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E-Book

Jehovas Zeugen im KZ Dachau

AutorErhard Klein
VerlagBooks on Demand
Erscheinungsjahr2017
Seitenanzahl212 Seiten
ISBN9783744844192
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis13,99 EUR
Das Buch erzählt die Geschichte der Verfolgung von hauptsächlich deutschen und österreichischen Zeugen Jehovas unter dem NS-Regime. Den Kern bilden einerseits 30 Erlebnisberichte mit vielen Abbildungen ihrer Briefe und Dokumente aus dem KZ Dachau und andererseits mit zahlreichen Fotos versehene Darstellungen ihres Einsatzes in zahlreichen, zumeist im weiten Umkreis von Dachau gelegenen Arbeitskommandos. Ein Abriss der Geschichte dieser Religionsgemeinschaft in Deutschland bis zum Ende des Zweiten Weltkrieges und eine Schilderung der Schrecken des Lageralltags runden die Dokumentation ab. Dem Verfasser ist es als Mitarbeiter des Museums der KZ-Gedenkstätte Dachau gelungen - ohne religiöse Inhalte - allein durch die geschichtlichen Tatsachen ein Bild dieser mit dem Stigma des "Lila Winkels" versehenen Häftlingesgruppe zu zeichnen. Damit wurde eine Lücke in der der Literatur über das KZ Dachau geschlossen.

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Leseprobe

JEHOVAS ZEUGEN IN DEUTSCHLAND


Nachdem sich der Leser eine Vorstellung von den Umständen machen konnte, in denen die Menschen in Deutschland zwischen den beiden Weltkriegen lebten, folgt nun eine Beschreibung der Geschichte der Zeugen Jehovas in diesem Land und aus dieser Zeit. Sie wird zeigen, wie sie ihren Glauben trotz anfänglicher Behinderungen und späterer Verfolgung auslebten und verzweifelten Menschen wieder eine Hoffnung gaben. Politisch verhielten sie sich neutral, sie gehörten keiner Partei an und nahmen an Wahlen nicht teil, zahlten jedoch ehrlich ihre Steuern und befolgten die staatlichen Gesetze, soweit sie nicht mit ihren religiösen Grundauffassungen kollidierten. Auch fühlten sie sich keinem religiösen Zwang unterworfen, ihre persönliche Handlungsweise entsprang ihrer ureigensten Gewissensentscheidung. Da aber „ihre Glaubenspostulate mit den Forderungen des NS-Regimes in zentralen Bereichen unvereinbar waren, gerieten die prinzipientreuen und kompromisslosen IBV-Angehörigen 18-- beinahe unausweichlich -- in scharfen Gegensatz zum Nationalsozialismus, der seinerseits unbedingte Gefolgschaft forderte, für sich den ganzen Menschen beanspruchte und jeder abweichenden Weltsicht ihre Daseinsberechtigung bestritt. ... Keine andere Religionsgemeinschaft hat mit einer vergleichbaren Geschlossenheit und Unbeugsamkeit dem nationalsozialistischen Anpassungsdruck widerstanden. ... Die nonkonforme und radikale, zugleich aber nicht-umstürzlerische Haltung der Zeugen Jehovas entzieht sich der in der Widerstandshistoriographie herrschenden Kategorisierung. Denn sie trafen bewusst die Entscheidung, sich dem Nationalsozialismus unter dem Risiko ihres Lebens entgegenzustellen, und waren doch keine ´Widerstandskämpfer´. Obgleich die Zeugen Jehovas sich in großer Zahl dem weltanschaulichen Absolutheitsanspruch der Nationalsozialisten radikal verweigerten, dem Gleichschaltungsbestreben des Regimes widerstanden, ihm organisiert und mit äußerster Entschiedenheit entgegentraten und es -- zumindest in Wort und Schrift -- offensiv bekämpften, handelte es sich bei ihrer Gegenwehr dennoch nicht um einen politisch-zielgerichteten Widerstand, der den ´Führer-Staat´ zu erschüttern versuchte, auf einen Volksaufstand hoffte oder auf einen Staatsstreich hinarbeitete“.19

