In diesem Kapitel soll eine Einführung in die Theorie spekulativer Blasen gegeben werden, indem vorab deren Basiseigenschaften dargestellt werden. Ferner soll ein Verständnis für verschiedene Formen der Erwartungsbildung erzeugt und Verhaltensformen analysiert werden, die zur Bubble-Bildung führen. Abschließend wird die Theorie mithilfe eines empirischen Beispiels abgerundet.
Spätestens seit der geplatzten IT-Blase zur jüngst vergangenen Jahrtausendwende ist das Wort ‚Bubble’ ein Begriff, der nicht nur geprellten Börsenanlegern geläufig ist. Die Bezeichnung steht in diesem Fall für sich aufblähende, ins exorbitant Positive schießende Vermögens- bzw. Assetpreise[7] - im umgekehrten Fall spricht man von negativen Blasen. Spekulative Blasen sind allerdings, im Gegensatz zur landläufigen Meinung, kein Produkt der Neuzeit. Garber stellt fest, dass Bubbles, wie die in Kapitel 2.5 vorliegender Arbeit untersuchte Tulpenmanie Hollands im frühen 17. Jahrhundert, schon seit dem Aufkommen von Finanzmärkten, diese weltweit und in unregelmäßigen Abständen destabilisieren. Sie können insofern nicht als (negative) Begleiterscheinung des Aufkommens der Informations- und Kommunikationstechnologie des 20. Jahrhunderts verharmlost werden. Was aber verbirgt sich genau hinter dem Mysterium der Bubbles und warum werden Volkswirtschaften seit Jahrhunderten immer wieder Opfer dieser Phänomene, ohne dass sich mittlerweile wirkungsvolle Patentrezepte zu deren Bekämpfung etablieren konnten?
In der Literatur wird oftmals auf das philosophische Dilemma der Bubble-Theorie verwiesen. Eine spekulative Blase ist demnach nur ex post identifizierbar, also wenn sie bereits geplatzt ist. Könnte man durch wirtschaftspolitische Maßnahmen das Platzen verhindern, so handelt es sich streng genommen lediglich um einen Boom.[8] Diese Eigenschaft der Irreversibilität ihrer Evolution wirft insofern die Frage nach Identifikationsmöglichkeiten und Handlungsoptionen bei Existenz einer Vermögenspreisblase, und gleichsam die Daseinsberechtigung vorliegender Arbeit, auf. Problematisch ist also generell eine Abgrenzung dessen, was als spekulative Blase und was als lediglich schneller Preisanstieg in Märkten bezeichnet werden kann. „The difficulty in determining asset price bubbles not only exists ex ante, but also ex post.”[9] Man spricht im Allgemeinen von einem Bubble in einem bestimmten Markt, wenn der Buchwert der gebundenen Vermögensgegenstände stark von seinem langfristigen Trend abweicht.[10] Dieser Trend wird durch den Fundamentalwert bestimmt, also durch die abgezinsten zukünftig erwarteten Gewinne und Dividenden des Assets. Spahn weist auf die Anomalie des Bubbles und somit auf seine ihn auszeichnende Eigenschaft hin[11]: Obwohl sich der (Kurs-) Wert von Vermögensgegenständen negativ auf seine (Dividenden-)Rendite auswirkt, kommt es beim Vorliegen einer spekulativen Blase nicht zum Verkauf der Assets sondern das Gegenteil ist der Fall. Nachfrage sowie Preise steigen exponentiell an. Die Gesamtrendite wird daher über die erwarteten Wertsteigerungen konstant gehalten bzw. erhöht. Diese lassen sich jedoch nicht mit der Analyse fundamentaler Werte erklären, da die Erwartungsbildung und ihre Bedeutung für die Wertentwicklung hierbei nicht ausreichend gewürdigt würden. Folglich bedient man sich nicht-fundamentaler Modelle, um den Entscheidungsprozeß der Anleger zu erklären, Preissteigerungserwartungen in jeder Periode des Lebenszyklus’ einer spekulativen Blase aufrecht zu erhalten bzw. noch zu verstärken.
