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E-Book

Karl Marx

AutorWilfried Nippel
VerlagVerlag C.H.Beck
Erscheinungsjahr2018
Seitenanzahl128 Seiten
ISBN9783406714191
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis7,49 EUR
Karl Marx hat als Politiker, Journalist und Wissenschaftler ein immenses Werk hinterlassen, das aber Zeitgenossen nur in kleinen Teilen bekannt war und überwiegend erst durch posthume Editionen erschlossen wurde. Begonnen hat dies Friedrich Engels, der zugleich auf vielfältige Weise seine Deutungshoheit über Leben und Werk von Marx etablierte - mit Nachwirkungen bis heute. Anlässlich des 200. Geburtstags von Marx legt Wilfried Nippel eine Darstellung vor, die sich auf dessen Wirkung in seiner Zeit konzentriert.

Wilfried Nippel ist em. Professor für Alte Geschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin. Von seinen wissenschaftsgeschichtlichen Arbeiten ist im Verlag C.H.Beck lieferbar: Johann Gustav Droysen. Ein Leben zwischen Wissenschaft und Politik (2008).

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Leseprobe

II. Der junge Marx


Über Kindheit und Jugend von Marx ist vergleichsweise wenig bekannt.

Der familiäre Hintergrund


Karl Marx wurde am 5. Mai 1818 in Trier als drittes Kind von Heinrich (*1777) und Henriette Marx, geb. Presburg (*1788) geboren, dem noch sechs weitere Geschwister folgen sollten.

Die Eltern stammten aus jüdischen Familien. Der Vater von Heinrich Marx hatte als Rabbiner in Saarlouis und von 1788 bis zu seinem Tode 1804 in Trier gewirkt. Dort gab es eine relativ kleine jüdische Gemeinde mit etwa einhundert Mitgliedern auf ca. 9000 Einwohner. Der in Preßburg (Bratislava) geborene Vater von Henriette Marx war um 1775 in die Niederlande gezogen und hatte es dort zu beachtlichem Wohlstand gebracht. Henriettes jüngere Schwester heiratete den Geschäftsmann Lion Philips, dessen Nachkommen den gleichnamigen Konzern begründen sollten.

Henriette brachte eine stattliche Mitgift in die 1814 geschlossene Ehe ein. Heinrich Marx, der ursprünglich als Verwaltungssekretär der jüdischen Gemeinde in Trier, ab 1811 als Gerichtsdolmetscher in Osnabrück tätig gewesen war, konnte in Trier eine Anwaltskanzlei eröffnen. Die Befähigung dazu hatte er in einem zehnmonatigen Kurzstudium an der Rechtsschule in Koblenz, einer französischen Gründung, erworben. Als Trier nach zwei Jahrzehnten Zugehörigkeit zu Frankreich 1815 Preußen eingegliedert wurde, zeichnete sich ab, dass die zuvor erreichte zivilrechtliche Gleichstellung der Juden wieder eingeschränkt würde, was auch die Zulassung zur Anwaltschaft betraf. Vermutlich deshalb konvertierte Heinrich Marx um 1819 zum Protestantismus. Der Schritt scheint nicht leichtgefallen zu sein, da die Kinder (einschließlich Karl) erst 1824 getauft wurden, die Ehefrau ein Jahr später. Heinrich Marx konnte mit seiner florierenden Kanzlei das Familienvermögen mehren und stieg zu einem angesehenen Mitglied der Trierer Gesellschaft auf, war lange Vorsteher der Trierer Anwaltschaft.

Mit seinem Vater hat Marx sich wohl bis zu dessen Tod 1838 insgesamt gut verstanden. Seine Mutter begegnet bis zu ihrem Tod Ende 1863 nur als Objekt von ständigen Bemühungen, Vorschüsse auf sein Erbe zu erhalten. Ihr Vermögen wurde nach dem Tod ihres Mannes von Lion Philips verwaltet.

