Was Geld ist
Es ist vielleicht kein Teil der volkswirtschaftlichen Disziplin so sehr mit der Gesamtheit der Volkswirtschaftslehre verwachsen wie die Lehre vom Geld.
Karl Helfferich (1872–1924)
Geld ist das allgemeine, universell akzeptierte Tauschmittel. Ohne Geld wäre eine moderne, arbeitsteilige Volkswirtschaft nicht möglich. Geld hat eine und nur eine Funktion: die Tauschmittelfunktion. Entgegen der weit verbreiteten Meinung macht ein Ausweiten der Geldmenge eine Volkswirtschaft nicht reicher, sondern bewirkt lediglich eine Umverteilung von Einkommen und Vermögen. Auch muss die Geldmenge nicht notwendigerweise im Zeitablauf zunehmen, damit die Volkswirtschaft wachsen kann.
Die Funktion(en) des Geldes
Die moderne, entwickelte Geldwirtschaft zeichnet sich dadurch aus, dass Güter und Dienstleistungen durch Verwendung von Geld ge- und verkauft werden. Geld dient als allgemein akzeptiertes Tauschmittel. Die Tauschmittelfunktion ist dabei die einzige Funktion, die Geld ausübt. Das ist eine sehr wichtige Erkenntnis, vor allem deshalb, weil dem Geld üblicherweise noch weitere Funktionen zugeschrieben werden: die Recheneinheits- und die Wertaufbewahrungsfunktion.
Doch bei genauer Überlegung zeigt sich, dass die Recheneinheits- und die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes nicht eigenständige Funktionen, sondern lediglich Unterfunktionen der Tauschmittelfunktion des Geldes sind. Darauf wies der wohl bedeutendste Ökonom und Gesellschaftsphilosoph des 20. Jahrhunderts und herausragende Vertreter der Österreichischen Schule der Volkswirtschaftslehre, Ludwig von Mises (1881–1973), bereits ausdrücklich in seiner Theorie des Geldes und der Umlaufsmittel (1912) hin.
Die Tauschmittelfunktion ist die unmittelbar ersichtliche Funktion des Geldes: Eine Ware wird zunächst gegen Geld getauscht, und dieses Geld wird dann gegen die letztlich gewünschte Ware eingetauscht. Mit der Verwendung von Geld zum Tauschen erweitern sich die Tauschmöglichkeiten für die Menschen ganz erheblich gegenüber den Möglichkeiten, die eine Naturaltauschwirtschaft bietet, also eine Volkswirtschaft, in der nur Endgüter gegen Endgüter getauscht werden. Geld ist so gesehen ein wahrer produktiver Segen.
Die Recheneinheitsfunktion bedeutet, dass die Güterpreise in Form eines Gutes, nämlich des Geldes, ausgedrückt werden. Kostet beispielsweise ein Apfel einen Euro und eine Birne zwei Euro, so bedeutet das, dass zwei Äpfel im Tausch gegen eine Birne aufzuwenden sind; dass sich eine halbe Birne gegen einen Apfel eintauschen lässt. Das Rechnen in Geldpreisen macht das Tauschen einfacher: Es vermindert die Anzahl der Tauschrelationen zwischen den Gütern, die man kennen muss, um richtige Entscheidungen treffen zu können. Die Kosten des Handelns nehmen ab.
Mit der Wertaufbewahrungsfunktion ist gemeint, dass Geld über einen gewissen Zeitraum hinweg Kaufkraft speichern kann. Die Wertaufbewahrung erlaubt dem Geldhalter, seinen Wünschen entsprechend das Einkommen über die Zeit zu verteilen. Die Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes steht damit gewissermaßen für die Tauschfreiheit im Zeitablauf. Das gilt natürlich nur dann, wenn Geld seine Zahlungsmittelfunktion im Zeitablauf nicht (vollständig) einbüßt.
Die Recheneinheits- und Wertaufbewahrungsfunktion des Geldes sind, wie gesagt, keine eigenständigen Funktionen des Geldes. Sie sind lediglich Ausdruck seiner Tauschmittelfunktion. Die Recheneinheitsfunktion steht unmittelbar für die Tauschmittelfunktion des Geldes, und die Wertaufbewahrungsfunktion bedeutet nichts anderes als die zeitliche Verlagerung des Tauschens von der Gegenwart in die Zukunft. Diese Erkenntnisse sind von großer Bedeutung für die Beantwortung der Frage, die häufig gestellt wird: Wie viel Geld braucht die Volkswirtschaft?
Wie viel Geld braucht die Volkswirtschaft?
Die Vertreter der vorherrschenden Volkswirtschaftslehre – die Mainstream-Ökonomen – sind sich darin einig, dass eine wachsende Wirtschaft eine wachsende Geldmenge benötigt. So fordern beispielsweise die Monetaristen als Anhänger der Quantitätstheorie – ihr bekanntester Vertreter ist Milton Friedman (1912–2006), Wirtschaftsnobelpreisträger des Jahres 1976 –, die Geldmenge solle (vereinfachend gesprochen) in Übereinstimmung mit der gesamtwirtschaftlichen Güterproduktion anwachsen. Wächst die Volkswirtschaft zum Beispiel um drei Prozent pro Jahr, so wäre es aus monetaristischer Sicht angemessen, wenn das Geldmengenwachstum ebenfalls drei Prozent pro Jahr betrüge. Andere Vorschläge sehen zum Beispiel vor, die Geldmenge solle in Abhängigkeit des Bevölkerungswachstums zunehmen.
