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E-Book

Geopferte Landschaften

Wie die Energiewende unsere Umwelt zerstört

VerlagHeyne
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl368 Seiten
ISBN9783641201562
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Produzieren wir statt Ökoenergie die nachhaltigste Naturzerstörung?

Über die Schattenseiten der Energiewende zu sprechen gilt als politisch nicht korrekt. Aber soll man deshalb darüber schweigen? Tatsache ist: Die übereilt und planlos in Szene gesetzte Energiewende hat einen ungeheuren Wildwuchs an Windrädern und Solaranlagen hervorgebracht und droht sich zu dem bisher rasantesten Flächenverbrauch aller Zeiten in unserem Land zu entwickeln. Die letzten unzerstörten Landschaften und Naturreservate werden dafür geopfert.

Dabei ist der CO2-Ausstoß hierzulande bislang, wenn überhaupt, nur unwesentlich gesunken. Ein unstillbarer Energiehunger setzt auf unbegrenzte Expansion - allein für unseren Stand-by-Verbrauch laufen im Jahr über 13 000 Windräder.

Der Anstoß zu einer notwendigen Debatte. Mit Beiträgen von namhaften Wissenschaftlern, Energieexperten und Umweltschützern, u.a. Niko Paech und Enoch zu Guttenberg.

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Leseprobe

GEORG ETSCHEIT

Gut gegen gut

Die »Energiewende« als Zerreißprobe für die etablierten Umweltverbände

Der Verlust war dramatisch. Bei der jüngsten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz stürzten die Grünen von 15,4 auf 5,3 Prozent ab und wären fast aus dem Landtag geflogen. Dabei spielte nicht nur eine Rolle, dass diesmal der sogenannte Fukushima-Effekt wegfiel, der Boom der Grünen nach der Atomkatastrophe in Japan im März 2011. Die »Ökopartei« verlor vor allem in jenen Landkreisen überproportional, in denen der Ausbau der Windkraft besonders schnell und rücksichtslos vorangetrieben wurde. »Bürger wählen gegen Windkraft und gegen Asyl«, titelte die Koblenzer Rheinzeitung. Viele Wähler wanderten offenbar zur dezidiert klimaskeptischen AfD ab oder zur FDP, die im Wahlkampf ein Moratorium für neue Windkraftwerke gefordert hatte.

Wirklich geschadet hat es den Grünen jedoch nicht, dass sie in den vergangenen fünf Jahren Rheinland-Pfalz mit Windkraftwerken zupflasterten und vielerorts in dem Bundesland verbrannte Erde hinterließen. Sie dürfen weiterhin zwei Minister in Malu Dreyers neuer Landesregierung stellen. In den Verhandlungen zur ersten rot-gelb-grünen »Ampelkoalition« ließen sich die rheinland-pfälzischen Freidemokraten, die aus dem außerparlamentarischen Nirwana direkt den Sprung in die Regierung schafften, in Sachen Windkraft auf einen lauen Kompromiss ein – mit leicht vergrößerten Mindestabständen zwischen Windkraftwerken und menschlichen Siedlungen. Ähnlich erging es der zumindest in Teilen windkraftkritischen CDU in Baden-Württemberg, die als Juniorpartner eines grün-schwarzen Bündnisses gegenüber dem erklärten Windkraft-Fan Winfried Kretschmann keine Chance hatte.

Von außen betrachtet, strotzt die Umweltbewegung vor Kraft. In vielen Bundesländern sitzen Vertreter der Grünen an den Schaltstellen der Macht, Umweltorganisationen wie der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und der Naturschutzbund Deutschland (NABU) sind zu mächtigen Pressuregroups herangewachsen und haben ihr Personal in Schlüsselstellungen von Politik und Gesellschaft platziert. Stimmen wie die von BUND-Chef Hubert Weiger, NABU-Präsident Olaf Tschimpke, von Wirtschaftsstaatssekretär Rainer Baake im Hause Gabriel (einst Geschäftsführer der Deutschen Umwelthilfe) oder Umweltstaatssekretär Jochen Flasbarth im Hause Hendricks (einst NABU-Chef und Präsident des Umweltbundesamtes) haben Gewicht in der Politik. In den Medien sind Ökothemen omnipräsent.

