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Informationeller Anlegerschutz

Ökonomische Analyse der Konkretisierung und Durchsetzung sekundärmarktbezogener Informationspflichten in Deutschland und den USA

AutorChristina Reifschneider
VerlagDUV Deutscher Universitäts-Verlag
Erscheinungsjahr2007
Seitenanzahl231 Seiten
ISBN9783835054189
FormatPDF
KopierschutzDRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis54,99 EUR
Christina Reifschneider beleuchtet den kapitalmarktrechtlichen Anlegerschutz aus der Perspektive der Rechnungslegung in institutionenökonomischer Weise. Sie zeigt, dass durch eine sachgerechte Anwendung ökonomischer Modelle der Informationsverarbeitung an Kapitalmärkten Sanktionierungsprobleme zumindest teilweise zugunsten eines wirksamen informationellen Anlegerschutzes gelöst werden können.

Dr. Christina Reifschneider promovierte bei Prof. Dr. Jens Wüstemann am Lehrstuhl für Allgemeine Betriebswirtschaftslehre und Wirtschaftsprüfung der Universität Mannheim. Sie ist im Bereich Rechnungswesen der ProCredit Holding AG, Frankfurt am Main tätig.

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Leseprobe
1. Kapitel Konzeption des informationellen Anlegschutzes (S. 9)

A Anlegerschutz durch informierte Investitionsentscheidungen

I. Schutz durch selbstbestimmte informierte Entscheidungen

1. Ziele der Investitionsentscheidung


Die Vermittlung entscheidungsrelevanter Informationen zur Ermöglichung interessengerechter Entscheidungen, ist ein konstituierendes Element informationellen Anlegerschutzes. Die Schutzwirkung entfaltet sich dabei sowohl bei selbstbestimmten Entscheidungen – der Anleger bildet sich auf der Grundlage möglichst vollständiger Informationen ein eigenes Urteil – als auch bei fremdbestimmten Entscheidungen – durch die Garantie eines alle relevanten Informationen umfassenden, unverfälschten Marktpreises.

Grundsätzlich steigt die Möglichkeit interessengerechter Anlageentscheidungen mit dem Informationsstand der Investoren über potenzielle Anlageobjekte. Als interessengerechte Anlageentscheidung wird in der Regel die Wahl der Investition verstanden, die bei gegebenem Risiko den größten finanziellen Vorteil erbringt, mithin den Erwartungsnutzen des Anlegers maximiert. Daneben können auch nicht-finanzielle Zielgrößen die individuelle Beurteilung der Vorteilhaftigkeit einer Investition stark beeinflussen,48 sie werden im Rahmen dieser Arbeit ausgeklammert.

2. Informationsverarbeitung durch Anleger

a) Vollständig rationale Informationsverarbeitung


Die neoklassische Theorie postuliert, dass jeder Anleger mittels einer individuellen Analyse aller öffentlichen Einzelinformationen die für seine spezifischen Bedürfnisse beste Entscheidung treffen, also seinen individuellen Erwartungsnutzen maximieren kann. Dazu muss er mit Hilfe der ihm zur Verfügung stehenden Informationen – also im Falle des nichtprivilegierten Anlegers auf der Grundlage öffentlich verfügbarer Informationen – zunächst für alle Aktienanlageoptionen die aus seiner Sicht richtigen Unternehmenswerte bestimmen, um dann die fairen Werte der Aktien zu ermitteln. Auf dieser Grundlage könnten die (De-)Investitionsentscheidungen den Präferenzen und damit der Risikoneigung des individuellen Investors entsprechend getroffen werden.

Sofern die Entscheider die verfügbaren Informationen rational im Sinne der ökonomischen Theorie verarbeiten können und unbegrenzte, kostenlose und unendlich schnelle Informationsverarbeitungsmöglichkeiten haben, also dem Idealbild des homo oeconomicus entsprechen, ist die Schutzkonzeption der direkten Informationsverarbeitung problemlos anwendbar.

b) Eingeschränkt rationale Informationsverarbeitung

Offensichtlich ist die Annahme vollständiger Rationalität im neoklassischen Sinne realitätsfern, empirisch konnte hinreichend belegt werden, dass das Entscheidungsverhalten von Individuen nicht generell substantiell rational ist. Individuen handeln „intendedly rational, but only limited so".

