7Einleitung: Keine Panik!
Wie viele Einfamilienhäuser von Bauträgern erstellt und an Privatkunden verkauft werden, dazu gibt es keine aktuellen verlässlichen Zahlen. Schätzungen gehen von knapp 35 bis 60 Prozent der neu erstellten Häuser aus. Nach Umsatz liegt nach einem Bericht des Bundesverbands der Deutschen Volksbanken und Raiffeisenbanken (BVR) der Anteil der Bauträger am Wohnungsbau 2012 bei 30,4 Prozent – da Bauträger häufig im Sektor preiswerter Häuser unterwegs sind, dürfte der Anteil an den fertig gestellten Häusern deutlich höher liegen. (Quelle: VR Branchen spezial Dezember 2013). Festzustellen ist aber: in vielen Baugebieten gibt es gar keine Alternative zum Bauträgerkauf, denn diese werden häufig von der jeweiligen Kommune mit der Erschließung und Vermarktung beauftragt.
Insbesondere bei Doppel- und Reihenhausprojekten ist es mittlerweile fast immer ein Bauträger, der die Grundlagen für den Wohnungsbau legt. Die Besitzer von Bauland haben es nun einmal gerne mit nur einem Käufer zu tun, und der Bauträger nimmt ihnen das Gelände komplett ab, erschließt es und plant die Bebauung.
Gerade für Häuslebauer mit beschränktem Budget gibt es kaum eine Alternative zum Bauträger.
Bauträgerkauf bedeutet, dass der zukünftige Hausbesitzer ein noch nicht bestehendes Gebäude kauft, dessen Eigenschaften in einem Kaufvertrag und in einer Baubeschreibung festgelegt sind. Für die Erstellung des Gebäudes ist der Bauträger zuständig. Im Prinzip könnte gelten: der Käufer unterschreibt den Kaufvertrag und schaut erst wieder bei dem ausgewählten Grundstück vorbei, wenn die vorgesehene Übergabe des Gebäudes erfolgt. Er ist nämlich nicht Bauherr, und 8wenn er sich nicht entsprechende Rechte hat zusichern lassen, dann hat er mit der Erstellung des Hauses nichts weiter zu tun. Soweit die Theorie, glücklicherweise hat auch der Bauträger kein Interesse daran, dass sich der Käufer überhaupt nicht um sein künftiges Eigenheim kümmert, und für den Käufer ist es selbstredend schlauer, sich in Sachen Baufortschritt auf dem Stand der Dinge zu halten.
In diesem Buch wird sehr häufig die Rede davon sein, was beim Kauf vom Bauträger alles schief gehen kann. Es gibt viele Negativbeispiele, und die Auflistung aller möglichen Fallstricke ist lang.
Dennoch gilt: keine Panik. Die große Masse der Bauträgerkäufe geht ohne die ganz großen Probleme über die Bühne, und keineswegs soll der Eindruck erweckt werden, der Bauträger „an sich“ sei grundsätzlich ein Schurke, der arglose Käufer hinters Licht führen und betrügen will. Das wäre vollkommen falsch, denn der Markt besteht überwiegend aus mittelständischen Firmen, die in überschaubarer Anzahl Projekte realisieren und schon sehr vielen zufriedenen Käufern zum eigenen Heim verholfen haben.
Allerdings sollten Sie sich als Käufer auch darüber im Klaren sein, dass der Bauträger vor allem das Interesse hat, am Kauf des Baulands und der Erstellung des Gebäudes Geld zu verdienen. Dazu versucht er vor allem, von den Skalenkosten bei der Erstellung – etwa eines Reihenhauses – zu profitieren. Das heißt: im Gegensatz zum normalen Bauherrn kauft er bei den durch ihn beauftragten Handwerkern mit „Mengenrabatt“ ein und verhandelt seine Preise aus einer viel stärkeren Position heraus, als das ein einzelner Hausbauer könnte.
Damit kommt für den Käufer eine weitere Interessengruppe ins Spiel, über deren Motive er sich im Klaren sein muss: die Ersteller der einzelnen Gewerke von Rohbau über Dach bis Innenausbau. Diese Handwerker müssen, um den für sie interessanten, umfangreichen Auftrag zu bekommen, in der Kalkulation der Preise große Zugeständnisse an den Bauträger machen. Diese Preise decken möglicherweise gerade so die entstehenden Lohn- und Materialkosten, aber der unternehmerische Gewinn kommt oft aus einem anderen Bereich: den Sonderwünschen der Käufer. Alles, was über die kaufvertraglich zugesicherten und in der Baubeschreibung fixierten Leistungen hinausgeht, muss in der Regel bei ihnen in Auftrag gegeben werden. Mit dem Handwerker muss dabei der Preis vereinbart werden, und die Versuchung ist für diesen folglich groß, über hohe Preise hier seinen Gewinn zu realisieren.
9Auch wenn dem Käufer niemand „böse“ will: die Interessen zwischen Käufer, Bauträger und seinen Subunternehmen sind nun einmal nicht deckungsgleich, und der Käufer ist meist in der schwächeren Position. Er tätigt wahrscheinlich zum ersten (und voraussichtlich auch einzigen) Mal das größte Geschäft seines Lebens, während es bei seinen Vertragspartnern zur Routine gehört. Deren Wissensvorsprung ist enorm, und daher besteht auch bei den gutwilligsten Anbietern das Risiko, dass der Käufer für sein Geld nicht die Gegenleistung erhält, auf die er Anspruch hat.
