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Ergebnisse der Benchmarking-Studie
Nach der Erarbeitung des konzeptionellen Rahmens möchten wir uns in diesem Kapitel der Darstellung der praktischen Ergebnisse zuwenden. Dabei sollen nach einer Skizzierung der Zielsetzung und des Ablaufs der Untersuchung zunächst allgemeine Charakteristika der Investitionstätigkeit in den betrachteten Unternehmen vorgestellt werden. Anschließend werden die Ergebnisse zur Investitionsbudgetierung sowie zu den einzelnen Phasen des Investitionsprozesses präsentiert. Da, wie im vorherigen Kapitel ausgeführt, der Investitionskontrolle in Theorie und Praxis eine geringere Aufmerksamkeit geschenkt wird, bildet eine vertiefte Analyse des Kontrollprozesses sowie seiner Einflussfaktoren den Schlusspunkt dieses Kapitels.
Zielsetzung und Ablauf der Studie
Zielsetzung
Ziel der Benchmarking-Studie ist es, einen Überblick über die aktuelle Gestaltung des Investitionscontrollings in deutschen Großunternehmen zu erlangen. Dies erlaubt es, das eigene Vorgehen im Rahmen des Investitionscontrollings mit anderen Unternehmen zu vergleichen. Dies wiederum ermöglicht ein kritisches Hinterfragen der bestehenden Prozesse und kann zudem einen Dialog hierüber anregen. Am Ende sollen hiermit Anhaltspunkte für mögliche unternehmensindividuelle Verbesserungsmaßnahmen der jeweiligen Investitionsprozesse gegeben werden.
Die Studie wurde im Rahmen des Center for Controlling and Management (CCM) an der WHU – Otto Beisheim School of Management in Vallendar durchgeführt. Auf der Seite 6 können Sie weitere Details über die Konzeption des CCM, seine Ziele und sein Umfeld erfahren.
Der Fokus der Benchmarking-Studie liegt auf Investitionen in Sachanlagen, die durch das Zentralcontrolling gesteuert werden. Die Definition des Begriffs der Sachanlageinvestition stellt sich dabei in den beteiligten Unternehmen als weitestgehend einheitlich heraus. Unter Sachanlageinvestitionen werden im Rahmen der Benchmarking-Studie Errichtungs-, Ersatz-, Erweiterungs- und Rationalisierungsinvestitionen verstanden.
Ablauf
An der Benchmarking-Studie waren zehn weltweit tätige Konzerne, die ihren Hauptsitz in Deutschland haben, beteiligt. Alle nehmen eine führende Stellung in ihren jeweiligen Märkten ein. Um die Anonymität der Unternehmen zu wahren, werden wir diese im Folgenden mit den Großbuchstaben A bis J bezeichnen.
Die Benchmarking-Studie wurde in vier Phasen durchgeführt: Die erste Phase diente der Konzeptualisierung, anschließend erfolgte die eigentliche Datenerhebung, der sich wiederum die Auswertung und eine abschließende Diskussion der Ergebnisse anschloss. Dieser Ablauf ist in Abbildung 2 dargestellt.
Die Konzeptualisierung der Benchmarking-Studie stand im Spannungsfeld von Theorie und Praxis. In einem ersten Schritt war daher ein Ausgleich zwischen der Berücksichtigung der theoretischen Grundlagen zur Investitionsplanung und -kontrolle auf der einen Seite und der praktischen Ausgestaltung auf der anderen Seite zu finden. Neben einer Literatursichtung wurden daher auch von den beteiligten Unternehmen zur Verfügung gestellte Dokumente analysiert. Diese Dokumente umfassten die Investitionsrichtlinien, die Investitionsantragsformulare sowie die Investitionskontrollberichte. Auf diesen Erkenntnissen aufbauend fanden explorative Interviews mit den unmittelbar für das Investitionscontrolling verantwortlichen Controllern in den Unternehmenszentralen statt.
Auf Basis der so gewonnenen Erkenntnisse wurde anschließend ein Fragebogen entwickelt und die Datenerhebung durchgeführt. Die Datenerhebung basiert auf jeweils einem Fragebogen, der durch die operativ verantwortlichen Investitionscontroller beantwortet wurde sowie Fragebögen, die durch mehrere für Investitionsprojekte in den Unternehmen verantwortliche Manager ausgefüllt wurden. Vertiefend fanden nach der fragebogenbasierten Erhebung mehrstündige Interviews mit den angesprochenen Investitionscontrollern statt.
Im Anschluss an die Auswertung der Ergebnisse wurden diese zunächst den operativ verantwortlichen Controllern in einem eintägigen Workshop vorgestellt und ausführlich diskutiert. Abschließend wurden die Benchmarking-Ergebnisse den jeweiligen Controlling-Leitern der Unternehmen präsentiert.
