2 Theoretische Überlegungen zu Neugründungen (S. 8-9)
Eine erste Betrachtung der Gründungsforschung zeigt, dass diese im deutschsprachigen Raum tief verwurzelt ist. Insbesondere ist hier auf Karl Marx, Max Weber und Werner Sombart mit ihren Auffassungen über das Unternehmertum und den Kapitalismus zu ver weisen (Bögenhold 2002). Jedoch geht die Verwendung des Begriffs „Entrepreneur" bis ins 18. Jahrhundert auf Richard Cantillon zurück. Dieser sah in einem Entrepreneur einen Marktakteur, der Arbitragemöglichkeiten am Markt entdeckt und ausnutzt und dabei vor ausschauend agiert und bewusst Risiken in Kauf nimmt (Blaug 2000: 77 f.).
Mit diesem unbestimmten Begriff des Entrepreneurs, der sehr viele unterschiedliche Abgrenzungen in der Literatur aufweist, sind unter anderem Namen wie Knight, Schumpeter, von Mises oder Kirzner verbunden. Letzterer, der ebenso wie von Mises und Schumpeter der Ös terreichischen bzw. Neuen Österreichischen Schule zuzuordnen ist, versteht beispielsweise unter diesem Begriff einen Entdeckungsprozess, der eher intuitiv erklärt wird. Akteure am Markt, die im Gegensatz zur neoklassischen Auffassung nicht allwissend sind, reagieren auf bestimmte Marktprozesse. Verteuert sich zum Beispiel ein Rohstoff, so wird eine Ent wicklung angestoßen, die eine ressourcenschonendere Nutzung des Rohstoffs zur Folge hat.
Diejenigen Akteure, welche eine solche Innovation hervorbringen und in dem Produktions prozess implementieren, werden davon durch geringere Kosten der Produktion profitieren, hingegen welche auf die alten Strukturen setzen, werden Verluste oder Gewinneinbußen erleiden und auf lange Sicht vom Markt verschwinden. Zum anderen versteht Kirzner aber unter Entrepreneurship auch das Gewahrwerden von Chancen oder sich bietenden Gele genheiten, mit dem Ziel, daraus einen, wie auch immer definierten, Profit zu schlagen. Doch auch die oben beschriebene Innovation kann nicht ohne das Erkennen einer Chance möglich werden.
Dies bedeutet letztlich, dass diese beiden Sichtweisen direkt miteinander verbunden sind. Insofern unterscheiden sich die Ansichten von Cantillon und Kirzner nur unwesentlich voneinander. Generell wird der Begriff Entrepreneurship sehr weit ausgelegt. Letztlich ist jeder Markt akteur auch ein Entrepreneur, da er durch Entscheidungen am Markt Gelegenheiten er kennt und wahrnimmt. Die Intensität, mit der Individuen im Sinne eines Entrepreneurs tätig werden, variiert jedoch (Koppl und Minniti 2003: 82 ff.). In diesem Zusammen hang ist speziell auch Schumpeters Auffassung der „schöpferischen Zerstörung" zu nen nen, durch welche die einem marktlichen System innewohnenden Prozesse des Entstehens und Verschwindens von Unternehmen beschrieben werden.
Aus Sicht der Kunden und der Verbraucher hat die oben beschriebene Marktdynamik von ein- und austretenden Un ternehmen den Vorteil, dass dadurch eine Produktvielfalt geboten wird, die sonst nicht denk bar ist. Betrachtet man alternativ eine Situation, die von Statik geprägt ist, so ist es wahrscheinlich, dass bei den etablierten Unternehmen durch fehlenden Wettbewerbs druck Innovationen und Weiterentwicklungen in deutlich geringerem Maße stattfinden als es in einem dynamischen System der Fall wäre. Folglich würden in solch einem Markt Nischen existieren, die von Neugründungen besetzt werden können, um im Markt neue Produkte und Dienstleistungen anzubieten (Brüderl et al. 1996: 12).
Man kann damit die geläufige Auffassung eines Entrepreneurs als risikoliebendes oder zumindest risikoneutra les Individuum von der Schumpeter’schen Sicht eines Entrepreneurs als Innovator trennen (Audretsch 1995b: 103).8 Im Folgenden werden, beginnend mit den industrieökonomischen Ansätzen, unterschied liche Theorien erläutert, welche die Basis für die in Kapitel 3 hergeleiteten Hypothesen bilden. Diese Hypothesen beziehen sich auf die wesentlichen Determinanten, mit denen der Erfolg oder Misserfolg einer Neugründung erklärt werden kann. Dabei stellen im Rahmen der ökonometrischen Untersuchung das Überleben der Neugründung und das Wachstum der Beschäftigung im Beobachtungszeitraum von 1997 bis 2006 die Erfolgsindikatoren dar.