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Ideengeschichte als Provokation

Schriften zum politischen Denken

AutorWalter Reese-Schäfer
VerlagJ.B. Metzler
Erscheinungsjahr2019
Seitenanzahl410 Seiten
ISBN9783476048400
FormatPDF
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis39,99 EUR
Ideengeschichte ist die Grundlage jeder Ideenpolitik. Sie ist nur interessant durch ihren grundsätzlichen Gegenwartsbezug. Ideen können gefährlich sein, denn sie haben Konsequenzen, wenn sie die Wahrnehmungen leiten. Darin liegt  eine der großen Provokationen. Ideen haben eine weltgestaltende Energetik. Dadurch sind sie alles andere als bloße Derivate. In der Ideengeschichte haben wir es immer auch mit der Politik selbst zu tun, wie sie uns in der Empirie der Texte gegenübertritt. Politische Ideen und Begriffe wie Reform, Anarchie oder Heimat leiten überhaupt erst die Auswahl der Fakten und Belege, die dann mit diversen Methoden erfasst werden können. Da die Ideengeschichte auf der Materialseite vorwiegend mit Texten arbeitet, provoziert sie den Unwillen jener, die glauben, einen unmittelbareren, nämlich dinglicheren oder archäologischen Wirklichkeitszugang bereitstellen zu können. Ideengeschichte ist im Gegensatz dazu als Primärwissenschaft zu betrachten, die den fleißigen Sozialwissenschaftlern erst ihre Leitkategorien liefert, die dann in der praktischen Forschung meist sehr viel gröber und trivialer verwendet werden als in der primären Textgestalt. Sie ist damit das Gegenteil einer bloß archivalischen Sammlung vergangener Meinungen. Die relative Unmittelbarkeit des Textfundus ist zugleich immer eine Herausforderung gegen ein Priestertum des elitären Zugriffs. Natürlich gibt es immer wieder neue Ideen. Das wird aber erst erkennbar vor dem Kontext und Hintergrund alles Übrigen. Auf diese Weise kann Ideengeschichte auch eine allzu zeitgebundene Selbstüberschätzung erschüttern und so ein Gegengewicht bieten gegen modisches opinion mainstreaming. Ideengeschichte ist keine bloße Nebentätigkeit des politischen Geistes, sondern sie muss eine Zentralstellung im politischen Denken beanspruchen.

Prof. Dr. Walter Reese-Schäfer, Universität Göttingen, Lehrstuhl für politische Theorie und Ideengeschichte.

