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E-Book

Hitlers Helfer

AutorGuido Knopp
VerlagC. Bertelsmann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl Seiten
ISBN9783641119973
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis9,99 EUR
Eichmann, Bormann, Ribbentrop, Freisler, Schirach und Mengele - sie alle waren die Erfüllungsgehilfen Hitlers. Ihre kriminelle Energie, ihr Zynismus, ihr Ehrgeiz und ihre menschenverachtende Gründlichkeit sorgten dafür, daß das nationalsozialistische Terrorregime gefestigt wurde. Guido Knopp und sein Team zeichnen ein eindrucksvolles Psychogramm von Hitlers Vollstreckern.

Prof. Dr. Guido Knopp war nach seinem Studium der Geschichte, Politik und Publizistik zunächst Redakteur der 'Frankfurter Allgemeinen Zeitung' und anschließend Auslandschef der 'Welt am Sonntag'. Seit 1984 leitet er die ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, mit der er vielbeachtete Fernsehserien wie 'Hitlers Helfer', 'Hitlers Krieger' und die Serie 'History' produziert; auf Phoenix erschien die Reihe '100 Jahre' über die Geschichte des 20. Jahrhunderts. Durch eine gelungene Verknüpfung von exakt recherchierter und gleichzeitig unterhaltender Information gelingt es ihm immer wieder, ein großes Publikum für seine Fernseh- und Buch-Dokumentationen zu begeistern. Guido Knopp hat zahlreiche Auszeichnungen erhalten, darunter den Jakob-Kaiser-Preis, den Europäischen Fernsehpreis, den Telestar, den Goldenen Löwen, den Bayerischen Fernsehpreis, das Bundesverdienstkreuz und den Internationalen Emmy. Seine Bücher waren allesamt Bestseller. Zuletzt erschienen von ihm die Bücher zur ZDF-Serie 'Die Deutschen' sowie 'Geheimnisse des ?Dritten Reichs?'.

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Leseprobe

Vorwort


Ganz besondere Verbrecher?

 

 

Bormann, Schirach, Freisler, Eichmann, Ribbentrop und Mengele – sechs Helfer Hitlers, Täter und Vollstrecker ganz verschiedener Bedeutung. Was sie eint, ist eines: Alle waren Hitler oder seinem Wahn verfallen. Sie hielten für Recht, was Unrecht war. Und sie gerieten zu Verbrechern, ohne das Bewußtsein zu besitzen, Unrecht zu begehen.

Wie war das möglich? Waren es teuflische Jünger, die, einmal vom satanischen Meister wachgeküßt, all ihre böse Energie aus eigener Kraft entfalteten? Ganz besondere Verbrecher also? Oder waren es ganz normale Deutsche, die allein durch Zufälle zu jenen wurden, die wir kennen: Synonyme einer kriminellen Diktatur?

 

Beginnen wir mit Martin Bormann, Hitlers Sekretär, der seinem Herrn vor allem in den letzten Jahren folgte wie ein Schatten. Seinen »treuesten Parteigenossen« nannte der Diktator ihn am Ende. Stets blieb er im Hintergrund, die graue Eminenz des »Dritten Reiches«. Solche Männer übersieht man gern. Doch gerade wegen seiner unauffälligen Erscheinung konnte er fast ungestört die Schalthebel der Macht ergreifen. Denn nur darum ging es Bormann: Macht. Gewiß, es war geliehene Macht. Um Macht zu haben und sie auszuüben, unterwarf sich Bormann einem Mächtigeren. Doch auf diese Weise war der Schattenmann zeitweise einer der mächtigsten Männer Europas.

Ein Mann mit Eigenschaften, wie der ideale Karrierist in einer Despotie sie haben muß: nach unten brutal, nach oben servil. Er war nüchtern und berechnend, schroff und herrschsüchtig, beharrlich, fleißig, schlau – und intrigant. Vor allem war er unentbehrlich. Der Diktator fand es praktisch, einen stets ergebenen Gehilfen mitzuführen, denn er liebte es, in seine Monologe Aufträge zu streuen, die schnell und zuverlässig zu erledigen waren. Hitler war, wir wissen es, ein fauler Herrscher. Schreibtischarbeit empfand er als lästig: »Ein einziger guter Gedanke ist mehr wert als ein ganzes Leben hinter Akten.«

Die Akten erledigte Bormann. Stets trug er Notizblock und Bleistift in der Tasche. Jeder Auftrag, jede Frage, jede hingeworfene Bemerkung wurde eilfertig notiert. Dem umtriebigen Sekretär verdanken wir auf diese Weise auch die Aufzeichnung von Hitlers Tischgesprächen. Bormann wollte immer eine Sicherheit in Händen halten. Und im »Dritten Reich« bot nicht das Recht die Sicherheit und das Gesetz schon gar nicht, sondern einzig Hitlers Wort – auch wenn es zwischen Graupensuppe und Kamillentee plaziert war.