Die Symptome aber auch gleichzeitig Ursachen der spekulativen Blase liegen gleichsam in irrationalen Ausbrüchen und induzierten Wellen von Optimismus, welche Vermögenspreise derart ansteigen lassen, dass Investitionen und Ressourcen im großen Stil fehl gelenkt werden und die Implosion der Preisblase und sogar größere Finanzkrisen oftmals unvermeidbar sind. Denn zumindest rational kalkulierende Wirtschaftssubjekte wissen, dass nur formal eine Wertsteigerung unendlich lange erfolgen kann, praktisch kommt es früher oder später zum Platzen der Blase.[12] Dies tritt dann auf, wenn der Markt seinen Kulminationspunkt überschritten hat und in sich zusammenbricht. Anleger flüchten Panik artig aus den Vermögenswerten, Verkaufswellen lösen immense Preisstürze aus. Auslöser hierfür ist das Umschlagen der Erwartungen am oberen Scheitelpunkt der Preisentwicklung. Kindleberger erörtert den Begriff in seinem unter Fachpublikum weltberühmten Buch ‚Manias, Panics and Crashes’ folgendermaßen: „A bubble is an upward price movement over an extended range that then implodes.”[13] Im Lebenszyklus eines Bubbles stehen also der ‚Boom-Phase’, in welcher mit kurzfristigen positiven Wohlfahrtseffekten für betroffene Volkswirtschaften zu rechnen ist, große Risiken der von starken Preisstürzen gekennzeichneten ‚Bust-Phase’ gegenüber. Langfristige Fehlallokationen des Kapitals sowie das Abrutschen in eine deflatorische Entwicklung sind als potentielle Gefahrenszenarien zu nennen.[14]
Tirole grenzt ab, welche Arten von Vermögensgegenständen Gegenstand einer Spekulationsblase sein können. Grundsätzlich müssten diese sowohl aktiv als auch beständig sein, da nur mit Vermögenswerten spekuliert wird, für welche die Möglichkeit der Weiterveräußerung besteht.[15] Ein weiteres Basischarakteristikum sieht er in der kurzfristigen relativen Inelastizität des Asset-Angebots.[16] Ferner erfordert das Entstehen der spekulativen Blase die Existenz sozio-struktureller Mechanismen, die eine Koordination des Glaubens daran ermöglicht, dass Bubble-Gebilde entstehen und sich weiterentwickeln können. Es scheint sich hierbei also um Vorgänge zu handeln, die an Universitäten gelehrte Marktgleichgewichtstheorien ins Wanken bringen, da in Bubble-Märkten ein Ausgleich von Angebot und Nachfrage über den Preismechanismus in klassischer Form nicht stattfindet.
Ein überzeugendes Indiz für das Bestehen eines Bubbles ist der Beweggrund beim Kauf eines Assets. Ist dieser auf dem Glauben begründet, das betreffende Objekt würde in Zukunft an Wert gewinnen, so liegt per se schon die Voraussetzung für die Entstehung einer spekulativen Blase vor: Positive Zukunftserwartungen.[17] „A sharp rise in the price of an asset or a range of assets in a continuous process, with the initial rise generating expectations of further rises and attracting new buyers – generally speculators interested in profits from trading in the asset rather than its use or earning capacity.”[18] Unabhängig von der jeweiligen Definition steht fest, dass die Identifikation einer spekulativen Blase sowohl ex ante als auch ex post aufgrund der Quantifizierbarkeit der ihr zugrunde liegenden Parameter äußerst diffizil ist, Handlungsableitungen daher sowohl in ihrer Stärke als auch Richtung nur sehr vage sein können.
Es existieren zwei wesentlich voneinander zu unterscheidende Ansätze der Bubble-Theorie. Eine eher traditionelle Variante ist die der adaptiven Erwartungen. Hierbei geht man davon aus, dass Marktteilnehmer durch Fortschreibung von Trends der Vergangenheit ihrerseits wiederum die erwarteten Preise der Zukunft festlegen.[19] Bubbles können also bei adaptiven Erwartungen langfristig nicht entstehen, da Preisentwicklungen über den Zeitverlauf antizipiert werden und eine Abweichung des Buchwertes vom Fundamentalwert daher theoretisch unmöglich ist.
Bei rationalen Erwartungen hingegen blicken Investoren ausschließlich in die Zukunft. Unterstellt werden vollkommene Informationen aus jedem Einflussbereich, welche, kombiniert mit einem der Erwartungsbildung individuell zugrunde liegenden Modell, entscheidend für die Preisbildung sind. Die Theorie rationaler Erwartungen hat aufgrund ihrer Konzeption deshalb einen so großen Einfluss auf die Bubble-Theorie, weil Zukunftsereignisse hier schon in der Preisgleichung verarbeitet sind, sodass lediglich Zufallsmomente und exogene Schocks einen Einfluss auf die Preisbildung haben. Dies könnten bspw. Statements von Fachautoritäten oder Zentralbänkern zur künftigen Marktentwicklung sein. Da diese wiederum vollkommen zufallsverteilt sind und nicht in den Erwartungen der Marktteilnehmer berücksichtigt werden können, erzeugen sie eine Art ‚Random Walk’ in der Asset-Preisentwicklung. Preispfade sind hier also tendenziell unbestimmt, weil sowohl Preise, als auch Erwartungen periodische Variablen sind, die keine definitive Marktgleichgewichtsbestimmung ermöglichen.[20] Die Frage, ob Bubbles also rationale Spiele sind oder ihr Entstehen auf systeminhärente Fehlkonstruktionen hinweist, ist nicht nachhaltig zu klären.[21] Wie schon zu Beginn erwähnt, sind spekulative Blasen nicht etwa ein Produkt der technologisierten Neuzeit, sie entstehen auch nicht durch Kettenreaktionen in den Rechenzentren der Börsen, sondern in den Köpfen der Anleger.
Mit der Verbreitung der Theorie rationaler Erwartungen entstand auch die These rationaler Bubbles. Shiller betont in seinem Werk 'Irrationaler...