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Event-Marketing in der Politik

Medieninszenierungen in Deutschland, Frankreich und der Schweiz

AutorMarkus Kuhn
VerlagVS Verlag für Sozialwissenschaften (GWV)
Erscheinungsjahr2009
Seitenanzahl543 Seiten
ISBN9783531918747
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Event - ein Modewort erobert und durchdringt unsere Alltagssprache. Dabei macht es nicht Halt vor dem politischen System, in das es längst Eingang gef- den hat. Die Event-Gesellschaft ist geprägt durch heterogenes Freizeitverhalten - Spaß und Unterhaltung haben in ihr jedoch eine dominante Stellung erreicht. Als Antwort auf dieses Zeitgeist-Phänomen versucht das politische System sein- seits Events als adäquates Kommunikationsmittel zu etablieren. Am offensichtlichsten gelingt dies in Vorwahlperioden, in denen die Kommunikation mit dem Wähler intensiv gestaltet wird. Deshalb konzentriert sich die vorliegende Arbeit bei der Untersuchung des Event-Phänomens auf den Teilbereich der politischen Kommunikation, der durch ausgeprägte Konfliktlinien geprägt ist, was mit dem Kampf um Aufmerksamkeit, Wählerstimmen und Prestige zusammen hängt. Die Untersuchung leistet damit eine Pionierarbeit, um das intransparente Agglomerat der mit dieser Bezei- nung hantierenden Akteure wie Politiker, Medienvertreter, PR-Berater und auch Wissenschaftler, auf eine präzise Grundlage zu stellen und wissenschaftlich klare Analysen zu ermöglichen. Denn kennzeichnend für den Umgang mit diesem Phänomen ist ein unr- lektierter und Verwirrung stiftender Bezugsrahmen, der kaum dazu angetan ist, den Begriff 'Event-Marketing' im wissenschaftlichen Kontext wirklich fruchtbar machen zu können. Ein derart schillernder Begriff speist seine aktuellen Konnotationen aus gänzlich unterschiedlichen Quellen. In einem umfangreichen theoretischen Teil werden der Komplexität und Tragweite des Themas entsprechend interdisziplinä- 6 Geleitwort re Analysestränge diese Problematik aufgreifen. Deswegen kommen neben der politikwissenschaftlichen Perspektive auch linguistische, soziologische und - triebswirtschaftliche Elemente zum Tragen und werden zur theoretischen V- dichtung herangezogen.

Markus Kuhn promovierte bei Prof. Dr. Ingeborg Villinger am Lehrstuhl für Vergleichende Regierungslehre der Universität Freiburg im Breisgau. Er ist als Forscher und Ausbilder im Bereich bilinguales Lehren und Lernen an der Universität Straßburg und der PH Karlsruhe tätig.

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Leseprobe
1. Einführender Teil (S. 23)

1.1 Einleitung

Spaß-, Erlebnis- und Inszenierungsgesellschaft sind Termini, die den Sprachgebrauch des modernen freizeitorientierten Individuums dominieren. Es scheint so, als würde kein Extrem mehr bei der Suche nach Selbstverwirklichung einerseits und nach Kollektivvergnügen andererseits als zu gewagt empfunden.

Vergnügen und Spaß avancieren zum Eigenwert einer Gesellschaft, in der das Streben nach dem „Kick“, nach dem speziellen Erlebnis, zunehmend und bestimmend zum Leitmotiv zu werden scheint. Der traditionelle Wunsch nach einem „guten“ Leben wird mehr und mehr durch die Ausrichtung nach einem erlebnisreichen Leben ersetzt. Fun und Event sind Modewörter und Verhaltensmuster,die das Leben in der westlichen Welt immer mehr und mehr prägen. Dabei kann sich auch die Politik diesem Trend nicht verschließen.

Sie versucht, sich den Lebensbedingungen wie den Lebenseinstellungen der Gesellschaft anzupassen6 und übernimmt folgerichtig für sich gegenwärtige Verhaltensmuster großer Bevölkerungsteile, die als „in“ gelten und in denen zusätzlich ein beachtliches Stimmenpotential steckt. Ein Bundeskanzler als Gast in der größten Unterhaltungsshow Europas (Wetten, dass..?), ein Kanzlerkandidat im Container bei „Big Brother“ oder unterhaltsam aufbereitete TV-Duelle der um die Macht buhlenden Gegner sind nur die spektakulärsten Zeugnisse für eine Anpassung politischer Akteure an den medialen und Spaß einfordernden Zeitgeist.

