Vorwort zur amerikanischen Ausgabe
Jeder Versuch, die Hipster zu beschreiben, ist letztlich zum Scheitern verurteilt, weil darin am Ende nie alle die Hipster wiedererkennen, denen sie selbst begegnet sind. Doch eines Tages, wenn die Hipster längst vom Antlitz der Erde verschwunden sein werden, wenn sich die Subkulturen verändert und sich neue Stile und Formen entwickelt haben und wenn neue Begriffe für Lob und Tadel gelten, wird die Hipster-Ära von 1999 bis 2011 von historischem Interesse sein – und die Forscher der Zukunft werden sich darauf verlassen müssen, dass wir im Hier und Jetzt unsere Beobachtungen und Eindrücke notiert haben.
Ich muss an dieser Stelle an einen Scherz denken, den sich ein Freund vor einiger Zeit mit mir erlaubt hat. »Kennst du den Komiker Ali G«, fragte er mich. »Nein«, antwortete ich. »Wunderbar«, sagte er, »hör dir einfach an, wie ich seine Witze erzähle. Meine Imitation von ihm ist perfekt.«
Was ich damit sagen will: Diejenigen von Ihnen, die Hipstern bereits im wirklichen Leben begegnet sind, werden sich vermutlich über die Charakterisierungen in diesem Buch beschweren. Den Lesern allerdings, die dieses Buch im Jahr 2050 in die Hand nehmen, kann ich nur sagen: Jeder Satz in diesem Buch ist wahr und unsere Imitation des Hipsters perfekt.
Die Mission dieses Bandes besteht darin, zu eruieren, ob es möglich ist, eine subkulturelle Formation zu analysieren, während sie noch existiert – und zwar anhand der Zeugenaussagen von Menschen, die der Szene nahestehen. Wir haben hierfür das kollektive Wissen einer eigenwillig zusammengestellten Gruppe angezapft: Autoren und Leser unseres Magazins n+1 sowie einige interessierte Außenstehende trafen sich bei einer Podiumsdiskussion in den Räumen der New School in New York. Die Transkripte dieser Veranstaltung übergaben wir später Kritikern und Journalisten, damit sie sich eine andere Meinung bilden und unseren Ansatz infrage stellen konnten.
Alle Beiträger waren aufgefordert, ihre eigenen unmittelbaren Erfahrungen und ihr Wissen einzubringen, ihre akademisch-analytischen Neigungen ebenso wie die Ressentiments und üblen Hintergedanken, die sie ohne Zweifel gegenüber ehemaligen Nachbarn, Konkurrenten und allen Menschen, die sich besser oder teurer anziehen, hegen, um so die Akte des modernen Hipsters zu füllen, dieses wandelnden Klischees und Buhmanns, der uns allen in den vergangenen Jahren begegnet ist. Das Projekt fand in genau der Sekunde statt, in der diese Figur begann, sich zu verändern.
Die Metamorphose des Hipsters, so sie denn wirklich stattfindet, bringt es mit sich, dass ein Begriff, der lange Jahre als Beleidigung verwendet wurde, plötzlich eine neutrale oder gar positive Konnotation erhält. Dieser Prozess geht zum einen mit der Tatsache einher, dass die Hipster-Mode den Mainstream erreicht hat, ein fixes Set von Accessoires und Stilmitteln, die frisch verpackt in den Einkaufszentren der USA liegen, zum anderen mit der tieferen Einsicht, dass die sozialen Kräfte, welche den Hipster – und das lebensnotwendige Bedürfnis, den Hipster infrage zu stellen – hervorgebracht haben, sich auch in Europa und Lateinamerika epidemisch ausbreiten.
Der Hipster ist nicht tot – vermutlich kennen Sie sogar ein paar lebende Exemplare, haben sie gar beim Essen und Schlafen beobachtet –, aber der Umstand, dass man immer häufiger hört, wie Café-Besucher in Williamsburg und der Lower East Side sich oder ihre Freunde als »irgendwie ein Hipster, klar, oder?« beschreiben, zeigt uns, dass wir die frühe Kulturgeschichte unseres Untersuchungsgegenstandes und die negativen Bedeutungen, die dem Wort ursprünglich anhafteten, unbedingt untersuchen sollten, bevor es zu spät ist.
Auch das Wort »Hippie« war ursprünglich ja mal als Beleidigung gedacht. »Kleine Hipster« nannten die Hipster und Beatniks der fünfziger und frühen sechziger Jahre jene Kids, die nur tanzen und kiffen wollten, dabei jedoch keine Ahnung hatten von Jazz, Politik oder Literatur. In den Sechzigern griffen die Massenmedien den Begriff auf und schufen so immer mehr Jünger für diesen Lifestyle. Irgendwann nahmen selbst die jungen Leute, die man nun korrekterweise »Hippies« nannte und die sich früher als »Freaks« oder »Heads« bezeichnet oder ganz auf einen Mannschaftsnamen verzichtet hatten, den Begriff auf und freuten sich über ein nützliches neues Wort (»Es wird dir gefallen, es sieht aus wie ein Hippie-Shirt«).4
Könnte es sein, dass der Begriff »Hipster« an einem ähnlichen Wendepunkt steht? Eher nicht. Die Wahrscheinlichkeit, dass derselbe Spitzname gleich zwei Mal mit großer Bedeutung aufgeladen wird, ist gering. Das Wort »Hipster« kommt aus der Tiefe der amerikanischen Geschichte und bezeichnete einst eine frühere, tatsächlich relevante Subkultur. Einer der Hauptstränge unserer Untersuchung beschäftigt sich mit dem zentralen Anliegen dieser älteren Figur, dem Hipster der vierziger und fünfziger Jahre – Rasse als Unterscheidung zwischen dem Schwarz- und dem Weiß-Sein, Rasse als Quelle von Wissen und als Schlachtfeld gesellschaftlicher Konflikte, von der Bürgerrechtsära bis in unsere vermeintlich postethnische Gesellschaft – und stellt die Frage, warum dieser alte Name wiederaufgenommen wurde.
