1 Der Zauber: Metaphern und Geschichten in Therapie und Ausbildung
Die Metapher ist Bestandteil von Gedanken, von Sprache und alltäglichen Handlungen. Durch ihren Gebrauch entwickelt sich ihr Vokabular. Wir denken, sprechen und handeln in Metaphern, wobei wir einem konzeptionellen System metaphorischer Eigenheiten folgen. Metaphern werden in verschiedenen Bereichen angewendet, nicht nur im therapeutischen, sondern auch im didaktischen: Ausbilder, die beabsichtigen, Konzepte auf kreative Weise zu verändern, reichern ihr Instrumentarium durch ein breites Repertoire an Metaphern an, die den Verstand und das Unbewusste des Zuhörers ansprechen. Aber was ist eine Metapher – was sind die verschiedenen Bedeutungen dieses Begriffs?
In der Rhetorik wird die Metapher als ein gekürztes Gleichnis gesehen, in dem man ein Wort anstelle eines anderen verwendet, um ihm damit eine weitere Bedeutung zu geben. Sie wird als erste Matrix eines jeden Diskurses angesehen, weil sie es erlaubt, durch andere Kombinationen der Sätze und Wörter neue Darstellungen der Ausgangsposition zu schaffen, die das Typische und das Ähnliche verbinden. Die Metapher ist wie Hefe, die den Horizont des Diskurses erweitert und die Handlungsfäden verdichtet. Sie füllt die Lücken mit ihrer nur andeutenden Sprache und der Dürftigkeit ihres Vokabulars aus. Sie bereichert den semantischen Raum um das etwas ungewöhnliche Vergnügen, das Paradox zu bestätigen, dass eine Sache das ist, was sie nicht ist: Zwei Dinge können gleichzeitig verschieden und gleich sein.
Die Metapher fügt Wort und Bild zusammen zu einer dritten Dimension, die einer ähnlichen Logik folgt. Sie drückt eine imaginative Rationalität aus, die zwei Arten der Erkenntnis stimuliert. Die eine ist durch Logik und Rationalität charakterisiert, die andere durch Imagination und Kreativität. Beide fügen sich zu einer dritten zusammen, die ein metaphorisches Wissen anbietet. Metaphern sind in der Umgangssprache weit verbreitet und werden als Ursprung von Kreativität geschätzt – zur Öffnung und Erweiterung der Sprache und als wichtigstes Mittel, um Sprache zu verändern, und deswegen als essenzieller Aspekt des Wissens. Neue Metaphern schaffen neue Bedeutungen, die nicht in buchstäblichen Begrifflichkeiten ausgedrückt werden können.
Das Wort Metapher kommt von dem griechischen Wort meta, das »über« bedeutet, und phorein, das transportieren oder »von einem Ort zum anderen bringen« bedeutet. Die Metapher weist über die Worte hinaus, transportiert die Bedeutung von einem semantischen Bereich in einen anderen. Sie will ihren lexikalischen Mangel ausgleichen, indem sie den Anwendungsbereich mittels einer Verschiebung von einer universalen, denotativen in die konnotative, subjektive Bedeutung der Worte ausweitet.
Die Metapher stimuliert also eine aktive Neuorientierung des Denkens, eine originale Art, sich der eigenen Realität mit unterschiedlichen Sinnen zu stellen. Sie verrät ganz unverhofft den Reichtum der Bezugspunkte, die in der Welt der Worte enthalten sind, und kondensiert gleichzeitig die Variabilität der möglichen Relationen, die die Grundlage jedes Konzepts sind. Diese Relationen folgen selten linear den Gesetzen der Kausalität, sondern bewegen sich eher kreisförmig.
Die Funktion der Metapher besteht darin, mithilfe der Konkretisierung ihrer Bedeutungen neue Realitäten hervorzubringen. Sie zerstört den Bedeutungszusammenhang und lässt einen anderen entstehen, kreiert neue Wirklichkeiten und neue Erfahrungen, die auf eine andere Weise nicht zu beschreiben wären. Sie bietet sich also als Instrument der Erneuerung an, weil sie eine Sache bestätigt und sie gleichzeitig negiert. Sie drückt bestimmte Konzepte aus und verneint sie auf der logischen Ebene. Mit Kategorien, die sich nicht auf Logik, sondern auf Imagination stützen, beschreibt und interpretiert sie die Realität neu, regt die Lust zur Interpretation an und stimuliert beim Zuhörer die Suche nach Sinn oder Zuständigkeit.
Die Metapher will nicht die Wahrheit vortragen, sondern das Denken stimulieren, sie will Gefühle und Emotionen hervorbringen – dank der gleichzeitigen Präsenz von Logik und Imagination. Sie ist eine Form der Meditation, die Interaktion von zwei Begriffen, eine Grenzerscheinung, gekennzeichnet durch die Spannung zwischen Logik und Gefühl, zwischen Wahrheit und Emotion. Eine Spannung, die weder zu schwach sein darf, weil sie dann banal erscheint, noch zu stark, weil sie dann unglaubwürdig wird.