Der Investitionsprozess
In der Benchmarking-Studie wurde neben dem Investitionsprozess auf Einzelinvestitionsebene auch der Rahmen gebende Prozess der Investitionsbudgetierung der Unternehmen untersucht. Der Schwerpunkt der Untersuchung lag jedoch auf der Durchführung von Einzelinvestitionen. Erste Gespräche mit den Investitionscontrollern im Vorfeld der Fragebogenerhebung hierzu ergaben, dass der in der Literatur dargestellte Investitionsprozess mit der Unterscheidung in Investitionsplanung und Investitionskontrolle nur eingeschränkt geeignet ist, die tatsächlich in der Praxis vorherrschenden Prozesse zweckmäßig zu gliedern. So finden zum einen bereits während der Investitionsplanung bestimmte Kontrollen statt (beispielsweise die Antragskontrolle). Zum anderen vollziehen sich nach der Genehmigung eines Investitionsprojekts inhaltlich zu differenzierende Prozessphasen, die unterschiedliche Arten und Schwerpunkte von Kontrollen notwendig machen. Daher führten wir eine Konzeptualisierung des Investitionsprozesses entlang der drei Prozessphasen Investitionsanbahnung, Investitionsrealisierung und Investitionsnutzung durch, wobei sich diese wiederum in Teilprozesse unterteilen. Hierbei wurde auf die in der Literaturanalyse identifizierten Prozesse zurückgegriffen, die dann durch weitere Prozessschritte aus der Praxis ergänzt wurden. Abbildung 3 stellt den Investitionsprozess mit den für das Benchmarking relevanten Teilprozessen dar. Diese bilden den Rahmen der empirischen Erhebung und geben die Struktur für die folgenden Ausführungen vor.
Beginnen wir mit der Investitionsanbahnung. Diese umfasst die Tätigkeiten der Problemformulierung, der Alternativensuche, der Prognose und der Bewertung sowie den Investitionsantrag selbst und die Antragskontrolle. Die Prozessschritte der Investitionsanbahnung verlaufen folglich von der Projektidee bis zur Genehmigung oder Ablehnung des Investitionsprojekts.
Wird ein Investitionsantrag genehmigt, dann schließt sich daran die Investitionsrealisierung an. Diese verläuft von der Genehmigung des Investitionsantrags bis zur Inbetriebnahme des Investitionsprojekts und umfasst demnach die Umsetzung des Investitionsvorhabens. Aus Controllingsicht stellt dabei die Fortschrittskontrolle einen sehr wichtigen Prozessschritt dar. Nach der Inbetriebnahme des Investitionsobjektes erfolgt schließlich die Nutzung der Investition sowie aus Controllersicht die Erfolgskontrolle.
In der Benchmarking-Studie wurden sämtliche Tätigkeiten untersucht, die gewöhnlich in den Aufgabenbereich des Zentralcontrollings fallen. Im Rahmen der Investitionsrealisierung und -nutzung ist dies vor allem die Fortschrittskontrolle beziehungsweise die Erfolgskontrolle. Diese lassen sich idealtypisch weiter in die Teilphasen der Kontrollplanung, der Ermittlung der Daten, des Vergleichs, der Abweichungsanalyse und der Erstellung des Berichts untergliedern.
Charakteristika der Investitionstätigkeit
Die Charakterisierung der Investitionstätigkeit der untersuchten Unternehmen stellt die Grundlage des Benchmarkings dar. Mit Hilfe dieser deskriptiven Daten kann ein Überblick über den zu untersuchenden Themenkomplex gewonnen werden. Darüber hinaus liefern die Daten erste Hinweise auf bestehende Gemeinsamkeiten und Unterschiede in den Investitionsprozessen der untersuchten Unternehmen. Dies ermöglicht im weiteren Verlauf der Studie eine differenzierte Auswertung der Daten.
Unsere Analyse der Literatur ergab, dass bisherige Studien die Bedeutung von Kontextfaktoren des Investitionscontrollings zwar vielfach hervorheben, eine systematische Untersuchung hierzu jedoch meist nicht erfolgt. Eine erste Analyse bei den zehn an der Benchmarking-Studie teilnehmenden Unternehmen zeigte, dass typische Unterscheidungsmerkmale, beispielsweise die Umweltdynamik oder die interne und externe Komplexität, keine sinnvollen Rückschlüsse auf die Investitionsprozesse der zehn Unternehmen zulassen. Vielmehr können wir feststellen, dass die Tätigkeiten und Aufgabenzuordnungen im Bereich des Investitionscontrollings in den untersuchten Unternehmen in beträchtlichem Umfang durch gewachsene Prozesse festgelegt sind. Daher ist eine starke Pfadabhängigkeit der Controllingstrukturen in diesem Bereich anzunehmen. Die Erhebung wesentlicher Merkmale der Investitionstätigkeit bezog sich deshalb primär auf typische Kennzahlen, wie das Investitionsvolumen, die Bearbeitungsquote durch das Zentralcontrolling, die Wertgrenze für Investitionsanträge sowie die Anzahl der Investitionsanträge an das Zentralcontrolling. Dabei stellt die Bearbeitungsquote des Zentralcontrollings eine Kenngröße dar, die das Investitionsvolumen, das durch das Zentralcontrolling bearbeitet wird, ins Verhältnis zum gesamten...