Die ersten Anfänge


Schon kurz nachdem Mitte der 1880er Jahre einige Veröffentlichungen der Wachtturm-Gesellschaft vom Englischen ins Deutsche übersetzt worden waren, schickten Amerikaner deutscher Abstammung Exemplare davon an Verwandte in ihrem Geburtsland. Einige kehrten auch nach Europa zurück und setzten sich persönlich für eine Verbreitung ihres Glaubens ein, indem sie ihre Zeit und ihre materiellen Mittel dafür verwendeten. So gab es zur Jahrhundertwende bereits eine Handvoll „Ernste Bibelforscher“ in Deutschland. Über das ganze Land verteilt waren „Keimzellen“ entstanden, von denen aus das Werk weiterwuchs und von wo aus bibelerklärende Literatur verbreitet wurde.

Auch durch Vortragsreihen wurde die Öffentlichkeit erreicht und vorgefundenes Interesse wurde gefördert. Die schwierige Zeit während des Ersten Weltkrieges konnte die Ausbreitung dieser Lehre nicht wesentlich beeinträchtigen, sodass im Jahr 1919 die Zahl ihrer Anhänger hier bei ungefähr 4000 lag 20. Nach dem für Deutschland verlorenen Krieg erkannten viele ehemalige Soldaten, dass sich der Spruch auf dem Koppelschloss: „Gott mit uns“ als ein Trugschluss erwiesen hatte. Sie konnten nicht glauben, Gott habe irgend etwas mit dem sinnlosen Morden zu tun. Viele, die damals den Glauben an Jehova annahmen, bestätigten, dass es gerade dieser grauenhafte Krieg war, der sie veranlasst hatte, auf die biblische Wahrheit zu hören, ein Krieg, der von weiten Teilen der großen Religionen gutgeheißen worden war.21

Gregor Wohlfahrt diente während des Ersten Weltkriegs im österreichischen Heer und kämpfte gegen Italien. Dieses schreckliche Erlebnis bewirkte, dass sich seine Einstellung zu Religion und Krieg vollständig änderte. Er sah österreichische Priester, die Truppen segneten und erfuhr, dass italienische Priester auf der anderen Seite dasselbe taten. Deshalb fragte er sich: „Warum werden katholische Soldaten dazu angetrieben, andere Katholiken zu töten? Sollten Christen gegeneinander Krieg führen?“ Nachdem er von seiner Kirche keine ihn zufriedenstellende Antwort erhalten hatte, fand er sie bei den Zeugen Jehovas.22

Kurt Dießner wandte sich innerlich von seiner Kirche ab, als er 1917 das Bild einer Glocke in einer Kirchenzeitung sah, die zu Granatringen umgeschmolzen werden sollte und die von einem Geistlichen mit den Worten gesegnet wurde: „Und nun gehet hin und zerreißt die Leiber eurer Feinde!“ Im Jahr 1920 schloss sich Kurt Dießner den damaligen Bibelforschern an.23

Wachstum nach dem Ersten Weltkrieg


„Die Botschaft vom Kommen des Königreiches Christi auf Erden, das auf Liebe, Gerechtigkeit und Frieden gegründet sein werde, ewiges Leben verheiße sowie mit einer Auferweckung der Toten einhergehe, fand insbesondere bei den direkt von den Schrecken des Krieges gezeichneten Bevölkerungsteilen Anklang. Kriegsversehrte und Witwen, deren Männer auf den Schlachtfeldern verblutet waren, Soldaten, die in den Schützengräben innerlich zerbrochen waren und Kirchenchristen, die Gott von den waffensegnenden Feldgeistlichen verraten sahen, diese Menschen waren es vor allem, die bei der Lehre des „Wachtturms“ Zuflucht nahmen“. 24

Bis in die frühe Nachkriegszeit verbreiteten die Zeugen Jehovas die Botschaft der Bibel hauptsächlich mündlich, durch persönliche Gespräche und Öffentliche Vorträge und schriftlich in Form von Büchern, Zeitschriften und Traktaten.

