren, die eine wahr, die andere aber falsch sein müsse.
§ 33
Den ersten Teil dieser Metaphysik in ihrer geordneten Gestalt machte die Ontologie aus - die Lehre von den abstrakten Bestimmungen des Wesens. Für diese in ihrer Mannigfaltigkeit und endlichem Gelten mangelt es an einem Prinzip; sie müssen darum empirisch und zufälligerweise aufgezählt, und ihr näherer Inhalt kann nur auf die Vorstellung, auf die Versicherung, daß man sich bei einem Worte gerade dies denke, etwa auch auf die Etymologie gegründet werden. Es kann dabei bloß um die mit dem Sprachgebrauch übereinstimmende Richtigkeit der Analyse und empirische Vollständigkeit, nicht um die Wahrheit und Notwendigkeit solcher Bestimmungen an und für sich zu tun sein.
Die Frage, ob Sein, Dasein, oder Endlichkeit, Einfachheit, Zusammensetzung usf. an und für sich wahre Begriffe seien, muß auffallend sein, wenn man meint, es könne bloß von der Wahrheit eines Satzes die Rede sein und nur gefragt werden, ob ein Begriff einem Subjekte mit Wahrheit beizulegen sei (wie man es nannte) oder nicht; die Unwahrheit hänge von dem Widerspruche ab, der sich zwischen dem Subjekte der Vorstellung und dem von demselben zu prädizierenden Begriffe fände. Allein der Begriff als Konkretes und selbst jede Bestimmtheit überhaupt ist wesentlich in sich selbst eine Einheit unterschiedener Bestimmungen. Wenn die Wahrheit also weiter nichts wäre als der Mangel des Widerspruchs, so müßte bei jedem Begriffe zuerst betrachtet werden, ob er nicht für sich einen solchen inneren Widerspruch enthalte.
§ 34
Der zweite Teil war die rationelle Psychologie oder Pneumatologie, welche die metaphysische Natur der Seele, nämlich des Geistes als eines Dinges betrifft.
Die Unsterblichkeit wurde in der Sphäre aufgesucht, wo Zusammensetzung, Zeit, qualitative Veränderung, quantitatives Zu- oder Abnehmen ihre Stelle haben.
§ 35
Der dritte Teil, die Kosmologie, handelte von der Welt, ihrer Zufälligkeit, Notwendigkeit, Ewigkeit, Begrenztsein in Raum und Zeit, den formellen Gesetzen in ihren Veränderungen, ferner von der Freiheit des Menschen und dem Ursprunge des Bösen.
Als absolute Gegensätze gelten hierbei vornehmlich: Zufälligkeit und Notwendigkeit; äußerliche und innerliche Notwendigkeit; wirkende und Endursachen, oder die Kausalität überhaupt und Zweck; Wesen oder Substanz und Erscheinung; Form und Materie; Freiheit und Notwendigkeit; Glückseligkeit und Schmerz; Gutes und Böses.
§ 36
Der vierte Teil, die natürliche oder rationelle Theologie, betrachtete den Begriff Gottes oder dessen Möglichkeit, die Beweise von seinem Dasein und seine Eigenschaften.
a) Bei dieser verständigen Betrachtung Gottes kommt es vornehmlich darauf an, welche Prädikate zu dem passen oder nicht passen, was wir uns unter Gott vorstellen. Der Gegensatz von Realität und Negation kommt hier als absolut vor; daher bleibt für den Begriff, wie ihn der Verstand nimmt, am Ende nur die leere Abstraktion des unbestimmten Wesens, der reinen Realität oder Positivität, das tote Produkt der modernen Aufklärung. b) Das Beweisen des endlichen Erkennens zeigt überhaupt die...