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Gott wohnt in einem Lichte ...

Nahtoderfahrungen als Herausforderung für die Theologie

AutorHerbert Koch
VerlagGütersloher Verlagshaus
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl144 Seiten
ISBN9783641179229
FormatePUB
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis12,99 EUR
Hört das Bewusstsein nicht auf?
Gibt es ein »Leben nach dem Tod«? Menschen, die sogenannte Nahtoderfahrungen gemacht haben, sind davon überzeugt. Ihre Berichte finden zunehmend auch die Aufmerksamkeit seriöser wissenschaftlicher Forschung. Die These: Nahtoderfahrungen weisen auf eine Wirklichkeit hin, die nicht an Materie gebunden ist.

Herbert Koch beschreibt das Phänomen Nahtoderfahrungen und skizziert den Stand der Forschung. Er zeigt, dass schon in der Bibel von ähnlichen Phänomenen die Rede ist, und macht schließlich deutlich, auf welche Fragen die Theologie eine Antwort geben muss, wenn das Bewusstsein mit dem Tod nicht endet. Ein hoch spannendes und theologisch berührendes Buch.

  • Nahtoderfahrungen und Theologie - erstmals im Gespräch
  • Verständlich, berührend, spannend und herausfordernd


Herbert Koch, Dr. theol., geb. 1942, war Gemeindepfarrer, Gefängnisseelsorger, Industriepfarrer und Superintendent des Kirchenkreises Wolfsburg. Autor von theologischen Sachbüchern zu Themen wie Menschenrechte, Kirche in Geschichte und Gegenwart.

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Leseprobe

Unbeschreiblich – Elemente von Nahtoderlebnissen

»Früher habe ich vieles aus Pflichtgefühl getan oder weil ich glaubte, nur so hätte man mich lieb. Heute dagegen tue ich nur noch, was ich von Herzen will. Mein Mann sagt, ich sei viel fassbarer und authentischer geworden.« Diese Beschreibung einer dauerhaften realen Lebensveränderung war zu lesen in der Zeitschrift Publik-Forum (Nr. 5/09) im Bericht einer 64-jährigen Frau über ein real erlebtes und doch ganz außergewöhnliches Ereignis. Vergleichbares hatte es noch nie zuvor in ihrem Leben gegeben.

Es handelt sich um ein Erlebnis, das von der wissenschaftliche Sterbeforschung, wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, als »Nahtoderfahrung« bezeichnet wird. NTE lautet die in Publikationen dafür üblich gewordene Abkürzung. Zu dem Ereignis war es gekommen, als die Frau während einer Skitour in den Schweizer Alpen von einer Lawine erfasst und unter Schneemassen begraben wurde. Nicht ahnend, dass sie nach einer halben Stunde ausgegraben sein würde, rechnete die Verschüttete mit ihrem unmittelbar bevorstehenden Tod. »Was ich unter dem Schnee während eines Nahtod-Erlebnisses erfuhr, ist das größte Geschenk meines Lebens. Ich geriet in einen Zustand von Frieden und Geborgenheit, wie ich ihn nie zuvor verspürt hatte. Seither habe ich keine Angst mehr vor dem Tod«, berichtet sie. Was auch immer in ihrem Leben noch geschehe, sie sei sich gewiss, dass es in dem Zustand, den sie unter dem Schnee erlebt habe, enden werde. »Das gibt mir eine wunderbare Gelassenheit, die ich heute im Alltag auch anderen Menschen zu vermitteln suche.«

Die große Emotionalität, mit der hier von der gemachten Erfahrung berichtet wird, ist für viele NTE-Berichte charakteristisch, wie noch deutlicher zu sehen sein wird. Fasst man »Nahtoderfahrung« dagegen in eine nüchterne Definition, so könnte diese in etwa lauten: Eine Nahtoderfahrung ist das Erlebnis eines in der Regel noch nie zuvor wahrgenommenen Bewusstseinszustands während einer Krise, die lebensbedrohlich ist oder als lebensbedrohlich wahrgenommen wird. Der Bewusstseinszustand, in dem sich der oder die Betroffene wiederfindet, wird in aller Regel als außergewöhnlich positiv wahrgenommen, so dass man ihn nicht wieder verlassen möchte.