Über die Bedeutung der jüdischen Herkunft für die Entwicklung von Karl Marx ist unendlich spekuliert worden. Für ihn war dies kein Thema. Marx hat ab 1830 das Trierer Gymnasium besucht und dort im September 1835 das Abitur mit guten, aber nicht herausragenden Ergebnissen abgelegt. Die 1925 publizierten Abituraufsätze lassen sich nur mit größter Anstrengung als Vorzeichen der weiteren intellektuellen Entwicklung deuten, obwohl dies, wie bei später bedeutenden Personen üblich, immer wieder geschieht.

Im Herbst 1836 verlobte sich der 18-jährige Marx heimlich mit der vier Jahre älteren, ihm seit Kindertagen bekannten Jenny von Westphalen, Tochter des 1816 als Regierungsrat von Salzwedel nach Trier versetzten Ludwig von Westphalen. Ihre Titulierung als «Ballkönigin und schönstes Mädchen von Trier» geht auf einen Brief von Marx an sie von 1863 zurück. Wegen des Übergehens der Eltern, des ungewöhnlichen Altersunterschiedes und der ungesicherten Position von Marx stieß diese Verbindung anfänglich auf Vorbehalte der Familien. Jennys Vater entwickelte aber eine Zuneigung zu Marx. Westphalen hatte Interesse an sozialen Fragen; Marx hat in den 1870er Jahren erzählt, von ihm habe er erstmals von den Ideen von Henri de Saint-Simon (zu einer von Technokraten gelenkten Planwirtschaft) gehört.

Die Westphalens waren eine zum gehobenen Beamtenstand zählende Familie ohne nennenswertes Vermögen, gehörten nicht zum preußischen Hochadel, wie Jenny später gern suggerierte. Ihr Vater hatte in Trier die letzte Stufe seiner Laufbahn erreicht. Ihr Halbbruder Ferdinand machte eine beachtliche Beamtenkarriere und wurde schließlich 1850–1858 preußischer Innenminister.

Der Student


Marx hatte gemäß der Vorgabe des Vaters zum Wintersemester 1835/36 ein Jurastudium in Bonn aufgenommen, belegte auch Vorlesungen in Klassischer Philologie und Kunstgeschichte. Dass er einmal eine eintägige Karzerstrafe wegen nächtlicher Ruhestörung im betrunkenen Zustand erhielt, zeigt ihn als ‹normalen› Studenten. Ansonsten gibt es zu seiner Bonner Zeit mehr Spekulationen als verlässliche Informationen.

Zum Wintersemester 1836/37 wechselte Marx an die Berliner Universität. Er besuchte juristische Vorlesungen, betrieb daneben ein Studium generale in geisteswissenschaftlichen Fächern. Dass er in Jura bei Eduard Gans promoviert hätte, wenn dieser nicht im Mai 1839 überraschend mit 41 Jahren gestorben wäre, ist Spekulation. Marx hatte sich schon zuvor auf Selbststudium und den Austausch im «Doktorclub» verlegt. Spiritus rector dieses Doktorandenzirkels war der Privatdozent der Theologie Bruno Bauer.

Bauer wurde im Herbst 1839 vom preußischen Kultusministerium wegen Konflikten mit dem Alttestamentler Ernst Wilhelm Hengstenberg, Repräsentant der Luther-Orthodoxie, nach Bonn versetzt, mit der Aussicht, dort demnächst eine besoldete Professur zu erhalten. Bauer drängte Marx, schnell zu promovieren und sich dann in Bonn für Philosophie zu habilitieren.