Die Quantitätsgleichung
Viele Ökonomen verwenden die Quantitätsgleichung, um den Zusammenhang zwischen Gütern und Preisen aufzuzeigen – und darauf aufbauend die richtige Geldmenge abzuleiten. Die Quantitätsgleichung lautet wie folgt:
M × V = Y × P
Dabei steht M für die Geldmenge, V für die Umlaufgeschwindigkeit (das ist die Häufigkeit, mit der eine Geldeinheit – zum Beispiel in einem Monat – für Käufe verwendet wird), Y steht für die Gütermenge und P für die Preise der Güter.
Wenn man annimmt, dass die Volkswirtschaft voll ausgelastet ist und dass zugleich die Umlaufgeschwindigkeit konstant ist, so folgt daraus, dass ein Anstieg der Geldmenge zu einem Anstieg der Preise in gleicher Höhe führt. Zu genau diesem Schluss kommt die sogenannte Quantitätstheorie.
Grundsätzlich gilt, dass früher oder später die Preise steigen, wenn die Geldmenge stärker als die Güterproduktion (bereinigt um die Umlaufgeschwindigkeit des Geldes) anwächst. Dabei ist jedoch zu beachten, dass eine Geldmengenausweitung (sagen wir um zehn Prozent) nicht notwendigerweise die Preise in gleicher Höhe ansteigen lässt. Es kann nämlich sein, dass die Geldmengenausweitung von einer Erhöhung der Geldnachfrage begleitet wird.
Eine Geldmengenausweitung zieht stets Umverteilungswirkungen nach sich. Einige Gesellschaftsmitglieder profitieren von der Erhöhung der Geldmenge, andere leiden darunter. Warum eine Geldmengenausweitung niemals »neutral« mit Blick auf die Verteilung von Einkommen und Vermögen ist, warum sie mitunter schwere Wirtschaftsstörungen hervorrufen kann, wird nachfolgend noch deutlich.
Doch ist eine steigende Geldmenge wirklich eine notwendige Bedingung, damit eine Volkswirtschaft wachsen kann? Ludwig von Mises verneinte diese Frage. Sein Argument: Anders als bei einem steigenden Konsum- und Produktionsgüterangebot stiftet eine Vermehrung der Geldmenge der Volkswirtschaft keinen Nutzen. Schließlich hat Geld nur eine Funktion: die Tauschmittelfunktion. Wenn die Geldmenge zunimmt, so hat das lediglich zur Folge, dass der Tauschwert des Geldes abnimmt – verglichen mit einer Situation, in der die Geldmenge unverändert geblieben wäre. Diese Schlussfolgerung beruht letztlich auf formal-logischen Überlegungen: Sie leitet sich vom Gesetz des abnehmenden Grenznutzens ab, mit dem wir uns in Kapitel 2 näher beschäftigen werden.
Eine Geldmengenausweitung verschlechtert die Tauschmittelfunktion des Geldes. Das liegt daran, dass eine Geldmengenausweitung die Preise unterschiedlicher Güter zu unterschiedlichen Zeitpunkten in unterschiedlicher Höhe steigen lässt. Dadurch wird die Wirtschaftlichkeitsrechnung, die mittels Geldpreisen durchgeführt wird, erschwert und Kauf- und Investitionsentscheidungen werden fehleranfällig. Zudem führt eine Vermehrung der Geldmenge zu einer interpersonellen Umverteilung von Einkommen und Vermögen: Die Geldmengenausweitung begünstigt einige auf Kosten anderer. Das ist auch der Grund, warum einige Gruppen ein vitales Interesse daran haben, dass die Geldmenge fortwährend ausgeweitet wird.
An dieser Stelle mag es interessant sein zu erwähnen, dass es nicht einmal in der Fachliteratur der Mainstream-Ökonomik überzeugende Studien gibt, die zeigen, dass eine Vermehrung der Geldmenge Wachstum und Beschäftigung systematisch fördert. Es liegt bis heute keine verlässliche Beweisführung vor, dass Zentralbanken, für die Hunderttausende von Angestellten arbeiten, mit ihrer Zins- und Geldmengenbeeinflussung den Wohlstand der Volkswirtschaften mehren würden.
Die Höhe der verfügbaren Geldmenge ist nicht entscheidend für die Fähigkeit des Geldes, als Tauschmittel zu dienen. Eine Geldmenge in Höhe von zum Beispiel 10 000 Mrd. Euro wäre so gut und so schlecht wie eine Geldmenge in Höhe von 1000 Mrd. Euro oder 500 Mrd. Euro. Grundsätzlich gilt, dass jede gerade vorhandene Geldmenge ausreichend ist. Ob ein Ansteigen der Geldmenge im Zeitablauf wünschenswert und akzeptabel ist oder nicht, hängt allein davon ab, wie das Geld produziert wird – über diesen wichtigen Aspekt wird später noch genauer zu sprechen sein. Festzuhalten bleibt an dieser Stelle: Das Ansteigen der Geldmenge nützt dem Gemeinwesen nicht, macht es nicht um einen Deut reicher.
Macht mehr Geld eine Volkswirtschaft reich? Oder: Hitlers Geldfälscherplan
Die Auffassung, eine Erhöhung der Geldmenge nütze der Volkswirtschaft, ist heutzutage zwar weit verbreitet, sie ist allerdings falsch. Bei Konsum- und Investitionsgütern gilt, dass ihre Vermehrung den materiellen Wohlstand...