Die Metapher kann wie der Traum eine Identität transportieren und die Welt der Magie und der Märchen heraufbeschwören. Sie fordert dazu heraus, sich auf sie einzulassen, und eröffnet die Möglichkeit, sie zu vermischen und weiterzuverbreiten. Sie kann aber auch wie die rationale Sprache eine Ähnlichkeit aufzeigen und die Kombinationsfähigkeit des divergierenden Denkens als problem solving herausfordern. Die Metapher regt zur Lösung eines Problems an, weil sie den Verstand dazu anregt, die verschiedenen Ebenen – kognitive und emotionale, rationale und intuitive – zu verbinden. Sie lädt dazu ein, die relevantesten Bedeutungen zu erfassen und neue Assoziationen zu entwickeln.
1.1 Die Metapher in der Therapie
Im therapeutischen Bereich versteht man unter einer Metapher sowohl einen Begriff, der vom Klienten präsentiert und dann vom Therapeuten weiterentwickelt wird, als auch eine Geschichte, die sich der Prinzipien der rhetorischen Metapher bedient. Sie ist aber kein gekürztes Gleichnis, sondern im Gegenteil eine erweiterte und vertiefte Analogie – in Form einer Erzählung –, die bestimmten Regeln folgt. Die therapeutische Metapher ist eine eigens für einen bestimmten Adressaten konstruierte Geschichte, die sie oder ihn zum Nachdenken anregt. Die Geschichte kann mit der Absicht kreiert werden, Zweifel an negativen Überzeugungen zu schüren, entwicklungsfördernde Emotionen hervorzubringen, den Betroffenen zu motivieren, neue Beziehungsschemata zu entwickeln, innere psychische oder beziehungsrelevante Konflikte zu reduzieren oder Lösungen für Probleme am Arbeitsplatz zu finden. Sie lädt zum Nachdenken darüber ein, was die Geschichte über die betreffende Person und ihre aktuellen Probleme enthält.
Im therapeutischen Bereich benutzt man den Begriff Metapher auch als Synekdoche der rhetorischen Aktion. In der Rhetorik versteht man unter Metapher ein gekürztes Gleichnis, wie zum Beispiel »Mario ist ein Löwe«, und unter Synekdoche die Beziehung zwischen einer größeren und einer kleineren Dimension. Der Teil steht für das Ganze, das Ganze steht für den Teil, die Art für die Gattung, die Gattung für die Art, das Einzelne für die Gesamtheit, die Gesamtheit für das Einzelne.
Die therapeutische Metapher verstärkt und belebt die gleichen Regeln wie die rhetorische Metapher: Sie schafft einen impliziten Vergleich, der auf einer Ersetzung basiert, die sich über den Unterschied des Subjekts, Tenor genannt, und dem Prädikat, Vehikel genannt, definiert. Diese Ersetzung macht eine logische Anomalie deutlich, die bestimmte Regeln zur Auswahl von Begriffen und Zusammenhängen verletzt und auf diese Weise einen Verfremdungseffekt provoziert. Der Satz »Die Wolke weint« ist z. B. in der Auswahl des Verbs »weinen« im Zusammenhang mit der Wolke irritierend. Der Satz »Die Mumie lacht« überrascht, weil die Mumie in Zusammenhang mit einer erstarrten Person gebracht wird, erkaltet und eingesperrt in einen Sarkophag – also in einen anderen Zusammenhang als den, der durch das Verb lachen kreiert wird.
Mit der Geschichte »Das Leben ist ein Glücksspiel« wird bewusst die Vorstellung über den Haufen geworfen, die das Leben als Ausdruck des Willens oder der Determination eines Subjekts sieht – es wird also die Annahme konterkariert, dass jeder sein eigenes Schicksal schmiedet. Die Metapher schreibt dem Subjekt (Tenor) Implikationen zu, die normalerweise mit dem Prädikat (Vehikel) verknüpft werden. Auf diese Weise provoziert sie eine neue Sichtweise auf das, worüber sie spricht, und dessen verschiedene Bedeutungsebenen. Dabei unterstreicht sie den Akt des Auswählens und die Organisation vom System der Allgemeinplätze, die derjenige in Kraft setzt, der diese Metapher gebraucht.
Die Metapher ist auch eine Transformation, die auf den bestehenden Ähnlichkeiten in der physischen Welt basiert, auf strukturellen, semantischen und transformierenden Isomorphismen, die durch die Wahrnehmung erfasst werden, wie z. B. bei dem Klassiker »nomen est omen«.
Im therapeutischen Bereich versteht man unter Metapher deshalb eine Geschichte, die nach einer bestimmten Strategie für den Klienten vorbereitet wird – mit dem Ziel, in ihr oder ihm persönliche, beziehungs- oder berufsbezogene Veränderungen zu fördern. Eine Geschichte, die eine Regression im Dienste des Ichs erleichtert, die den Betroffenen motiviert, seine ruhenden Ressourcen zu aktivieren und Blockierungen und Limitationen, die nicht mehr nötig sind, hinter sich zu lassen. Für diese Aufgabe kann sich ein Therapeut der Geschichten aus der Literatur bedienen: von klassischen Märchen bis zu Parabeln, von Zen-Geschichten bis zu Sufi-Erzählungen und biblischen Gleichnissen. Oder er lernt es, sie ad hoc zu bauen – im Bewusstsein, dass die Metapher einem erlaubt, indirekte therapeutische Botschaften zu senden, die direkt an das konstruktive Unbewusste des Klienten gerichtet sind, besonders dann, wenn sein Bewusstsein auf verschiedenen Ebenen Blockaden und Widerstand zeigt.
Wer eine Metapher ersinnt, fügt strategische Botschaften in die Geschichte ein, die nicht in eine kognitive Dissonanz mit den Überzeugungen...