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Ethik

Vollständige Ausgabe

AutorBaruch de Spinoza
VerlagJazzybee Verlag
Erscheinungsjahr2012
Seitenanzahl279 Seiten
ISBN9783849636500
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis0,99 EUR
Die 'Ethik' gilt als Hauptwerk Spinozas und ist in fünf Bücher gegliedert, die sich unter anderem mit dem Wesen Gottes und des Geistes, Ursprung der Affekte und Abhängigkeit derselben von den Kräften befassen.

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Leseprobe

Anhang


 


Hiermit habe ich die Natur Gottes und seine Eigenschaften erläutert, nämlich, daß er notwendig da ist, daß er einzig ist, daß er gemäß der bloßen Notwendigkeit seiner Natur ist und handelt; daß und wie er die freie Ursache aller Dinge ist; daß alles in Gott ist und so von ihm abhängt, daß es ohne ihn weder sein noch begriffen werden kann, und endlich, daß alles von Gott vorher bestimmt war, nicht zwar aus Freiheit des Willens oder absolutem Gutdünken, aber aus der absoluten Natur oder der unendlichen Macht Gottes. Ferner habe ich überall, wo sich Gelegenheit dazu bot, die Vorurteile wegzuräumen gesucht, die der Auffassung meiner Beweise hinderlich sein konnten. Weil aber noch gar viele Vorurteile übrig sind, welche auch, ja vor allem verhindern könnten und können, daß man den Zusammenhang der Dinge in der Weise, wie ich ihn entwickelt habe, auffassen könne, hielt ich es für der Mühe wert, sie hier der Prüfung der Vernunft zu unterwerfen. Da aber alle Vorurteile, welche ich hier zu bezeichnen unternehme, von dem einen abhängen, daß nämlich die Menschen gemeiniglich voraussetzen, alle Dinge in der Natur handelten, wie sie selbst, um eines Zweckes willen, ja, daß sie als gewiß aufstellen, daß Gott selbst alles zu einem gewissen bestimmten Zwecke lenke (denn sie sagen, Gott habe alles des Menschen wegen gemacht, den Menschen aber, damit dieser ihn verehre), so will ich dies eine zuerst betrachten, indem ich nämlich zuerst die Ursache aufsuche, weshalb die meisten in diesem Vorurteile stecken, und alle von Natur so geneigt sind, es zu hegen. Sodann will ich die Unrichtigkeit desselben nachweisen und schließlich zeigen, wie hieraus die Vorurteile von gut und böse, Verdienst und Sünde, Lob und Tadel, Ordnung und Verwirrung, Schönheit und Häßlichkeit und dergleichen entstanden sind. Dieses jedoch aus der Natur des menschlichen Geistes abzuleiten, dazu ist hier nicht der Ort. Es wird hier genügen, wenn ich als Grundsatz das annehme, was alle zugeben müssen, nämlich dies, daß alle Menschen der Ursachen der Dinge unkundig geboren werden und daß alle das Bestreben haben, das für sie Nützliche zu suchen, dessen sie sich bewußt sind. Hieraus folgt erstens, daß die Menschen sich für frei halten, weil sie sich ihres Wollens und ihres Strebens bewußt sind und an die Ursachen, von welchen sie dazu veranlaßt werden, etwas zu begehren und zu wollen, da sie ihrer unkundig sind, nicht im Traume denken. Es folgt zweitens, daß die Menschen alles um eines Zweckes willen tun, nämlich wegen des Nützlichen, das sie begehren. Daher kommt es, daß sie immer nur die Zweckursachen der geschehenen Dinge zu wissen begehren, und wenn sie sie gehört, zufrieden sind, weil sie nämlich keine Ursache haben, noch in Ungewißheit zu sein. Können sie diese aber von keinem anderen erfahren, so bleibt ihnen nichts übrig, als sich an sich selbst zu wenden und über die Zwecke, von welchen sie selbst zu dergleichen bestimmt zu werden