Das kennzeichnende Modewort dieser Epoche ist Event, das heute eine rasante Karriere macht. Selten hat ein Begriff in einer ausgesprochen so kurzen Zeitspanne eine derart hohe Durchdringungsrate in der Gesellschaft erzielt, in der es gleichzeitig auch zu deren Markenzeichen geworden ist. Dabei wird dieser Begriff missdeutlich und mehrdeutig verwendet.

Derartige Events werden durch die Praxis der Werbungs- und Veranstaltungsbranche sowie durch den Einzelnen definiert, wissenschaftliche Betrachtungen dieses Phänomens hinken den rasanten Entwicklungssprüngen zumeist hoffnungslos hinterher.

Dies bleibt auch nicht ohne Konsequenzen fürs Politische, das sich qualvoll bemüht, dem (putativen) Mainstream gerecht zu werden. Um die Bedürfnisse des „citoyen infotainé“ zu befriedigen, spielen politische Akteure auf einer breit gefächerten Klaviatur unterschiedlichster Strategien, denen jedoch allen eins gemeinsam ist: Spaß und Vergnügen durch Inszenierung und Symbolik, die beste Unterhaltung garantieren sollen. Überpointiert gesagt, verbindet die Öffentlichkeit alles und jeden mit Events und ihren implizierten Unterhaltungsgehalten und erst ganz zuletzt – wenn überhaupt – mit politischen Inhalten und ihren Vermittlern.

Die Werbewirtschaft lässt bisweilen sogar jegliche Distanz zum politischen System und zum stilvollen Werben vermissen, wie aktuelle Fernsehspots eindrucksvoll belegen. Die Diskreditierung politischer Akteure und deren Botschaften als vertrauensunwürdige und lächerliche Darsteller spielt klar mit der scheinbar vorherrschenden Verdrossenheit vieler Bürger. Ebenso eindeutig ist, dass durch derartige Werbe(„Botschaften“) keine Änderung in der Stimmungslage herbeigeführt wird, sondern eher einer nicht zu unterschätzenden fortschreitenden Erosion Vorschub geleistet wird.

Die Politik versucht, mit einer Gegenreaktion zu kontern und sich genau dieser Mechanismen zu bedienen, die im nicht-politischen Bereich erfolgreich funktionieren. Das Mittel erster Wahl, um Politik als spaßig und „eventfull“ zu inszenieren, sind dabei die Massenmedien, die das angebotene Politainment „verkaufen“ sollen. Sie dienen somit nicht nur als klassische Politikvermittlungsvehikel, sondern fungieren auch als Überbringer von frohen Botschaften oder von Bildern sympathischer Personen. Aktuelle Politik ist anfällig und zugleich geradezu angewiesen auf die Inszenierungen ihrer Akteure. Nur eine rationale Grenzziehung zu finden, erscheint dabei als die Kunst der medialen Verführung.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhaltsverzeichnis10
Tabellenverzeichnis15
Abbildungsverzeichnis18
Abkürzungsverzeichnis19
1. Einführender Teil21
1.1 Einleitung21
1.2 Politikwissenschaftliche Relevanz24
1.3 Forschungsleitende Fragen34
1.4 Themenkomplex und Aufbau der Arbeit37
2. Theoretischer Teil39
2.1 Linguistische und fremddisziplinäre Herleitung39
2.2 Tauglichkeitsanalyse und Transfer auf das politische Kommunikationssystem75
2.3 Begriffsabgrenzungen und Bezug zum Event-Marketing279
2.4 Gesellschaftliche Rahmenbedingungen324
3. Empirischer Teil343
3.1 Hypothesenbildung343
3.2 Die Printmediensysteme346
3.3 Untersuchungsländer367
3.4 Untersuchte Medien368
3.5 Medienökonomische Parameter der Untersuchungsobjekte369
3.6 Untersuchungsperioden373
3.7 Qualitative Parameter: Sprache und Politik374
3.8 Methodologisches Vorgehen382
4. Rückblick und Ausblick485
5. Literaturverzeichnis491
6. Anhang534
6.1 Befragte Experten, die mit der Angabe ihres Namens einverstanden waren534
6.2 Interviewbogen Deutschland/ Schweiz (vereinfachte Darstellung)535
6.3 Interviewbogen Frankreich (vereinfachte Darstellung)538

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