Dass über eine solche Erfahrung überhaupt berichtet werden kann, setzt natürlich voraus, dass Menschen lebensbedrohliche Krisen überleben. Tatsächlich ist dies angesichts der medizinisch-technischen Möglichkeiten heute viel häufiger der Fall als noch vor wenigen Jahrzehnten. Moderne Reanimations- und Behandlungsmöglichkeiten verbessern die Überlebenschancen von Schwerverletzten oder bei hochriskanten Operationen beträchtlich. Entsprechend hat sich auch die Zahl der dokumentierten NTE deutlich erhöht. Die dadurch angeregte und intensivierte Forschung kommt zu dem Schluss, dass in den letzten 50 Jahren in den USA und in Deutschland ungefähr 4,2 Prozent der Bevölkerung eine Nahtoderfahrung gemacht haben. Für Deutschland ergibt das eine Zahl von ca. 3,4 Millionen Menschen.1

Dass eine NTE als eine unüberbietbar positive, »nie zuvor« gemachte Erfahrung, als »das größte Geschenk meines Lebens« beschrieben wird, ist ein charakteristisches Merkmal zwar nicht aller, aber doch der ganz überwiegenden Zahl der Berichte über NTE. Und davon gibt es mittlerweile unzählige, seit im Jahr 1975 eine größere Öffentlichkeit das Thema erstmals diskutierte. Damals veröffentlichte der amerikanische Forscher Raymond Moody unter dem Titel »Leben nach dem Tod« 150 Aufzeichnungen über Nahtoderfahrungen. Moody legte als Erster eine systematische Sichtung und Klassifizierung von übereinstimmenden Merkmalen in dem von ihm gesammelten Berichtsmaterial vor.

Bestimmend ist darin zunächst, dass das extrem Ungewöhnliche einer NTE zum Ausdruck gebracht wird, indem die Menschen, die eine solche Erfahrung machten, diese als eigentlich unbeschreiblich bezeichnen. Immer wieder wird diese Unbeschreiblichkeit des Erlebten betont:

  • »Es gibt einfach für so viel Schönes und Friedliches keine Worte.«2
  • »Es ist fast unmöglich, diesen Zustand zu beschreiben, denn es gibt keine vergleichbaren Gefühle in dieser Welt. Nie in meinem ganzen Leben hatte es je auch nur einen winzigen Augenblick gegeben, in dem ich so durchdrungen gewesen wäre von Ruhe und Frieden wie im Tod, eingehüllt in eine alles umfassende Liebe, die so unendlich wohltuend war und mir als Belohnung erschien für alle bisher erlittenen Schmerzen und allen Unbill.«3
  • »Es war zu viel! Einfach zu viel, um es in menschliche Worte zu fassen ... Die Verlogenheit, in der wir in unserer Dimension leben, tritt klar hervor und doch ist sie mit unseren dürftigen Worten nicht zu beschreiben. Alles, was ich sah, war von einer unbeschreiblichen Liebe durchdrungen.«4
  • »Ich muss eingestehen, dass die menschliche Sprache überhaupt nicht dazu taugt, den vollen Umfang und die Tiefe der Erfahrung dieser anderen Dimension ... zu vermitteln. Letztlich lässt sich auf keine Weise beschreiben, was ich erlebt habe.«5
  • »Die einzigen Worte, die mir dazu einfallen, sind: ›nicht von dieser Welt‹.«6
  • »So vieles lässt sich mit den Begriffen unserer Sprache nicht ausdrücken; Bilder, Metaphern, Analogien können das Empfundene nur annäherungsweise wiedergeben.«7

Das ganz Besondere einer Nahtoderfahrung wird so mit dem Wort »unbeschreiblich« zwar benannt, aber eben nicht beschrieben. Dabei betrifft dieses so unbeschreiblich Außergewöhnliche vor allem das gefühlsmäßige Erleben der Menschen, die eine NTE machen. Relativ genau dagegen können andere Wahrnehmungen erinnert und wiedergegeben werden, die mit dem gefühlsmäßigen Erleben verbunden waren. Dauerhaft und sehr klar haften sie im Gedächtnis. Auch dabei zeigt sich trotz der Vielzahl der Berichte ein relativ hohes Maß an Übereinstimmungen.