pflegen, nachzusinnen, und so beurteilen sie notwendig die Sinnesweise eines anderen nach ihrer eigenen Sinnesweise. Ferner, da sie in sich und außer sich allerlei Mittel finden, die sehr viel zur Erreichung ihres Nutzens beitragen, wie z. B. die Augen zum Sehen, die Zähne zum Kauen, Pflanzen und Tiere zur Nahrung, die Sonne zum Leuchten, das Meer Fische zu ernähren usw., so kommt es daher, daß sie alles in der Natur als Mittel zu ihrem Nutzen betrachten; und weil sie wissen, daß jene Mittel von ihnen aufgefunden, nicht aber hergestellt sind, so war dies die Ursache zu dem Glauben, irgendein anderer sei es, der jene Mittel zu ihrem Nutzen hergerichtet habe. Denn nachdem sie einmal die Dinge als Mittel betrachteten, konnten sie nicht glauben, daß diese sich selbst gemacht hätten, sondern sie mußten aus den Mitteln, welche sie sich zu bereiten pflegen, schließen, daß es einen oder einige mit menschlicher Freiheit begabte Lenker der Natur gäbe, die alles für sie besorgt, und alles zu ihrem Nutzen gemacht hätten. Auch die Sinnesweise dieser mußten sie, da sie nie etwas darüber gehört hatten, nach der ihrigen beurteilen, und deshalb nahmen sie an, die Götter lenkten alles zum Nutzen der Menschen, um die Menschen sich zu verbinden und auf das höchste von ihnen geehrt zu werden. Daher kam es, daß jeder nach seiner Sinnesweise verschiedene Arten, Gott zu verehren, sich ausdachte, damit Gott ihn mehr als die übrigen liebte, und die ganze Natur zur Befriedigung seiner blinden Begierde und unersättlichen Habsucht lenkte. Und so verwandelte sich dieses Vorurteil in Aberglauben und trieb tiefe Wurzeln in den Gemütern; und dies war der Grund, weshalb jeder mit größter Anstrengung die Zweckursachen aller Dinge zu erkennen und zu erklären suchte. Aber während sie zu zeigen suchten, daß die Natur nichts vergebens (d. h. nichts, was nicht zum Nutzen der Menschen diene) tue, haben sie, wie es scheint, nichts anderes gezeigt, als daß die Natur und die Götter ebenso wahnwitzig sind, wie die Menschen. Man sehe nur, wohin das schließlich hinauslief! Unter so vielem Nützlichen in der Natur mußten sie nicht wenig Schädliches finden, nämlich Stürme, Erdbeben, Krankheiten usw.; diese, meinten sie, kämen daher, weil die Götter über die von den Menschen ihnen zugefügten Beleidigungen oder über Vergehen bei ihrer Verehrung erzürnt wären, und obgleich die Erfahrung sich täglich dagegen auflehnte und durch unzählige Beispiele zeigte, daß Nützliches und Schädliches den Frommen wie den Gottlosen auf gleiche Weise begegne, ließen sie doch nicht von dem eingerosteten Vorurteile ab. Denn es war für sie leichter, dies unter anderes Unbekannte, dessen Nutzen sie nicht kannten, zu rechnen, und so ihren gegenwärtigen und angeborenen Zustand der Unwissenheit zu behaupten, als jenes ganze Gebäude umzustoßen und ein neues auszusinnen; deshalb nahmen sie als gewiß an, daß die Urteile der Götter die menschliche Fassungskraft weit überstiegen, was allein schon hätte verursachen können, daß die Wahrheit dem Menschengeschlechte in Ewigkeit verborgen bliebe, wenn nicht die Mathematik, in der es sich nicht um Zwecke, sondern nur um die Wesen und Eigenschaften der Figuren handelt, den Menschen eine andere Richtschnur der Wahrheit gezeigt hätte. Außer der Mathematik können noch andere Ursachen bezeichnet werden (deren Aufzählung hier überflüssig ist), welche die Menschen auf diese gemeinen Vorurteile aufmerksam machen, und sie zur richtigen Erkenntnis der Dinge führen konnten.