Zu versuchen, aus den heimlich aufgeschriebenen Worten des Diktators künftige Entwicklungen und Absichten vorauszuahnen, um sie zu befolgen, noch bevor er sie befiehlt – kann es eine höhere Form der Unterordnung unter einen absolut regierenden Tyrannen geben? Ergab es sich, daß Hitler plötzlich über ein Ereignis oder über einen Menschen etwas wissen wollte, mußten die per Zettel alarmierten Mitarbeiter Bormanns, notfalls mitten in der Nacht, beschaffen, was gewünscht war. Und kein Auftrag war zu unbedeutend, als daß Bormann ihn nicht unverzüglich mit beflissener Entschlossenheit erledigt hätte. Als Hitler einmal um halb drei Uhr nachts den Marktpreis eines Hühnereies von 1901 zu wissen wünschte, präsentierte Bormann das Ergebnis um drei Uhr.

»Ich weiß, daß Bormann brutal ist«, sagte Hitler, »aber was er anfaßt, hat Hand und Fuß.« Nach und nach zog Hitlers Sekretär die finanziellen Angelegenheiten des Diktators an sich. Er verwaltete den »Spendenfonds der deutschen Industrie«. Wenn Hitler Geld brauchte, ging er zu Bormann, sei es zur Errichtung eines Teehauses am Obersalzberg oder zur Beschaffung einer neuen Goldkette für Eva Braun.

An Ehre oder Ruhm lag Bormann nichts. Auch daß man ihn nicht liebte, sondern haßte, war ihm gleichgültig, solange nur sein »Führer« sagte: »Um den Krieg zu gewinnen, brauche ich Bormann.« Denn ebenso wie Bormann Hitler brauchte, brauchte dieser ihn, den eifrigen Gehilfen, dessen breiter Rücken das verdeckte, was der »Künstler« nicht mehr sehen wollte. Mißtrauisch kontrollierte Bormann Hitlers Kontakte zur Außenwelt: »Niemand kommt zum Führer, denn durch mich!« So übte Bormann insgeheim auch über Hitler Macht aus.

Dabei war ihm Politik, gar Ideologie, im Grunde fremd. Seine nüchterne und derbe Art ließ keine Emotion für eine Sache zu, die weltanschaulich wurzelte. Die Inbrunst eines Himmler löste allenfalls Befremden bei ihm aus. Seine Stärke lag im Ausführen von Weisungen, nicht im »gedanklichen Entwurf«. »Nationalsozialismus« war für Bormann keine Religion, nur ein Begriff.

Freilich nutzte er die NS-Ideologie für seine amourösen Abenteuer. Der notorische Fremdgeher verbrämte seine Eskapaden mit dem lichten Postulat, in Zukunft sollten möglichst viele deutsche Männer mehrere Frauen haben und beglücken, um die Kriegsverluste auszugleichen.

Beim Judenmord war Hitlers Schattenmann auf seine Art beteiligt: als Sendbote des »Führer«-Willens an die willigen Vollstrecker; deren Zuträger für Hitler; als Datenspeicher, der darüber wachte, daß die Mörder nichts und niemanden vergaßen.

In den letzten beiden Kriegsjahren war Bormann auf dem Scheitelpunkt der Macht. Er schenkte und entzog seine Gunst, er lobte und beseitigte, wie es ihm paßte – stets des »Führers« Aussprüche als Bibel in der Hinterhand. Seine Gegner mußten einsehen, daß es gefährlich war, sich mit ihm anzulegen; klüger, sich um seine Freundschaft zu bemühen.

Ganz am Ende war der Sekretär an jenem Platz, den er sich immerzu ersehnt hatte: einziger der Paladine neben seinem »Führer«. Unter dem Beton des Bunkers war er ihm so nah wie nie zuvor und näher als kein anderer. Als Hitler nur noch über ein paar Straßenzüge rechts und links der Reichskanzlei gebot, da war sein Schattenmann endlich am Ziel. Nur nutzte es nichts mehr.