Das Hipstertum als abgrenzbares Phänomen hat auch sehr viel mit bestimmten Moden und modischen Mikrotrends zu tun, die naturgemäß schwer zu beschreiben sind. Die Frage, welche äußeren Merkmale nun genau das Wesen des Hipsters ausmachen, wo ihr Ursprung liegt und was sie bedeuten, bringt unsere Autoren immer wieder aus dem Konzept. Aber gerade durch dieses Fragen und Deuten erhält man Hinweise, worum es eigentlich geht: um Abgrenzung, Narzissmus und ein Gefühl der Überlegenheit, das man mit kleinen Unterschieden produziert. Noch wichtiger aber ist womöglich, dass kryptische Mode-Statements wie die Trucker-Kappe oder der ironische Spruch auf dem T-Shirt zumindest zu Beginn sehr offensichtliche und präzise, ja beinahe verbale Zeichen waren, die uns Informationen darüber gaben, wer der Träger gerne sein wollte, für was er sich schämte und wonach er sich sehnte. Gerade weil viele dieser Trends historische Elemente aufgriffen und kopierten, dienten sie als Kommunikationsmittel und Bestätigung ideologischer Positionen.
Die modischen Details sind also womöglich gar nicht so kryptisch, wie sie im ersten Augenblick aussehen. Da fragt man sich schon, ob die behauptete Willkür der Mode-Statements womöglich Teil eines Mythos sein könnte oder gar die schlichte Weigerung, diese Phänomene zu ihren ersten Trägern und Vertretern zurückzuverfolgen.
Unsere »Untersuchung« lief wie folgt ab: An einem Samstagnachmittag im Frühjahr 2009 fand ein erstes Symposium an der New School in Manhattan statt. Dieses Buch dokumentiert die Vorträge, die an diesem Tag gehalten wurden, sowie die Diskussion, die den Redebeiträgen folgte. Wir haben der Versuchung widerstanden, die Fehler der Panel-Teilnehmer zu korrigieren (einige faktische Irrtümer wurden allerdings verbessert). In der Folge schickten wir Transkripte dieser Vorträge an Publizisten, von denen wir annahmen, dass sie unsere Vorgehensweise kritisieren und so neue Themenfelder erschließen würden. Die Anmerkungen sind im Abschnitt »Reaktionen« zusammengefasst. An diesem Punkt sollte die organisierte Untersuchung längst auf den Leser übergegriffen haben, der ein eigenes Erkenntnisinteresse und eine eigene Meinung entwickelt haben wird und weiß, in welche Richtung das Verhör der Hipster-Figur im nächsten Schritt gehen sollte. Im letzten Kapitel mit dem Titel »Essays« sind einige wohlüberlegte und detailreiche Texte enthalten, die auf verschiedene Unterthemen unseres Gegenstandes fokussieren oder die Interaktion der Hipster-Szene mit der Außenwelt untersuchen – Hipster und Gender, Hipster und Rasse, Hipster und Ästhetik sowie die Zukunft des Hipsters.
Endlich können wir uns einmal der Analyse eines kulturellen Phänomens widmen, von dem wir nicht nur über das Fernsehen erfahren haben oder das uns auf irgendeine andere Weise vorgekaut wurde. Gott sei Dank! Denn immer wenn man sich mit Artefakten und Dokumenten einer Subkultur beschäftigt, merkt man, wie stark doch die Vergangenheit durch intellektuelle Schlampigkeit, den Wunsch, Geld zu machen, zweitklassige Medienbeiträge und Nachzügler verdichtet und verzerrt wird. Als ob Norman Mailer gleichbedeutend mit den früheren Hipstern wäre, die Hippies gleich Woodstock, Punkrock gleich Sex Pistols und Grunge gleich Kurt Cobain. Obwohl diese artifiziellen Phänomene ihre Reichweite vor allem ihrem privilegierten Zugang zu PR-Agenturen, Kapital und den beiden wichtigsten Medien des subkulturellen Transfers, Film und Musik, verdankten, spielten sie doch über mehrere Generationen hinweg eine wichtige Rolle bei der Reproduktion von authentischer Hoffnung und widerständigen Impulsen. Auch unsere Autoren liefern allerdings keine rein subjektiven Berichte aus der Mitte der Hipster-Szene – im Gegenteil, und ich bin mir sicher, dass jeder, der Teil der Hipster-Szene ist, unsere Autoren als Nachzügler, Spielverderber und verkopfte Feuilletonisten verachten wird. Nachdem ich die Texte nun genau gelesen habe, bin ich mir allerdings sicher, dass diese Beiträge aus sicherer Entfernung eine korrekte Bilanz des Hipstertums ziehen. Ausgehend von unseren Erfahrungen, testen sie die Validität von Definitionen, sie versuchen sich an einer historischen Einordung und häufen eine ganze Reihe möglicher Eigenschaften des Hipsters an – ganz zu schweigen von einer wahren Schatztruhe an Gerüchten, Anekdoten, historischen Fakten und Pseudo-Fakten, die auf jeden Fall in eine Zeitkapsel der nuller Jahre gehören. Zudem...