 

Hiermit habe ich den ersten Punkt dessen, was ich zu zeigen versprochen, hinlänglich erläutert. Um nun aber zu zeigen, daß die Natur sich keinen Zweck vorgesetzt hat, und daß alle Zweckursachen nichts als menschliche Erdichtungen sind, bedarf es nicht viel; denn ich glaube, dieses ergibt sich schon hinlänglich aus den Gründen und Ursachen, aus welchen ich den Ursprung dieses Vorurteiles aufgezeigt habe, so wie auch aus Lehrsatz 16 und dem Folgesatz zu Lehrsatz 32 und außerdem aus allen denen, wodurch ich gezeigt habe, daß alles in der Natur nach einer gewissen ewigen Notwendigkeit und höchsten Vollkommenheit vor sich gehe. Nur dies will ich noch hinzusetzen, daß nämlich diese Lehre vom Zweck die Natur gänzlich umkehrt. Denn das, was eigentlich Ursache ist, betrachtet sie als Wirkung und umgekehrt; ferner macht sie das, was von Natur früher ist, zum Späteren; und endlich macht sie das, was das Höchste und Vollkommenste ist, zum Unvollkommensten. Denn (mit Übergehung der beiden ersten, weil sie an sich klar sind), aus den Lehrsätzen 21, 22 und 23 erhellt, daß diejenige Wirkung die vollkommenste ist, welche von Gott unmittelbar hervorgebracht wird, und daß etwas um so unvollkommener ist, je mehr vermittelnder Ursachen es bedarf, um hervorgebracht zu werden. Wenn aber die Dinge, welche unmittelbar von Gott hervorgebracht sind, deshalb gemacht wären, damit Gott seinen Zweck erreichte, dann wären notwendig die letzten, um derentwillen die ersteren gemacht sind, die vortrefflichsten von allen. Ferner hebt diese Lehre die Vollkommenheit Gottes auf; denn, wenn Gott um eines Zweckes willen handelt, begehrt er notwendig etwas, das ihm fehlt. Obgleich nun die Theologen und Metaphysiker zwischen Zweck des Bedürfnisses und Zweck der Assimilation unterscheiden, so räumen sie doch ein, daß Gott alles seinethalben, nicht aber wegen der zu schaffenden Dinge getan habe, weil sie vor der Schöpfung außer Gott nichts angeben können, wegen dessen Gott handeln sollte, also müssen sie notwendig zugeben, daß Gott das, um derentwillen er die Mittel bereiten wollte, entbehrt hat, und es begehrt, wie an sich klar ist. Hierbei ist nicht zu vergessen, daß die Anhänger dieser Lehre, welche in der Zweckbestimmung der Dinge ihren Scharfsinn zur Schau tragen wollten, eine neue Art der Beweisführung aufgebracht haben, um diese ihre Lehre zu stützen, indem sie sich nämlich nicht auf die Unmöglichkeit, sondern auf die Unwissenheit berufen; dies zeigt, daß es kein anderes Mittel gegeben hat, diese Lehre zu beweisen. Denn, wenn z. B. ein Ziegel von einem Dache jemanden auf den Kopf fällt und ihn tötet, sie werden sie auf diese Art beweisen, daß der Ziegel gefallen sei, um den Menschen zu töten. Denn, wenn er nicht nach dem Willen Gottes zu diesem Zwecke gefallen wäre, wie konnten so viele Umstände (denn oft treffen viele zusammen) durch Zufall zusammenkommen? Antwortet man etwa, es kam daher, weil der Wind wehte und weil der Mensch eben dort vorbeiging, so fragen sie dann wieder, warum wehte der Wind damals? Warum ging der Mensch gerade damals dort? Wenn man hierauf wieder antwortet, der Wind entstand damals, weil das Meer am vorigen Tage bei noch ruhigem Wetter...

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