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E-Book

Erst denken, dann zahlen

Die Psychologie des Geldes und wie wir sie nutzen können

AutorClaudia Hammond
VerlagKlett-Cotta
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl432 Seiten
ISBN9783608108545
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Was das Geld mit uns macht, wie es uns unbewusst beeinflusst, lenkt und manipuliert, zeigt dieses bestens recherchierte und an Beispielen aus dem Alltag reiche Buch zur Psychologie des Geldes. Das eigene Bankkonto kann davon profitieren. Sie haben Ihre Finanzen im Griff? Über den Tisch ziehen lassen Sie sich nicht? Sicher? Claudia Hammond zeigt in ihrem ebenso kurzweiligen wie gut informierten Buch, wie irrational unser aller Verhältnis zum Geld ist. Zahlen wir mit Karte, bekommt der Ober mehr Trinkgeld. Weil wir sparsam sind, kaufen wir beim Discounter ein, akzeptieren bei großen Anschaffungen aber klaglos hohe Nebenkosten. Groß angelegte Untersuchungen aus Psychologie, Verhaltens- und Konsumentenforschung sowie Neurobiologie liefern reichlich Belege für unser Unvermögen, rational mit Geld umzugehen. Und das betrifft nicht nur Einkaufen, Bezahlen, Sparen, sondern prägt unser Verhältnis zum Geld in jeder Hinsicht. Das Buch verhilft zu mehr Wissen und Kompetenz in Geldfragen, klärt aber auch Grundsätzliches, wie: Wann macht Geld uns glücklicher und wann nicht? »Claudia Hammond ist die ideale Reiseleiterin auf dieser höchst vergnüglichen Tour durch die seltsame Welt der Psychologie des Geldes.« Oliver Burkeman

Claudia Hammond ist Psychologin und preisgekrönte Autorin, Rundfunk- und Fernsehmoderatorin sowie Dozentin an der Psychologischen Fakultät der Boston University in London. Sie ist die »psychologische Stimme« im englischen BBC Radio. Ihre beiden zuvor veröffentlichten Bücher waren unter den populärwissenschaftlichen Bestsellern Großbritanniens platziert.

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Leseprobe

Einführung


Am Abend des 23. August 1994 brannte auf der schottischen Hebriden-Insel Jura in einem abgelegenen Stall ein Feuer. Wäre man eingetreten, hätte man denken können, hier würde ein Zeitungsarchiv vernichtet. Dicke Bündel bedruckten Papiers standen in Flammen und ließen Rauch und Asche aufsteigen.

Als Besucher hätten Sie auch gesehen, dass die Art und Weise, in der das Papier Feuer fing, irgendwie merkwürdig war. Es dauerte ziemlich lange, bis es brannte, und dann züngelte es eher träge vor sich hin. Als Nächstes hätte man bemerkt, dass das Papier dicker war als bei der Zeitungsherstellung üblich – und dass die Blätter viel kleiner als die Seiten einer Zeitung waren. Dann wäre der Blick des Betrachters vielleicht auf ein abgerissenes Papierfetzchen gefallen, das in der heißen Luft tanzte. War darauf nicht das Diadem der Königin abgebildet? Und waren das nicht 50-Pfund-Scheine im Feuer? Und zwar nicht nur ein paar, sondern gleich Hunderte?

Tatsächlich war das, was Sie da an diesem Augustabend vor über 20 Jahren mitverfolgt hätten, die Verbrennung von einer Million Pfund. Einer Million Pfund in 50-Pfund-Scheinen. Es dauerte nur knapp über eine Stunde – 67 Minuten, um genau zu sein –, bis die Sache erledigt war. Eine starke Stunde, um den Traum eines jeden Lottospielers zu verbrennen.

