Die Interaktion zwischen Vertretern aus verschiedenen Kulturen stellt einen wesentlichen Schwerpunkt in der interkulturellen Zusammenarbeit dar. Deshalb wird der interkulturellen Kommunikation im folgenden Abschnitt Raum gewährt. Zunächst folgen Aussagen über Sprache und Identität, bevor interkulturelle Kommunikationsarten und konkrete Kommunikationsstile von Deutschen und Tschechen als Kernpunkt der Untersuchungspopulation beschrieben werden. Ausführungen zu Stereotype und interkulturelle Kompetenz schließen diesen Abschnitt ab.
Die Sprache ist eines der wichtigsten Merkmale für die Definition einer Nation oder Kultur. Gegenwärtig gibt es weltweit mehr als 6000 verschiedene Sprachen, allein in Europa existieren mehr als 50 verschiedene Sprachen einschließlich einer Reihe von Dialekten. Zwar formt nicht notwendigerweise eine Sprache Unterschiede in Kulturen, aber doch ist festzustellen, dass dort, wo zwei oder mehr Sprachen innerhalb eines Landes gesprochen werden (z.B. Spanien, Belgien), die Nationalkultur eine gewisse Fragilität aufweist. Neueren Studien der EU zufolge beherrscht immer noch knapp die Hälfte der EU-Bürger (44 %) keine weitere Sprache als ihre Muttersprache. In sechs Mitgliedstaaten gehört die Mehrheit der Bürger dieser Gruppe an, nämlich in Irland (66%), dem Vereinigten Königreich (62%), Italien (59%), Ungarn (58%), Portugal (58%) und Spanien (56%). Englisch ist und bleibt in ganz Europa die meistgesprochene Fremdsprache. 38% der EU-Bürger erklären, dass sie ausreichende Englischkenntnisse besitzen, um eine Unterhaltung zu führen. In 19 von 29 befragten Ländern ist Englisch die am meisten gesprochene Sprache außer der Muttersprache (vgl. Eurobarometer Spezial. Die Europäer und ihre Sprachen, 2006). Annähernd 50 Prozent aller EU-Erwachsenen können an einer Konversation auf Englisch teilnehmen, vier von fünf Gymnasialschülern erlernen die neue „Lingua franca“. Auch folgender Abbildung ist zu entnehmen, dass Englisch in der Europäischen Union entweder als Muttersprache oder als Fremdsprache die am meisten verwendete Sprache ist.
Abbildung 6: Die meistgesprochenen Sprachen in der EU (in Prozent)
Quelle: http://ec.europa.eu/public_opinion/archives/ebs/ebs_243_sum_de.pdf, 12.2.2007
Sprache lässt sich nicht auf den Austausch oder die Übermittlung von Informationen oder auf ein zeichenbasiertes Verhalten reduzieren. Vielmehr gilt Sprache als eine Form des Handelns, die die Menschen als gesellschaftliche Wesen im Laufe der Geschichte ausgebildet haben, um wiederkehrende Bedürfnisse (z.B. Wissensvermittlung, Handlungsanleitung, Anteilnahme oder Provokation) mit bewährten Mitteln befriedigen zu können. Das Handeln mittels Sprache ist also wesentlich gesellschaftlicher (kultureller) Art (vgl. Liedke et al., 2002, S. 149).
Die Sprache ist möglicherweise nach der Religion der wichtigste Faktor, der Menschen einer Kultur von Menschen einer anderen unterscheidet. Ting-Toomey (1999, S. 85) definiert Sprache als ein willkürliches, symbolisches System, das Ideen, Gefühle, Erfahrungen, Ereignisse, Menschen und andere Phänomene benennt und das durch die vielschichtigen Regeln regiert wird, die von den Mitgliedern einer spezifischen Sprachgemeinschaft entwickelt wurden. Die beiden linguistischen Anthropologen Sapir und Whorf waren der Meinung, dass die Sprache ein Wegweiser zur kulturellen Realität ist (vgl. Sapir, 1921) und dass die grammatikalischen Strukturen Denkprozesse formen und daher kulturspezifisch sind (vgl. Whorf, 1952).
Es gibt kaum Forschungsergebnisse zur Verwendung von Englisch als Lingua franca in der interkulturellen Kommunikation (vgl. Glaser, 2003). Im Allgemeinen wird davon ausgegangen, dass in solchen Interaktionen eine sehr konsensorientierte Haltung eingenommen wird, in der die Sprecher sich gegenseitig unterstützen und generell viele Fehler tolerieren (vgl. Firth, 1996). Häufig aber weisen die Sprecher in diesen Gesprächen nicht das natürliche Kommunikationsverhalten von Muttersprachlern auf, wenn sie mit einem Mangel an Sprachkompetenz zu kämpfen haben. So versuchen sie dann zu beschreiben, die Sprache zu wechseln oder universell verstandene Verhaltensmuster wie Lachen, Zögern, Stille etc. anzuwenden, um die verbale Unsicherheit auszudrücken (vgl. Glaser, 2003). Andererseits weisen die Sprechsituationen im internationalen Umfeld wie das Verhandeln über Ein – und Verkaufspreise, Kosten und Qualitätsmerkmale häufig standardisierte Konversationsrituale auf. In diesem Bereich kann die sprachliche Vereinfachung die Komplexität der menschlichen Kommunikation reduzieren und gleichzeitig das Vertrauen zwischen Geschäftspartnern fördern (vgl. Luhmann, 2000).
