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Intelligente LRS-Schüler - Leitfaden für Lehrer

Erkennen und verstehen - fördern und beraten (5. bis 10. Klasse)

AutorUta Livonius
Verlagscolix
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl136 Seiten
ISBN9783403702405
FormatePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,99 EUR
Auch auf Gesamtschulen und Gymnasien gibt es sie: Schülerinnen und Schüler mit LRS, die sich mit der deutschen Rechtschreibung plagen. In der Grundschule konnten sie ihre Defizite noch mit Fleiß und eigenen Strategien ausgleichen. Doch wenn in der Sekundarstufe die Anforderungen steigen, fallen sie plötzlich auf und verlieren schnell den Anschluss.

Sie sehen ihre katastrophalen Rechtschreibergebnisse und haben auch mit den Eltern zu tun, die sich von Ihnen Unterstützung erhoffen. Dieser Ratgeber hilft Ihnen dabei, Lernende mit LRS besser zu verstehen. Er zeigt auf, wie Sie sie im Regelunterricht so berücksichtigen können, dass sie motiviert den Ansprüchen gerecht werden und erklärt, wie die Zusammenarbeit mit den Eltern gelingt. Zusätzlich erfahren Sie, wie Sie mithilfe eines speziell entwickelten Lernprogramms einen Förderunterricht gestalten, mit dem solche Schülerinnen und Schüler die Rechtschreibung wirklich durchblicken.

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Leseprobe

Teil 1
LRS in der Sekundarstufe


Kinder mit sehr ausgeprägten Schwierigkeiten beim Lesen- und Schreibenlernen fallen früh auf. Sie bekommen daher bereits in den ersten Klassen Hilfen und Therapien, die es ihnen ermöglichen, dem Regelunterricht einigermaßen zu folgen.

Intelligenten LRS-Schülern gelingt es jedoch oft, ihre Schwierigkeiten geheim zu halten, indem sie kompensieren oder vermeiden, was sie nicht so gut können. Wenn auf der weiterführenden Schule die Ansprüche steigen, gelingt das zunehmend schlechter, bis ein solcher Schüler auffällig wird.

1. Was bedeutet LRS?


In diesem Kapitel erfahren Sie

ƒmit welchen Begriffen Lese-Rechtschreib-Probleme beschrieben werden,

ƒwozu die Unterscheidungen dienen,

ƒwarum intelligente LRS-Schüler oft erst in der Sekundarstufe auffallen,

ƒwelche Möglichkeiten zur Unterstützung der Schüler Erlasse bieten,

ƒwie betroffene Schüler ihre LRS empfinden,

ƒwie eine sinnvolle Elterninformation aussieht und

ƒwarum LRS-Schüler Rechtschreibung lernen können.

Die Verunsicherung über die Bedeutung von LRS bezieht sich nicht nur auf die Begriffe „LRS“ und „Legasthenie“, sondern auch auf die Ursachen und die Folgen einer Diagnose. Welche Auswirkung hat die Feststellung einer LRS für das betroffene Kind, seine Familie, seinen schulischen Werdegang und seine Berufsaussichten? Wie beeinflusst das Umfeld, besonders auch die Schule, die Chancen eines solchen Kindes? Wie können Sie als Lehrkraft positiv einwirken?

Meistens führen sehr schlechte Resultate in der Rechtschreibung dazu, dass Lehrkräfte empfehlen und Eltern zustimmen, ein Kind „zu testen“.

Je nachdem, in welchem Bundesland Sie unterrichten, kann es von Bedeutung sein, ob einem Kind eine Legasthenie, LRS oder Rechtschreib­schwäche bescheinigt wird. Leider verwenden sogar die Ministerien, Ärzte, Psychologen und Therapeuten diese Begriffe z. T. unterschiedlich. Verwirrend wirken auch die unzähligen Definitionen, die im Internet angeboten werden, sodass Eltern von betroffenen Kindern häufig ratlos in die Schule kommen und hoffen, dort Klarheit zu bekommen.