Wer sein Traumhaus haben will, der muss selbst beim Kauf vom Bauträger viel Zeit und Engagement in die Bauphase stecken. Der informierte und stets präsente zukünftige Eigenheimbesitzer hat den Erfolg des Projekts in der Hand.
Über dieses Buch
Dieser Ratgeber soll dazu beitragen, das Erfahrungs- und Wissensungleichgewicht zwischen Käufer und Vertragspartnern zu mindern. Sie als Käufer sollen eine Vorstellung davon bekommen, an welchen Stellen Sie besonders gefordert sind, Ihre Interessen zu erkennen, zu artikulieren und festzuschreiben.
Ich habe selbst vor geraumer Zeit vom Bauträger gekauft, und ich würde niemals grundsätzlich davon abraten. Weder war meine Erfahrung ausschließlich negativ, allerdings auch nicht durchweg positiv. Vieles haben wir in der Kauf- und Bauphase richtig gemacht, aber auch manches versäumt. Zusätzlich zu dem Expertenwissen der Sachverständigen gibt dieser Ratgeber daher auch meine Erfahrungen aus der Praxis des „Hauskäufers“ an Sie weiter – dieser Blick ist sicher ein etwas anderer als der eines reinen Bausachverständigen.
Dabei ist mir vollkommen klar, dass der Zeitpunkt, zu dem Sie dieses Buch in Händen halten, möglicherweise gar nicht mehr zulässt, dass Sie es von vorne bis hinten durchlesen oder gar intensiv durcharbeiten. Denn möglicherweise ist Ihre Entscheidung für den Kauf von einem Bauträger bereits gefallen oder Sie stehen ganz kurz davor. Das ist nicht dramatisch, auch wenn Sie jetzt möglicherweise unter Zeitdruck stehen.
In der Gestaltung dieses Buches habe ich Rücksicht auf Ihr angespanntes Zeitbudget genommen, allerdings mit dem Anspruch, dennoch umfassende und tiefgehende Informationen zu liefern. Daher finden Sie Zusammenfassungen der einzelnen Themen als Schnellüberblick 10am Beginn jedes Kapitels. Es folgen dann zu jedem der angesprochenen Punkte ausführliche Erläuterungen in den einzelnen Zwischenabschnitten der Kapitel. Im Anhang des Buches finden Sie umfangreichere Tabellen und sowie Kontaktinformationen zu angesprochenen Organisationen oder Informationsquellen.
Ausdruckbare Fassungen der Checklisten und Tabellen finden Sie auf der Webseite www.kaufen-vom-bautraeger.de. Das Passwort zu den dort für Sie zugängigen PDF-Dokumenten lautet „KeinePanik“. Dort finden Sie auch die Links aus diesem Buch zu weiteren Informationsangeboten im Internet.
Damit Sie nichts Wichtiges überspringen – überlegen Sie bitte gut, ob Sie einzelne Kapitel, vor allem die Phase vor Vertragsabschluss betreffend, beiseite lassen wollen. Auch wenn Ihnen manches lästig erscheint, ist es trotzdem meist sinnvoll, dass Sie sich beispielsweise die Arbeit machen, Ihren individuellen Wohnbedarf noch einmal zu überprüfen.
Das Schema eines Bauträgerkaufes, an dem sich auch der Aufbau dieses Buchs orientiert, sieht vereinfacht so aus:
- Entwicklung der eigenen Wohnvorstellungen. In Kapitel 1 finden Sie dazu Anhaltspunkte, vor allem was die Wohnfläche und die Zimmeraufteilung angeht. Und damit dieses nicht im luftleeren Raum vonstatten geht, wird schon hier auch über Geld geredet.
- Auswahl und Bewertung von Angeboten verschiedener Bauträger und Vergleich mit den eigenen Wohnvorstellungen. Dazu geht es in Kapitel 2 um Grundlagenwissen zu Haustypen und Ausstattungsmerkmalen, in Kapitel 3 erhalten Sie die Werkzeuge an die Hand, um Bauträgern und ihren Angeboten auf den Zahn zu fühlen.
- Finanzierung klären. Es gibt ein paar Besonderheiten beim Bauträgerkauf, aber auch sehr allgemeine Grundsatzentscheidungen wie bei jedem Immobilienkauf, die in Kapitel 4 geklärt werden. Aber: warten Sie mit dem Lesen dieses Abschnitts nicht bis zum Kauf, denn die Grundlagen einer soliden Finanzierung können Sie schon weit vor dem Vertragsabschluss für das Haus legen.
- Thema des 5. Kapitels sind die Vorschriften zu den energetischen Eigenschaften des Hauses.
- 11Vertragsverhandlungen und -abschluss. In den Kapiteln 6 und 7 geht es um die zentralen Bestandteile des Bauträgerkaufs: die Baubeschreibung, die Sie noch in der Angebotsphase prüfen sollten, und den Kaufvertrag, der Ihnen meist erst bei fortgeschrittenen Verhandlungen vorgelegt wird.
- Erschließung und Herrichtung des Grundstücks sowie Errichtung des Hauses und, soweit vereinbart, der Außenanlagen. Um die Baubegleitung geht es in Kapitel 8.
- Abnahme. Der juristische Akt der Abnahme wird häufig unterschätzt, außerdem geht es um Gewährleistungsfristen, ebenfalls in Kapitel 8.
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