Ein Gespräch entsteht durch die intensive Zusammenarbeit zwischen Gesprächspartnern. In ihren Äußerungen bringen sie zum Ausdruck, was sie meinen und sie zeigen gleichzeitig in ihren Reaktionen, wie sie die Äußerungen des anderen interpretieren. Dies tun sie mit Hilfe von kommunikativen Signalen, die verbaler, paraverbaler und nonverbaler Art sein können. Verbale Signale sind dabei Wörter, Wortteile, Wortgruppen, Wortvarietäten etc. Paraverbale Signale betreffen die Art und Weise des Sprechens, z.B. Lautstärke, Betonung, Tonhöhe und die Verwendung von Sprechpausen. Bei nonverbalen Signalen wird der Körper als Ausdrucksmittel eingesetzt, so dass nonverbale Signale Gesten, Mimik, Körperhaltung und auch die Proxemik, d.h. die räumliche Distanz zum Gesprächspartner, darstellen (Einige Autoren ergänzen diese Aufzählung noch um eine weitere Ebene, der extra-verbalen Ebene. Hierzu gehört die Zeit, der Ort, die Kommunikationsbeziehung, die Kleidung, taktile und olfaktorische Aspekte.) (vgl. Bolten, 1999a). Diese Signale sind gewissermaßen Mittel und Werkzeuge der Kommunikation. Sie werden in jeder Kultur verwendet, ihre Ausprägung, die Art und Weise, wie sie miteinander kombiniert werden und ihre Funktion variieren jedoch von Kultur zu Kultur.
Die nonverbalen Signale in der Kommunikation transportieren wesentliche Informationen und sind genauso entscheidend wie die anderen Signale für das Verstehen zwischen den Beteiligten. Verschiedene Autoren und Wissenschaftler kommen in ihren Studien zu verschiedenen Anteilen der nonverbalen Kommunikation an der Gesamtkommunikation (zwischen 55 und 97 Prozent, vgl. Birdswhistell, 1970; Meharbian, 1972; Rebel, 1997), gemeinsam unterstreichen sie alle die hohe Bedeutsamkeit dieser Kommunikation.
Sprache und Körpersprache sind zwei Ausdruckssysteme des Menschen, wobei die Bewegung (jegliche Muskelanspannung des Körpers) dem Gedanken (sprachliche Abstraktion) untergeordnet ist. Die Sprache ist das differenziertere System und ist durch die Benennung von realen wie abstrakten Phänomenen ein wichtiger Träger der Kultur. Diesem spezifischen Sprachcode ist jeweils ein ganz bestimmtes körpersprachliches Repertoire zugeordnet. Beherrscht jemand mehrere Sprachen sehr gut, so passiert es häufig, dass er, wenn er von einer Sprache in eine andere wechselt, automatisch dabei auch eine andere Form des nonverbalen Ausdrucks verwendet. Deshalb ist es auch nicht unerheblich, in welcher Sprache eine Kommunikation abläuft, um eine Aussage über die enthaltenen nonverbalen Aspekte zu treffen. Einen körperlichen Ausdruck ohne einen verursachenden Gedanken (bewusst oder unbewusst) kann es nicht geben. Körpersprachliche Signale werden deshalb auch als das Ergebnis der Umcodierung, bei dem ein Gedanke in Materie umgesetzt wird, bezeichnet (vgl. Molcho, 1996). Sprache und Körpersprache stehen also in wechselseitiger Abhängigkeit.
Ein erweiterter Kommunikationsbegriff umfasst nach Höhne (1999) folgende Aspekte:
a) Es wird immer über etwas kommuniziert, d.h. mit Kommunikation wird immer Bezug auf die außersprachliche Welt genommen.
b) Kommunikation existiert nie ohne einen Kontext. Hierzu zählt die individuelle Welttheorie, die sich aus den Erfahrungen der Biographie zusammensetzt. Diese Erfahrungen werden über die Sozialisation vermittelt und als Weltwissen bezeichnet.
c) Zum Kontext gehört der Aspekt der Relevanz, mit dem die Anwendung des Wissens abhängig von der konkreten Situation geregelt wird.
d) Teil des Kontextes ist dann das Hintergrundwissen, womit das kulturell genormte und somit variable Deutungssystem der Gesprächspartner beschrieben wird. Diese sog. Wissensbestände umfassen das, was die Mitglieder einer Kultur als normal und gültig ansehen.
e) Und schließlich ist das Lexikon als Schnittstelle von sprachlichem und nicht-sprachlichem Wissen ebenfalls Teil des Kontextes.
Insbesondere kann das kulturelle genormte Weltwissen ein bedeutendes Hindernis der interkulturellen Verständigung darstellen. Kultur und Kommunikation stehen in einem engen, sich wechselseitig bedingenden Zusammenhang. Kulturelle Werte und Normen spiegeln sich in der Kommunikation wider, für Mitglieder einer bestimmten Kultur bedeutet dies, in einer spezifischen Weise zu kommunizieren, die sich von der Art und Weise der Kommunikation einer anderen...