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Inhaltsverzeichnis
Inhaltsverzeichnis5
1: Einleitung: Ideengeschichte als Provokation8
Literatur19
Teil I: Ideengeschichte und Ideenpolitik21
2: Zum gegenwärtigen Stand der politischen Ideengeschichte in Deutschland22
Literatur31
3: Dialogstruktur und moderne Demokratie in drei Dialogen Platons33
Protagoras34
Gorgias35
Thrasymachos38
Literatur41
4: Fünf Modelle interkultureller Lektüre am Beispiel Platons42
Literatur51
5: Die Ideenpolitik der preußischen Reformer Stein und Hardenberg53
Der Erfahrungshintergrund der Reformer56
Die Reformen selbst57
Vergleich mit einem späteren Reformprojekt: 1969 bis 197561
Literatur65
6: Von Voltaire und Goethe lernen: Die Tragödie ‚Mahomet‘66
7: Tocquevilles Kunst des Schreibens – Journalismus und Salonkultur im Vergleich mit Heinrich Heine in Paris70
Literatur76
8: Die Antisklavereibewegung von 1787 als frühe international wirksame NGO77
Zwei gegensätzliche Deutungsmodelle: Herder und Goethe78
Die Antisklavereibewegung als soziale Bewegung80
Seemacht als Instrument humanitärer Intervention85
Humanitäre Moral und ökonomisches Interesse87
Moralkritik und Meinungsklima90
Literatur93
Teil II: Ideengeschichtliche Blicke auf ökonomische Theorien95
9: Marx und die Furcht vor der Anarchie des Marktes96
Literatur106
10: Keynes und der Versailler Vertrag108
Perspektivpunkt108
Die Vorkriegszeit109
Der Konferenzverlauf110
Der Inhalt des Friedensvertrags112
Aus heutiger Sicht117
Literatur118
11: Vitalismus und Wirtschaftsdynamik. Die wachstumspolitische Korporatismuskritik von Edmund Phelps119
Praktische Wirkungen des Korporatismus121
Ein Seitenblick auf die politikwissenschaftlichen Korporatismustheorien130
Literatur134
12: Wirtschaftspolitische Folgerungen aus dem Werk William Baumols136
Literatur145
13: Ludwig von Mises und die Gesellschaftskritik146
Die Sozialismuskritik146
Warum glauben Menschen trotzdem an den Sozialismus?148
Die psychischen Wurzeln der Kapitalismuskritik149
Schluss157
Literatur158
14: Douglass North und das Problem der Shared Mental Models – Kognition und Ideologie159
Literatur165
15: Albert O. Hirschman und der Primat des Ökonomischen in der Wirtschaftsethik. Lehren aus der „Rhetorik der Reaktion“166
Die Sinnverkehrungsthese169
Die Vergeblichkeitsthese171
Die Gefährdungsthese173
Die Gegenargumente des ‚progressiven‘ Lagers174
Zwischenergebnis175
Erweiterung der Problemstellung177
Literatur181
16: Hans Jonas’ ‚Prinzip Verantwortung‘ – Kritik des Müßiggangs als Topos utopiekritischen Denkens183
Literatur188
17: Michel Foucaults Interpretation des Ordoliberalismus in seinen Vorlesungen zur Gouvernementalität190
Die vierte Vorlesung: Neoliberalismus in Deutschland196
Das Neue bei Foucault und im Neoliberalismus202
Der Wettbewerb als zu aktivierender Mechanismus205
Schluss207
Literatur209
Teil III: Intellektuellendiskurse im Übergang zur Postmoderne210
18: Sartre und das Verschwinden der traditionellen Intellektuellenrolle211
Literatur220
19: Erfolg durch Gruppenorganisation: Die New York Intellectuals221
Die erste Phase: Der Weg zum Ruhm223
Die zweite Phase: Der Kalte Krieg224
Die dritte Phase: Die Entfremdung von der Neuen Linken225
Die vierte Phase: Neokonservatismus227
Die fünfte Phase: Auflösung und Verlagerung nach Washington228
Schluss230
Literatur233
20: Jean-François Lyotard. Die Konstruktion der Postmoderne235
Literatur242
21: Adorno – Lehrer Lyotards243
Das Inhumane244
Moderne als Postmoderne247
Inkommensurabilität, Kommunikation, Paradoxien249
Über die philologischen Befunde hinaus253
Literatur256
22: Zum Vergleich des Unbehagens an der Moderne und an der Postmoderne. Zygmunt Bauman und das kommunitarische Denken258
Literatur274
Teil IV: Systeme und Verträge276
23: Niklas Luhmann: Soziale Systeme277
Literatur287
24: Parteien als politische Organisationen in Luhmanns Theorie des politischen Systems288
Einführung288
Die Politik der Gesellschaft289
Organisation, Entscheidung und die Unbeliebtheit der Parteien296
Der affirmative Zug von Luhmanns Parteientheorie299
Open Ends300
Literatur303
25: Die Wiederbelebung des Vertragsarguments in der politischen Philosophie304
Vertragstheorien304
Rawls’ Gerechtigkeitstheorie – Das Hauptargument305
Einwände und Probleme312
Vertragstheorie – Gesamtbeurteilung315
Schluss318
Literatur319
Teil V: Elemente politischer Theologie320
26: Wo sich politische Theologie heute verborgen hält – Ein sozialwissen­schaftlicher Blick auf messianische Auffassungen von Politik321
Die Heilsversprechen der antimodernen Revolten – modernisierungstheoretische Grundannahmen321
Drei große Tendenzen der Revolte gegen die moderne Rationalisierung324
Die Differenz von Heilsversprechen und Utopie326
Seltsame Heilige – das Personal der Revolution327
Wozu die Suche nach Heil?329
Literatur331
27: Religionskommunitarisches Denken als Glaubensakt. Zur soziologischen Instrumentalisierung von Religion332
Literatur343
28: Alasdair MacIntyres kontextualistische Sozialtheorie der Moralität345
Die Sozialcharaktere348
Der Emotivismus350
Ein kommunitarischer Weg zum Universalismus353
Schluss356
Literatur357
29: Charles Taylors Ontologie der Moralität und des modernen Selbst359
Taylors Wir-Begriff359
Moraltheorie als Ontologie361
Ontologische Argumentation für den Privatbereich versus prozessualistische Argumentation für den öffentlichen Bereich362
Der Fundamentalismus-Einwand364
Narrative Sinnkonstitution und die Möglichkeiten der Erzähltheorie364
Ist Taylors Anspruch gerechtfertigt, dass seine Position als Variante innerhalb des liberalen Denkens soll gelten können?366
Schluss371
Literatur372
Teil VI: Formen des Umgangs mit Paradoxalitäten373
30: Denken ohne Gedächtnis. Überlegungen zur Überwindung des Memorierens durch technische Speichermedien374
Literatur383
31: Was folgt aus einem ‚sich selbst bestreitenden Text‘? Notizen zur Ästhetik des Widerstands von Peter Weiss384
Literatur393
32: Die Tücke der Ironie und die Ehrlichkeit des Zynismus. Zur Dekonstruktion eines Vorurteils394
Kritische Bemerkungen zur ironischen Sprechweise394
Die Ubiquität des Ironischen394
Ironie als Selbstdistanzierung395
Ironie als Überlegenheitsgestus396
Das Konservative der Ironie397
Rortys Ironiekonzeption399
Luhmann400
Über das zynische Bewusstsein401
Schluss405
Literatur406
Textnachweise408
Teil I408
Teil II408
Teil III409
Teil IV409
Teil V410
Teil VI410

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