Die beiden Männer, die für das Feuer verantwortlich waren, bildeten gemeinsam die Band KLF. Sie hatten das Geld Anfang der 1990er Jahre mit Dance-Tracks wie »Justified and Ancient« oder »3 a. m. Eternal« verdient. Der Musikindustrie überdrüssig geworden, hatten sie sich der Kunst zugewandt. Für sie stellte das Verbrennen von einer Million Pfund ein Stück Konzeptkunst dar. Ihre ursprüngliche Idee war gewesen, eine Skulptur aus Geldbündeln zu machen, die an einen hölzernen Rahmen genagelt waren. Aufgrund der dabei herrschenden Tabuverletzung wollte aber keine einzige Galerie das Werk ausstellen. So kamen die Herren Künstler auf eine andere Idee.

Das Geld sollte einfach verbrannt werden.

Die ganze Aktion wurde auf Video aufgenommen. Man kann sie sich auf Youtube ansehen. Die beiden Mitglieder von KLF sind – wie fast schon zu vermuten – schwarz angezogen. Zunächst ziehen sie die 50-Pfund-Scheine einzeln aus den Geldbündeln und werfen sie nacheinander ins Feuer, fast so, als würden sie mit Brotstückchen Enten füttern. Jimmy Cauty rollt jeden Schein, bevor er ihn den Flammen übergibt, Bill Drummond schleudert seine wie beim Frisbeewerfen hinein. Die Scheine brennen nur langsam. Manche fallen aus dem Feuer, sodass sie wieder eingesammelt und ein zweites Mal hineingeworfen werden müssen. Nach einer gewissen Zeit merken die beiden Mitglieder der K Foundation, wie sie sich mittlerweile nennen, dass sie in diesem Tempo wohl noch stundenlang beschäftigt sein würden. Deshalb geben sie Gas und werfen das Geld gleich stapelweise ins Feuer.

Trotz des Videobeweises wurde im Nachgang die Vermutung laut, die ganze Sache sei eine Fälschung gewesen. Würde jemand wirklich so viel echtes Geld verbrennen? Um alle Zweifel auszuräumen, ließ die K Foundation die Überreste des Feuers im Labor untersuchen. Hier wurde bestätigt, dass es sich bei der Asche um das verbrannte Endergebnis einer immensen Menge von Geldscheinen handelte.

Die Performance lief also ganz nach Plan, wobei die Bandmitglieder überhaupt nicht auf die Anfeindungen vorbereitet waren, die ihre Aktion auslöste. Die Leute hassten sie dafür und verstanden nicht, warum sie das Geld – so sie es nicht behalten wollten – nicht einfach für wohltätige Zwecke gespendet hatten? Man bezeichnete die beiden als egoistisch und dumm.

Nachdem das Geld in dem Video ein paar Minuten lang gebrannt hat, will jeder von uns wissen, warum Cauty und Drummond das gemacht haben. Okay, es war irgendwie Kunst, aber was sollte damit ausgedrückt werden?

Überraschenderweise haben die beiden Männer in den Interviews, die sie im Lauf der Jahre gegeben haben (und die man ebenfalls auf Youtube ansehen kann), Probleme damit, auf diese Frage eine Antwort zu finden. Sie wirken unlogisch, widersprüchlich und scheinen von dem Gesagten nicht einmal selbst überzeugt zu sein.

In der offiziellen Dokumentation gibt Jimmy Cauty zu, dass die Aktion vielleicht wirklich sinnlos war und ihr Kunstcharakter durchaus in Frage gestellt werden könne. »Man kommt irgendwann in einen Bereich, in dem es ziemlich dunkel ist.« Er sucht nach einer Erklärung und scheitert deutlich hörbar daran.

In einem Fernsehinterview sagt Bill Drummond: »Wir hätten das Geld schon gebrauchen können.« Cauty und er haben zusammengenommen sechs Kinder. Aber Drummond fuhr fort: »Nur wollten wir es lieber verbrennen.« Auf die Frage, was er empfunden habe, als er die Scheine ins Feuer warf, sagt er, er sei völlig betäubt gewesen – und habe die Sache nur durchziehen können, indem er auf eine Art Autopilot umschaltete. »Wenn du über jeden Schein oder jedes Bündel nachdenkst . . .«, und seine Stimme lässt ihn fast im Stich, so als ob er den Gedanken daran nicht ertragen könnte.1