Im Rahmen der Forschungsrichtung der behavioral economics werden die neoklassischen Annahmen über das menschliche Verhalten zunächst auf ihre empirische Validität hin überprüft. Danach sollen theoretische Erklärungen formuliert werden, die den beobachteten Entscheidungen besser entsprechen als die der neoklassischen Theorie. Dazu gehört auch die empirische Überprüfung des neoklassischen Konzeptes der Nutzenmaximierung, um individuelles Verhalten möglicherweise besser vorhersagen zu können.

An die Stelle des Konzeptes der substantiellen Rationalität wird die prozedurale Rationalität gesetzt: Der Entscheidungsprozess wird auf Rationalität untersucht. Rationalität bedeutet in diesem Sinne das nutzenmaximierende Verhalten eines Individuums trotz unvollständiger Information und kognitiver Beschränkungen. Entscheidungen werden demnach auf formale und subjektive Rationalität geprüft, sie müssen nicht objektiv rational sein.

Die Abkehr vom Postulat der substantiellen Rationalität bedeutet dabei nicht, dass Verhalten zufällig und nicht vorhersehbar wäre, sondern dass bestimmte andere Entscheidungsregeln und Systematiken angewandt werden. Fehlentscheidungen im Sinne der neoklassischen Maximierung des Erwartungsnutzens resultieren oftmals aus der Anwendung von Heuristiken. Deren Anwendung zur Vereinfachung von Wahlsituationen kann subjektiv rational sein, da die Kosten der Entscheidung reduziert und die Wahlprobleme in der Regel gut gelöst werden. Die Anwendung solcher Daumenregeln kann jedoch auch zu (vorhersehbaren) systematischen Fehlentscheidungen führen.
Inhaltsverzeichnis
Geleitwort6
Vorwort8
Inhaltsübersicht10
Inhaltsverzeichnis12
Abkürzungsverzeichnis20
Problemstellung25
1. Kapitel Konzeption des informationellen Anlegschutzes33
A Anlegerschutz durch informierte Investitionsentscheidungen33
I. Schutz durch selbstbestimmte informierte Entscheidungen33
II. Schutz durch fremdbestimmte informierte Entscheidungen38
B Bestimmung entscheidungsnützlicher Informationen53
I. Prinzip der Entscheidungsnützlichkeit von Informationen53
II. Anforderungen an entscheidungsnützliche Informationen54
2. Kapitel Grundprinzipien des informationellen Anlegerschutzes63
A Prinzip der Bestimmung der dominierenden Ermittlungsmethode informationeller Rechtsnormen63
I. Die Bedeutung der angewandten Auslegungsmethode63
II. Zum Einfluss von law and economics auf die Auslegung von Informationsnormen in den USA64
III. Die Bedeutung der wirtschaftlichen Betrachtungsweise bei der Auslegung informationeller Normen in Deutschland77
B Prinzip der Bestimmung der Grundwertungen für die obligatorische Informationsvermittlung kapitalmarktorientierter Unternehmen85
I. Das Leitprinzip der full and fair disclosure der US-amerikanischen securities regulation85
II. Das Leitprinzip des true and fair view97
C Prinzip regelungsscharfer Informationspflichten zum Zwecke des Anlegerschutzes112
I. Das System der Informationspflichten in den USA112
II. Vergleich mit den Publizitätspflichten kapitalmarktorientierter Unternehmen in Deutschland139
3. Kapitel Durchsetzung des informationellen Anlegerschutzes158
A Sanktionsandrohung für Informationspflichtverletzungen in Deutschland158
I. Stellenwert von Sanktionsmöglichkeiten für falsche oder fehlende Informationen158
B Nachweis und Sanktionierung von Informationspflichtverletzungen unter Rückgriff auf ökonomische Erkenntnisse165
I. Zusammenhang von Informationspflichtverletzung und Kursänderung165
II. Nachweis des Vorliegens einer Informationspflichtverletzung durch Analyse der Aktienkursbewegungen167
III. Sanktionierungsprobleme182
Thesenförmige Zusammenfassung198
Verzeichnis der abgekürzt zitierten Quellen203
Verzeichnis der zitierten Entscheidungen211
Verzeichnis der zitierten Schriften217
Verzeichnis der zitierten Rechtsnormen, Gesetzesmaterialien und ähnlicher Dokumente251

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