Ein Novum in der Medientechnik der damaligen Zeit stellte das „Photo-Drama der Schöpfung“ dar: Stummfilme und handkolorierte Lichtbilder, synchronisiert mit Musik- und Sprechplatten. Der Inhalt dieses Werkes behandelte die Zeit von der Erschaffung der Erde bis zum Ende der Millenniumsherrschaft Christi. Seine Vorführung dauerte 8 Stunden, viermal je zwei Stunden an vier aufeinanderfolgenden Tagen. In abgewandelter Form und unter dem Namen „Schöpfungsdrama“ war es noch viele weitere Jahre zu sehen. Zehntausende von Zuschauern sahen die Vorführungen allein in Deutschland und Hunderte bekundeten ihr Interesse.

Broschüren, wie zum Beispiel die im Jahre 1921 veröffentlichte mit dem Titel: „Millionen jetzt Lebender werden niemals sterben“ erregten das Interesse weiter Bevölkerungskreise und dieses Thema war auch Inhalt vieler öffentlicher Vorträge, bei denen an vier „Schwerpunkttagen“ im Jahr 1922 mehr als 250 000 Personen angesprochen worden waren.25 Auch das 1922 erschienene Buch: „Die Harfe Gottes“, das sich wegen der darin enthaltenen Erklärungen der Grundlehren der Bibel besonders für eine Besprechung mit daran interessierten Personen eignete, trug dazu bei, dass sich eine große Anzahl Menschen aus innerer Überzeugung den Bibelforschern anschloss.

Der immer größer werdende Bedarf an diesen religiösen Schriften erforderte eine neue Entwicklung. Nach kleinen Anfängen in Barmen/Elberfeld, die benötigte Literatur selbst herzustellen, wurde 1923 in Magdeburg ein eigenes Büro mit Druckerei gebaut, wodurch die nun immer größer werdende Nachfrage nach bibelerklärenden Druckerzeugnissen befriedigt werden konnte. Nach Erweiterungen in den folgenden Jahren war man in der Lage, pro Tag auf zwei Rotationsmaschinen in zwei Schichten zu je 12 Stunden 10 000 Bücher herzustellen. 26

Regelmäßig erschienen die beiden Zeitschriften „Der Wachtturm“ und „Das Goldene Zeitalter“ (heute: „Erwachet“ genannt) und weitere Bücher und Broschüren, sowie Flugblätter, welche unter anderem die bei ihren jährlich stattfindenden Kongressen gefassten Resolutionen enthielten, deren Inhalt aus wichtigen Glaubenslehren und aufrüttelnden Aufrufen bestand.

Die Druckschriften wurden von den Bibelforschern bei persönlichen Besuchen in den Häusern ihrer Mitmenschen abgegeben. Allein in Deutschland war es von 1919 bis 1933, dem Jahr, als ihre Tätigkeit verboten wurde, die für ihre geringe Anzahl von Predigern umso erstaunlichere Menge von 48 Millionen Büchern und Broschüren sowie 77 Millionen Zeitschriften27. Durch ihre intensive Missionstätigkeit stieg die Zahl derer, die sich an dieser Tätigkeit beteiligten, bis 1933 auf ca. zwanzigtausend Personen, eine Steigerung auf das Fünffache seit 1919, und weitere 5 000 fühlten sich eng mit ihnen verbunden. Nach Amerika war damals Deutschland das Land mit der höchsten Zahl von Zeugen Jehovas, und hier war wiederum Sachsen die Hochburg, so gab es in Dresden mit 1 430 Gläubigen im Jahr 1926 sogar um 200 mehr als in New York zur selben Zeit.

Bei vielen Menschen war die Lehre und die rege Tätigkeit der damaligen...

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