Gleichzeitig besteht Drummond aber darauf, dass im Grunde nichts zerstört wurde. »Es gibt nur einen Stapel Papier weniger. Die Welt wurde um keinen einzigen Brotlaib oder Apfel gebracht.«2

Genau diese unbestreitbare Tatsache ist es, die den Kern der Sache ausmacht – und erklärt, warum sich so viele Menschen über die Aktion von Cauty und Drummond aufregten. Denn obwohl es stimmt, dass im Feuer keine Brotlaibe oder Äpfel vernichtet wurden, wurde etwas vernichtet. Nämlich die Möglichkeit von Brotlaiben und Äpfeln. Im Wert von einer Million Pfund. Lebensmittel, die von Menschen hätten verzehrt werden können.

Außerdem wurde die Möglichkeit vernichtet, Bäume zu pflanzen, an denen Äpfel wachsen konnten, oder eine Bäckerei aufzumachen, in der man Brot backen – und damit Arbeitsplätze schaffen konnte. Was dann im Lauf der Jahre zu vielen Millionen Pfund an Produktionswert hätte führen können.

Doch damit nicht genug. Jeder, der sich den Film mit dem brennenden Geld ansieht, denkt unwillkürlich darüber nach, was er mit dem Betrag wohl gemacht hätte. Ein neues Haus. Ein neues Auto. Schuldenfreiheit. Die Realisierung einer neuen Geschäftsidee. Die Unterstützung von Familie und Freunden. Eine Reise um die ganze Welt. Hilfe für Tausende Kinder in einem armen Land. Finanzierung eines Projekts zur Rettung des Regenwaldes.

Es wäre etwas völlig anderes gewesen, wenn Cauty und Drummond irgendeinen Gegenstand im Wert von einer Million Pfund verbrannt hätten. In dem Fall wäre ausschließlich diese spezielle Sache – ein Gemälde, eine Yacht, ein wertvoller Edelstein – vernichtet worden. Und nicht jeder hätte das, was zerstört wurde, tatsächlich auch für wertvoll gehalten.

Wäre das Geld in typischer Rockstar-Manier verplempert worden – durch Zertrümmerung von Hotelzimmern oder durch einen Konsum in Pulverform –, hätten die Leute vielleicht die Verschwendung und den Exzess beklagt, ein vergleichbarer Aufschrei wäre aber nicht zu hören gewesen. Und wenn Cauty und Drummond das Geld nur gehortet oder es vielversprechend angelegt beziehungsweise in Aktien investiert (und vielleicht sogar alles verloren) hätten, wäre das den meisten eher egal gewesen. Im Fall einer Spende der Gesamtsumme hätten sie sich hingegen Beifall eingehandelt.

Es geht hier nicht darum, dass zwei Männer zunächst eine Million Pfund besaßen und dann auf einmal nicht mehr. Sondern darum, dass aus dieser gewaltigen Summe nichts entstanden ist. Sämtliche diesem Geld innewohnenden Möglichkeiten – für sie, aber auch für uns – waren unwiederbringlich verloren.

Hierin liegt die außerordentliche Macht begründet, die Geld über unser Denken hat. Wir haben Papierfetzen, Metallstücke und Zahlen auf dem Bildschirm (für sich genommen alle komplett wertlos) mit dem Versprechen vieler für wertvoll gehaltener Dinge ausgestattet. Darüber hinaus lässt das Versprechen, und unser Vertrauen in das Versprechen, diese für wertvoll gehaltenen Dinge Gestalt annehmen. Wenn es in der Welt so etwas wie Magie gibt, dann hier. Etwas Abstraktes und Virtuelles, ein Erzeugnis unseres Geistes, hilft uns dabei, die Dinge zu erschaffen, die wir brauchen und uns wünschen.

Es ist diese Eigenschaft des Geldes, die Cautys und Drummonds Aktion zu einem derartigen Vergehen und Sakrileg gemacht hat – es handelt sich um ein Tabu. Sich am Geld zu vergreifen heißt nicht nur, an den Fundamenten unserer menschlichen Gesellschaft zu rütteln, sondern fast schon an...

Blick ins Buch

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