Doch an der Basis rumort es. Die Umweltverbände stehen vor einer Zerreißprobe, seit immer klarer zutage tritt, dass sich die sogenannte Energiewende, das deutsche Jahrhundertwerk zur Rettung der Welt und Vorzeigeprojekt nationaler Klimaschutzpolitik, zum ökologischen und kulturellen Desaster entwickelt. Bei den Grünen macht sich ihr Brachialkurs in Sachen Windkraft-Ausbau erstmals in sinkenden Zustimmungsraten bemerkbar, zumindest regional.

Mit der Atomkatastrophe von Fukushima und dem von Bundeskanzlerin Angela Merkel handstreichartig verkündeten, jetzt offenbar endgültigen Atomausstieg wurde es ernst mit dem Umstieg auf die »Erneuerbaren«. Überall im Land ragen Windräder in die Höhe, werden neue gebaut, bedecken Solarfelder frühere Wiesen und Äcker, wölben sich die grünen Kuppeln der Biomassereaktoren, dehnen sich statt grüner Weiden endlose Mais- und Rapsfelder. Bald werden sich Hunderte Kilometer neuer Hochspannungstrassen durch die Republik ziehen. Nur ein Bruchteil von ihnen wird gnädigerweise unter der Erde verschwinden.

Die Folgen dieses neuen, massiven Industrialisierungsschubes sind dramatisch. Die letzten alten Kulturlandschaften oder das, was zu Beginn des 21. Jahrhunderts von ihnen übrig geblieben war, verwandeln sich in Windeseile in monotone, industriell überformte »Energielandschaften«. Jeder Hektar freie Landschaft wird Zwecken der Energiegewinnung, -speicherung und -verteilung unterworfen. Und noch steht die Energiewende erst am Anfang.

Der Landschaftsschutz, die einstige Königsdisziplin des Umweltschutzes, ist auf der Rangordnung umweltpolitischer Prioritäten offensichtlich ganz nach unten gerutscht oder völlig von der Agenda verschwunden. Fast bedenkenlos werden heute ganze Landstriche zugepflastert mit Windkraftwerken und anderen großtechnischen Artefakten der Energiewende. Oft genug mit dem Segen der etablierten Umweltverbände, die sich ganz und gar dem Klimaschutz verschrieben haben. Und mit dem Segen einer Partei, die sich noch »grün« nennt, ohne rot zu werden. »Ohne Klimaschutz ist alles nichts«, skandieren die Totengräber deutscher Landschaft, deutscher Identität. Und verraten dabei mehr und mehr ihre ureigenen Interessen.

Ist das die »schöne, neue Welt«, die ein Funktionär des Bundes Naturschutz in Bayern (BN) aus dem mainfränkischen Kitzingen auf der Homepage seines Verbandes beschwört? »Um jedes Dorf, jede kleine Stadt herum ragen Windkraftanlagen in den Himmel, auf fast allen Dächern der wohlgedämmten Häuser und auf manchen ökologisch oder landwirtschaftlich nicht so wertvollen Flächen blinken Fotovoltaikanlagen in die Sonne. (…). Die Touristen kommen (…) und sind begeistert über die (…) neue mainfränkische Kulturlandschaft« (Engelhardt). Doch die »neuen Kulturlandschaften«, sie sind nichts weiter als Industrielandschaften. Ganz Deutschland wird zum einzigen, riesigen Gewerbegebiet.

Ausgerechnet zum 40-jährigen Bestehen des BUND als nationaler Organisation im Jahr 2015 hat der Ökoverband nun Konkurrenz bekommen. In Bayern wurde eine neue Naturschutzvereinigung vom dortigen Landesamt für Umwelt offiziell anerkannt: der Verein für Landschaftspflege & Artenschutz in Bayern (VLAB). Die junge Organisation mit dem etwas sperrigen Namen und einem Feuersalamander als Logo will zurück zu den Ursprüngen des Naturschutzes.