Marx begann im Herbst 1839 ernsthaft an einem Thema zur antiken Philosophie zu arbeiten. Zur Überraschung von Bauer reichte er seine Dissertation in Jena ein. Jena war als ‹Doktorfabrik› bekannt, deren schlecht bezahlte Professoren allein an den Gebühren interessiert waren. In Jena konnte man in absentia, ohne mündliche Prüfung, promovieren und eine auf Deutsch geschriebene Arbeit einreichen, auch in handschriftlicher Fassung. In Berlin wurde dagegen eine gedruckte Dissertation in lateinischer Sprache gefordert; für die lateinische Fassung professionelle Hilfe in Anspruch zu nehmen, war zulässig, kostete aber Zeit und Geld. Nach Annahme der Dissertation fand eine mündliche Prüfung statt, an der neben den fachnahen Gutachtern jeder Ordinarius der Fakultät teilnehmen konnte. Die öffentliche Disputation in lateinischer Sprache, die innerhalb von sechs Monaten nach der Prüfung stattzufinden hatte, war nur noch ein Formalakt.

In Jena ging alles ganz schnell. Marx schickte seine Arbeit am 6. April 1841 aus Berlin ab, angenommen wurde sie schon am 13. April, die Urkunde zwei Tage später ausgestellt. Der Dekan hatte festgestellt, die Dissertation zeuge von «Geist, Scharfsinn und Belesenheit»; die übrigen Ordinarien (nur sieben) stimmten im Umlauf zu. Es ist unwahrscheinlich, dass irgendeiner die Arbeit gelesen hat.

Eine zählebige Legende lautet, Marx sei wegen eines zunehmend reaktionären Klimas in Berlin nach Jena ausgewichen. Marx war politisch nicht aufgefallen. Die möglichen Prüfer hätten in ihm nicht einen gefährlichen Radikalen, sondern einen ihnen unbekannten Kandidaten gesehen. Marx war Ende 1840 nach vierjährigem Studium zwangsexmatrikuliert worden. Bei Neuimmatrikulation (und Fakultätswechsel) wären zusätzliche Gebühren angefallen. Das von der Mutter für Promotionszwecke überwiesene Geld war längst verbraucht. Zeit- und Geldgründe erklären hinreichend, warum die Dissertation in Jena eingereicht wurde.

Man weiß nicht, wie Marx auf sein Thema Differenz der demokritischen und epikureischen Naturphilosophie gekommen ist. Seitdem eine von ihm vorbereitete Druckfassung teilweise 1902, vollständig 1927 zugänglich wurde, ist evident, dass es, anders als angesichts des Promotionsverfahrens zu erwarten, eine höchst anspruchsvolle, primär philologische Arbeit war. Von den nur indirekt überlieferten Autoren Demokrit (gest. zwischen 380 und 370 v. Chr.) und Epikur (341–270 v. Chr.) gab es damals noch keine Sammlungen von Fragmenten, so dass Marx sich seine Materialbasis für den diffizilen Vergleich durch Durchsicht einer Vielzahl späterer, Paraphrasen und Zitate bietenden Quellen selbst erarbeiten musste.

Sein weitergehendes Erkenntnisinteresse lässt sich aus wenigen Andeutungen erschließen. Er wollte Epikur als Quasi-Atheisten würdigen, der die Autonomie des Menschen in Absetzung vom Götterglauben beschwor. Marx verstand dies als Ergänzung und Korrektur von Hegels Philosophiegeschichte, welche die nacharistotelische Philosophie nicht hinreichend gewürdigt habe. Dies korrespondierte mit dem Interesse anderer Hegelianer: Wenn es nach Aristoteles noch Philosophie geben konnte, die diesen Namen verdiente, dann war dies auch nach Hegel möglich.

Marx war im Juli 1841 noch in der Hoffnung auf eine akademische Karriere nach Bonn umgezogen. Diese Ambition musste er aufgeben. Abgesehen davon, dass die Anerkennung ...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Zum Buch2
Über den Autor2
Titel3
Impressum4
Inhalt5
I. Einleitung6
II. Der junge Marx9
III. Die erste Station im Exil: Paris17
IV. Die zweite Station im Exil: Brüssel27
V. Im Revolutionsjahr 1848/4943
VI. London – Das Elend des Exils60
VII. Neustart in London83
VIII. Politiker hinter den Kulissen94
IX. Ein unvollendetes Hauptwerk114
X. Der Urmarxismus122
Literatur128

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