Da Legasthenie-/LRS-Forschung unter verschiedenen Gesichtspunkten betrieben wird1, verwundert es nicht, dass auch die Aussagen über Ursachen und Hilfsmöglichkeiten z. T. weit voneinander abweichen.

1.1. LRS oder Legasthenie?


Das „S“ in der Abkürzung LRS steht, je nachdem, wo man sich informiert, für Störung, Schwäche oder Schwierigkeiten. Einigkeit besteht aber über „LR“, das stets „Lese-Rechtschreib-“ bedeutet.

In einigen Erklärungsansätzen wird „Legasthenie“ mit „Lese-Rechtschreib-Störung“ gleichgesetzt und von LRS (dann meist als Lese-Rechtschreib-Schwäche bezeichnet) unterschieden.

Der Ausdruck LRS (ohne Erläuterung, wofür er steht) erleichtert somit den Umgang mit den schwer abzugrenzenden Begriffen, die je nach Lehrmeinung, oft auch Wohnort und Ausbildungsjahr, zu Meinungsverschieden­heiten und Missverständnissen führen können.

Die Furcht, es könnte sich um eine Krankheit, Behinderung, das Versagen der Eltern oder Lehrkräfte handeln, führt leider dazu, dass viele Eltern sich scheuen, die Probleme ihrer Kinder anzuerkennen und weitere Schritte einzuleiten. Die Sorge, das eigene Kind würde als „behindert“ abgestempelt, gerade wenn es angeblich keine Therapiemöglichkeiten gibt, schreckt ab.

1.1.1. Lese-Rechtschreib-Störung – Legasthenie


Der klassische Begriff Legasthenie als „spezifische Lesestörung mit Krankheitscharakter bei Kindern mit mindestens durchschnittlicher Intelligenz“2 wird kaum noch verwendet. Immer wieder wird Legasthenie aber mit Lese-Rechtschreib-Störung gleichgesetzt, so z. B. von der Staatlichen Schul­beratung in Bayern:

„Zu unterscheiden ist eine Lese- und Rechtschreibstörung (Legasthenie, Dyslexie) mit teilweise hirnorganisch bedingten, gravierenden Wahrnehmungs- und Aufmerksamkeitsstörungen von einer vorübergehenden Lese- und Rechtschreibschwäche (LRS). [...] Legasthenie ist eine nur schwer therapierbare Krankheit, die zu teilweise erheblichen Störungen bei der zentralen Aufnahme, Verarbeitung und Wiedergabe von Sprache und Schriftsprache führt [...].“3

Die WHO (Weltgesundheitsorganisation) beschreibt in der ICD (Interna­tional Statistical Classification of Diseases and Related Health Problems) die Lese-Rechtschreib-Störung als eine „umschriebene Entwicklungsstörung schulischer Fertigkeiten“. „Das Hauptmerkmal ist eine umschriebene und bedeutsame Beeinträchtigung in der Entwicklung der Lesefertigkeiten, die nicht allein durch das Entwicklungsalter, Visusprobleme oder unangemessene Beschulung erklärbar ist [...].“4

Diese Ansätze, die Legasthenie mit angeborenen oder ererbten Defiziten oder Teilleistungsstörungen als deren Ursache erklären, stellt Renate Valtin als nicht haltbar dar und verweist auf neuere Ansätze, die „Kinder mit LRS als langsam Lernende, denen es besonders schwerfällt, die Hürden des Schriftspracherwerbs zu überwinden“5 beschreiben, ohne sie von Le­gasthenikern abzugrenzen. Dennoch wird die Bezeichnung Legasthenie häufig so verwendet, als handele es sich um eine (nicht heilbare) Krankheit.6 Diese Erklärung entlastet Eltern und Lehrkräfte, wenn ein Kind Schwierig­keiten beim Lesen- und Schreibenlernen hat, denn sie können ja (natürlich nur scheinbar) nichts daran ändern.