 

Kein Helfer Hitlers ist zum Kriegsverbrecher geboren. Mancher macht sich selbst dazu. Joachim Ribbentrop kam mit 17 Jahren nach Kanada zu einem kurzen Besuch – und blieb vier Jahre. Hätte er sich dort niedergelassen, und er stand kurz davor, dann wäre er als ehrsamer Kaufmann gestorben und nicht am Galgen in Nürnberg.

Was macht den Menschen unmenschlich?

Da ist ein junger Mann, der als gewandt, charmant, als »Ladies’ Man« und Herzensbrecher höherer Töchter gilt. Da ist ein erfolgreicher Getränkehändler, zu dessen Freundeskreis ein Gustav Stresemann gezählt hat, Hoffnungsträger deutscher Demokraten.

Und da ist ein bornierter, arroganter Stinkstiefel; willenloser Handlanger eines teuflischen Tyrannen, dem er sich mit Leib und Seele ausgeliefert hat. Wie paßt das zusammen?

Wir stehen hier erneut vor jenem fast schon stereotypen Erweckungserlebnis, das Hitler seinen Paladinen gern beschert hat. Gegen seine kraftvolle Dynamik, seinen aufgestauten Haß war offenbar kein nationales Kraut gewachsen, und ein ehrgeiziger Aufsteiger schon gar nicht. Ribbentrop verfiel dem Demagogen. Und die Hörigkeit hielt an bis 1945.

Rasch machte er sich nützlich. Im Hause des Getränkehändlers Ribbentrop fanden Anfang 1933 die entscheidenden Gespräche statt, die mit der Machterschleichung Hitlers endeten. Bald machte Hitler seinen neuen Mann zum außenpolitischen Berater, dann zum Sonderbotschafter. Er brauchte einen hoffähigen Großbürger für alle Skeptiker im Ausland; einen willigen Gehilfen, den es in dem renitenten Diplomatenstall des Außenministeriums noch nicht gab. Einen aus der NSDAP, der ihm bedingungslos verschrieben war.

Zwar hatte Ribbentrop durchaus eigene politische Ideen, doch ordnete er sie immer Hitlers Wünschen unter. Niemals wagte er es, ihm zu widersprechen, was ihm Hitlers Gunst und Schutz eintrug, vor allem gegen seine Feinde in der NSDAP, die dem Seiteneinsteiger Liebedienerei und Arroganz vorwarfen: »Sein Geld hat er geheiratet, seinen Namen hat er sich gekauft, und sein Amt hat er sich erschwindelt.«

Doch Ribbentrop war nicht nur Handlanger, er war auch Taktiker der Macht. Schon im Mai 1933 trat er in die SS ein und verband so sein politisches Schicksal mit dem Heinrich Himmlers. Das klärte die Fronten: Wer gegen Ribbentrop agierte, bekam es auch mit Himmler zu tun. Als Gegenleistung besetzte Ribbentrop später entscheidende Posten des Auswärtigen Amtes mit SS-Leuten. Ohne diese Helfershelfer hätte Himmler Hitlers Holocaust nie so systematisch organisieren können.

Der Diktator sah in Ribbentrop den großen England-Fachmann – ein Fehlurteil: »Ribbentrop, bringen Sie mir England in den Antikomintern-Pakt, das wäre mein größter Wunsch!« Als Botschafter in London aber machte Hitlers Zögling nahezu alles falsch, was falsch zu machen war: Er grüßte König Georg mit dem »deutschen Gruß« und verstörte mit bornierten Attitüden selbst die Wohlgesonnenen. Doch sogar ein diplomatisches Genie hätte den »arischen Bruder« nicht zum Alliierten machen können. Die Briten dachten nicht im Traum daran, die bewährte »Balance of power« zu opfern für einen wackeligen Pakt mit einer degoutanten Diktatur.

Dann eben »ohne oder gegen England«, meinte Ribbentrop. Es ging ja schließlich um »Veränderungen des Status quo im Osten«. Da war der Handlanger nicht ganz so radikal wie sein Meister: Die Revision der Grenzen von Versailles und noch ein bißchen mehr, am besten bis zum Bug, das hätte Ribbentrop gereicht. Das war schon fast Minimalismus im Vergleich zu Hitlers Hakenkreuzzug zur Eroberung von Lebensraum im Osten. Dennoch distanzierte Ribbentrop sich nur höchst sacht von diesem Wahn: »Sagen Sie in Moskau, daß ich diesen Krieg nicht wollte«, flüsterte er in der Nacht des Überfalls auf...

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