Körperlosigkeit

Etwa 30 bis 40 Prozent der Betroffenen berichten von einer Trennung vom eigenen Körper. Ort des Ereignisses kann eine Unfallstelle sein, an der man zum schwer verletzten Opfer wurde, oder der Operationssaal eines Krankenhauses, in dem es während einer Operation zu einem Herz- und Atmungsstillstand kommt. Beschrieben wird in der Regel eine Bewegung vom Körper weg nach oben, wobei unklar und mit geläufigen Begriffen nicht benennbar ist, was sich dabei vom Körper trennt. Der verlassene Körper wird von außerhalb wahrgenommen: »Der Körper dort unten war nur eine Hülle, die mit mir genauso viel zu tun hatte wie ein alter, mir durch das Tragen vertrauter Mantel. Mein wirkliches Ich, die Essenz meiner Person, der wichtige Teil von mir: meine Seele, mein Geist, meine Persönlichkeit – wie auch immer Sie es nennen möchten – befand sich unter der Zimmerdecke.«8 Die Entbehrlichkeit des Körpers als Merkmal für das Personsein ist hier ganz unverkennbar.

Der Vergleich des Körpers mit einem Mantel, den man abgelegt hat, weil man ihn nicht mehr benötigt, begegnet auch im Bericht eines 29-jährigen Unfallopfers: »Plötzlich stand ich hinter den Ärzten und sah auf meinen Körper. Ich trieb dann von ihnen weg auf ein helles Licht zu und schwebte plötzlich doch über mir und jener weißen Menschengruppe, die sich da über den Menschen beugte, von dem ich wusste, dass ich etwas mit ihm gemeinsam hatte: Jener Körper war mein Mantel, den ich aber nicht brauchte.«9

Vergleichbares wird im Zusammenhang mit einem schweren Sportunfall in einer Turnhalle wiedergegeben: »Ich schaukelte an den Ringen so heftig und übermütig, dass ich mich plötzlich in großer Höhe nicht mehr mit den Händen halten konnte und abrutschte. Die Landung war entsprechend hart ... Durch den Aufprall ging mir buchstäblich die Luft aus, und meine Seele verließ meinen Körper mit diesem letzten Atemzug. Ganz, ganz langsam stieg sie nach oben unter die hohe Decke der Turnhalle. Was ich heute noch sehr eigenartig finde, ist die Tatsache, dass ich nun alles aus dieser Position sehen konnte – kann man mit der Seele denn sehen? Aber genau so war es. Ich sah mich dort unten liegen, meine Mitschüler kamen herbeigelaufen und schauten auf meinen Körper herunter, riefen aufgeregt nach der Lehrerin.«10

Nur selten berichten Betroffene von Sorge oder Angst um den eigenen Körper oder vor der Trennung von ihm. Auch die Schülerin, die beim Turnen abstürzte, ist frei von Furcht: »Ich fühlte mich nur als Beobachterin, die über den Dingen stand. Es war ein Gefühl des höchsten Glückes, das ich empfand.« Dem zurückgelassenen Körper gegenüber besteht eine entsprechende Gleichgültigkeit. Was man als so unvergleichlich positiv erlebt, kommt ja ohne ihn zustande.

Dass die Berichterstatterin in diesem Falle davon spricht, ihre »Seele« habe ihren Körper verlassen, ist nicht unproblematisch. Sie empfindet das offenkundig auch selbst, wenn sie fragt: »... kann man mit der Seele denn sehen?« Die Unterteilung des Menschen nach Leib und Seele ist ja sprachlich sehr geläufig. Wir finden sie zum Beispiel in der Redensart, dass Essen und Trinken Leib und Seele zusammenhalte. Auch die medizinische Disziplin der »Psychosomatik« legt diese Unterteilung in gewisser Weise nahe. Und in bestimmten Traditionen der religiösen Vorstellungswelt ist...

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