Der Begriff Legasthenie wird selbst vom Bundesverband Legasthenie kaum noch verwendet. Dieser war ursprünglich eine Interessenvertretung von Eltern „legasthenischer Kinder“, die diesen klassischen Ansatz vertrat. Inzwischen haben sich dem Verband viele Lehrkräfte, Therapeuten und Förderer angeschlossen; so gestalten sich die Informationen vielseitiger. Der Bundesverband Legasthenie stellt das ausführlichste und übersichtlichste Informa­tionsmaterial im Internet zur Verfügung. Besonders Eltern finden hier schnell und unkompliziert Hinweise und Unterstützung. Dennoch wird allein durch den Namen des Verbandes der Begriff Legasthenie, selbst wenn er überholt sein sollte, für Menschen mit LRS präsent bleiben.

Wichtig ist für die Diagnose einer Legasthenie (Lese-Rechtschreib-Störung) noch immer die Diskrepanz zwischen dem IQ und den Leistungen im Lesen und Rechtschreiben. Dieses Kriterium wird durch die Beschreibung der Teilleistungsstörungen, z. B. im visuellen oder auditiven Bereich, gestützt. Kurz gesagt: Ein Kind, das nicht so gut lesen und/oder rechtschreiben kann, wie man es aufgrund seiner Intelligenz erwarten würde, hat Legasthenie. Da in einigen Bundesländern der „Legasthenie-Test“ oder auch der „LRS-Test“ nach diesen Gesichtspunkten bewertet wird, ist, zumindest für das Testverfahren, diese Annahme zu beachten.

Auch isolierte Rechtschreibstörungen werden in der ICD aufgeführt. Laut WHO handelt es sich dabei um „... eine Störung, deren Hauptmerkmal in einer umschriebenen und bedeutsamen Beeinträchtigung der Entwicklung von Rechtschreibfertigkeiten besteht, ohne Vorgeschichte einer Lese­störung. Sie ist nicht allein durch ein zu niedriges Intelligenzalter, durch ­Visusprobleme oder durch unangemessene Beschulung erklärbar [...].“7

Für die Diagnostik und Maßnahmen in der Schule spielt die isolierte Rechtschreibstörung im Allgemeinen keine Rolle, denn normalerweise wird unabhängig von den Lesefähigkeiten eine Legasthenie bzw. eine LRS bescheinigt.

1.1.2. Lese-Rechtschreib-Schwäche


Lese-Rechtschreib-Schwäche8, häufig LRS genannt, bezeichnet dagegen eine vorübergehende Schwäche, deren Ursachen erklärt und behoben werden können. Kritisiert wird an dieser Definition, dass sie dem Kind die Schwäche als Eigenschaft zuschreibt.9

Mögliche Ursachen für eine Lese-Rechtschreib-Schwäche sind z. B.:

ƒhäuslich

ƒwenig Lernanreize und Unterstützung

ƒwechselnde Bezugspersonen

ƒUmzug

ƒfamiliäre Spannungen

ƒsoziale Notlage

ƒKrankheit oder Tod von Angehörigen

ƒgesundheitlich

ƒProbleme beim Sehen

ƒProbleme beim Hören

ƒakute oder chronische Erkrankung

ƒschulisch

ƒmangelnde Übung

ƒSchulversäumnisse

ƒSchulwechsel

ƒLehrerwechsel

ƒUnterrichtsausfall

ƒunpassende Methoden

Diese Ursachen zeigen, im Gegensatz zu denen der klassischen Legasthenie, zwar Verantwortlichkeiten, also mögliche Schuldzuweisungen, vor allem aber eine Chance für das betroffene Kind.

1.1.3. Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten


Legasthenie, Lese-Rechtschreib-Störung, isolierte Rechtschreibstörung und Lese-Rechtschreib-Schwäche werden heutzutage häufig unter dem Begriff „Lese-Rechtschreib-Schwierigkeiten“ zusammengefasst und ebenfalls LRS genannt. Hier wird nicht nach den Ursachen unterschieden und auch nicht nach dem...

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