Die Gründung des VLAB war aber nur der erste Streich. Im Kampf um freie Horizonte hat sich mit der »Naturschutzinitiative« auch in Rheinland-Pfalz eine neue Umweltorganisation etabliert, die sich wieder auf die Wurzeln des »klassischen Naturschutzes« besinnen will. Mitgründer und Vorsitzender ist Harry Neumann, der bis Dezember 2014 selbst BUND-Landeschef in Rheinland-Pfalz war und im Streit um die von der rot-grünen Landesregierung forcierte Windkraft seinen Hut genommen hatte. Er konstatiert, beim BUND habe mittlerweile allzu oft die Windlobby das Sagen; der Natur- und Landschaftsschutz bleibe zunehmend auf der Strecke. »Eine Abwägung zwischen Natur- und Klimaschutz wird es in der Naturschutzinitiative nicht geben«, bekräftigt Neumanns Mitstreiterin Sylke Müller-Althauser. »Wir unterstützen keinen Weg, bei dem Biosphäre zerstört wird, um vermeintlich die Atmosphäre zu schützen« (Pressemitteilung der Naturschutzinitiative am 14.01.2016).

Neumanns Naturschutzinitiative geht auch in Nordrhein-Westfalen, Hessen und Baden-Württemberg auf Mitgliedersuche, während der bayerische VLAB mit Tochterorganisationen unter anderem in Mecklenburg-Vorpommern nord- und ostwärts strebt. In Mecklenburg-Vorpommern, einem der Bundesländer mit der höchsten Dichte an Windkraftwerken, haben sich die Windkraftkritiker sogar in einer politischen Partei organisiert. Erstmals trat die Partei mit dem programmatischen Namen »Freier Horizont« im Herbst bei der Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern an. Sie machen »Politik aus Notwehr« und wenden sich gegen eine »Energiewende, die völlig aus dem Ruder gelaufen« sei (Sander 2016). Auch eine bundesweit anerkannte Alternative zu BUND und NABU dürfte nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Die Neugründungen sind das bislang deutlichste Symptom einer Krise der deutschen Umweltbewegung. Zumindest Teile der eigenen Klientel gehen den Verbänden von der Fahne, darunter die Reste der alten, aus einer romantisch grundierten Heimatliebe und einer fast mythischen Naturverehrung hervorgegangenen Ökobewegung. Sie müssen mit ansehen, wie ein »zur Großtechnologie ausgearteter Umweltschutz« – so der Publizist Roland Tichy – vieles von dem wieder zunichtemacht, was in zähen Kämpfen in Zeiten der ungebremsten Wachstumspolitik der 70er- bis 90er-Jahre errungen und gerettet wurde.

Es ist ein Kampf zwischen städtisch sozialisierten, global denkenden Klimaschützern und regional verwurzelten Arten- und Landschaftsschützern, der Kampf zwischen Technokraten und Ästheten, zwischen viel beschäftigten Öko-Funktionären, die kaum mehr an die frische Luft kommen, und Menschen, für die die Schönheit von Natur und Landschaft noch ein Lebenselixier ist. Er wird mit harten Bandagen ausgefochten. Während der Dirigent und Traditions-Naturschützer Enoch zu Guttenberg in seinen flammenden Philippiken die Landschaftsverluste im Zeichen der Energiewende mit der Bilderstürmerei der IS-Terroristen vergleicht, sieht der rheinland-pfälzische Grünen-Politiker und frühere BUND-Chef des Landes, Bernhard Braun, in Windkraftkritikern nichts als Extremisten und Atomlobbyisten (Wientjes 2015). Wer sich heute gegen Windkraft engagiert, landet schnell in der rechten Ecke, wird als unbelehrbarer »Wutbürger« diffamiert, der nur die eigenen Interessen verfolge und kein Interesse am Gemeinwohl habe.

Dass eine alternative Umweltvereinigung erstmals in Bayern auf den Plan trat, ist kein Zufall. Der Natur- und Heimatschutzgedanke hat hier eine besonders lange Tradition und ist tief in der Bevölkerung verwurzelt. Galionsfiguren des VLAB sind dessen...

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