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E-Book

Kinder lernen Sprache(n)

Alltagsorientierte Sprachförderung in der Kindertagesstätte

AutorYvonne Adler
VerlagKohlhammer Verlag
Erscheinungsjahr2011
Seitenanzahl240 Seiten
ISBN9783170229105
FormatPDF/ePUB
KopierschutzWasserzeichen/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis23,99 EUR
Dieses Buch wendet sich an Erzieherinnen, die Sprachförderung in den Kindergartenalltag einbeziehen wollen. Es vermittelt grundlegende Kenntnisse über den Erwerb der Sprache durch die Kinder, wobei sich ein Kapitel mit dem Zweitspracherwerb der deutschen Sprache befasst. Strategien der Kinder und Lehrverhalten von Erwachsenen werden auf den unterschiedlichen Sprachebenen betrachtet. Auf der Grundlage aktueller Ergebnisse zum Spracherwerb, werden Möglichkeiten zur Feststellung sprachlicher Fähigkeiten und zur Förderung der Sprachentwicklung gezeigt. Es wird auf besondere Stolpersteine aufmerksam gemacht und anhand vielfältiger Praxisbeispiele aufgezeigt, wie die Kinder auf ihrem Weg zur Sprache oder auch Zweitsprache unterstützt werden können.

Dr. Yvonne Adler ist Privatdozentin für Sprachbehindertenpädagogik. Sie arbeitet im Bereich der frühen Sprachförderung, bildet Erzieherinnen weiter und fördert Kinder im Alltag der Kindertagesstätte, daneben hält sie Seminare an der Universität Leipzig.

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Leseprobe

2

Ziele und Inhalte früher Sprachförderung


2.1 Frühe Sprachförderung


Wenn von früher Förderung gesprochen wird, so richten sich diese Angebote häufig an Familien mit behinderten oder von Behinderung bedrohten Kindern. In das System der Frühförderung werden alle so genannten Risikokinder einbezogen. Diese Risiken können auf biologischer, mentaler, psychischer, emotionaler als auch sozialer Ebene auftreten.

Frühe Hilfen richten sich in der Regel an Kinder der Altersgruppe von 0 Jahren bis zum Schuleintritt. Sie umfassen sowohl Unterstützungsleistungen für das Kind selbst als auch für sein soziales Umfeld, dabei sowohl die Familie als auch die gesamtgesellschaftlichen Rahmenbedingungen betreffend. Frühe Hilfen sind offen für alle Formen der Entwicklungsbeeinträchtigung“ (Orthmann/Bless, 2009, 16).

Häufig setzt Förderung bei bereits aufgetretenen und diagnostizierten Entwicklungsverzögerungen oder -störungen ein. Diese Art von Förderung sind im Sinne Baumgartners (2006) Maßnahmen, die sich systematisch „…, d.h. gezielt, planvoll und strukturiert auf ein definiertes Ziel“ (273) richten. „Sprachförderung verwendet lehrbare und trainierbare Maßnahmen“ (Baumgartner, 2006, 273). Sie setzen eine entsprechende Diagnose voraus und werden von Fachleuten in speziellen Einrichtungen durchgeführt. Diese Art der Intervention richtet sich nicht nur auf den rehabilitativen Bereich, sondern mehr und mehr auch auf die Prävention von Störungen.

„Die präventive Ausrichtung der Frühförderung, die sowohl vom Gesetzgeber als auch vom pädagogischen Verständnis her gewünscht und öffentlich finanziert wird, richtet sich an Kinder, bei denen negative einflussnehmende Faktoren auf die spätere kindliche Entwicklung erkennbar sind, sodass ein Entwicklungsrisiko besteht“ (Kauschke, Siegmüller, 2005, 287).

Neben dieser institutionalisierten Frühförderung sollte es aber eine Förderung geben, die alle Kinder betrifft und sie in ihrer Entwicklung unterstützt. Reich (2008) unterscheidet zwischen einer Sprachförderung im weiten Sinne als einer Förderung für alle und einer Sprachförderung im engen Sinne, die auf den Ausgleich von weniger entwickelten Fähigkeiten gerichtet ist. Es ist zu fordern, dass alle Kinder sowohl eine optimale Förderung ihrer Fähigkeiten erhalten als auch eine spezifische Förderung, wenn die Gefahr einer Entwicklungsbeeinträchtigung besteht. Beide Arten der Förderung sollten sich ergänzen. Eine Unterstützung der Entwicklung sprachlicher Fähigkeiten (allgemeine sprachliche Förderung) weitet gleichzeitig den Blick auf die Sprache und ermöglicht das frühere Erkennen von Entwicklungsauffälligkeiten. Besondere Begabungen, aber auch Verzögerungen können rechtzeitig bemerkt und entsprechende spezifische Fördermaßnahmen gezielt initiiert werden.

Der allgemeinen Förderung der sprachlichen Entwicklung kommt in den Konzeptionen zur Bildung und Erziehung in Kindertagesstätten aller Bundesländer ein hoher Stellenwert zu. Allgemeine sprachliche Förderung bedeutet dabei nicht, dass ohne genaue Kenntnisse der Spracherwerbsprozesse und nur oberflächlich und unspezifisch mit den Kindern gearbeitet wird. Im Gegenteil, eine allgemeine Sprachförderung beinhaltet die gezielte Förderung aller sprachlichen Kompetenzen der Kinder entsprechend ihres Entwicklungsstandes. Der Spracherwerb vollzieht sich im Rahmen der Interaktionen des Kindes mit seiner Umwelt. In seiner engen Vernetzung mit der Gesamtheit der Reifungs- und Entwicklungsbedingungen und -vorgänge des Kindes geschieht er eingebettet in diese. Dem Kind kommt dabei eine hohe Eigenaktivität und Dynamik zu.

Frühe Sprachförderung soll hier als eine Unterstützung dieses Prozesses verstanden werden.

Frühe Sprachförderung unterstützt die Kinder beim Erwerb der Erst- oder auch Zweitsprache in ihrem Alltag. Dabei spielen solche Institutionen wie Kindertagesstätten eine besondere Bedeutung.

Alltagsintegrierte Sprachförderung soll eine auf den individuellen Fähigkeiten der Kinder basierte und handlungsorientierte Gruppenförderung sein. Sprachförderung ist dabei durchgängiges Prinzip der Gestaltung des Alltags in der Kindertagesstätte und soll nicht nur punktuell oder zu bestimmten Fördereinheiten erfolgen. So kann die Sprache der Kinder von Anfang an umfangreich gefördert werden und Auffälligkeiten werden rechtzeitig erkannt. Desgleichen kann zielgerichtet schulvorbereitend gewirkt werden. Basis einer solchen Förderung ist die Befähigung von Bezugspersonen zu einer beobachtungsbasierten und alltagsintegrierten Förderung sprachlicher Fähigkeiten von Kindern vom Krippen- bis zum Schulalter, die sich an den individuellen sprachlichen Fähigkeiten und Entwicklungsverläufen orientiert. Auf der Grundlage der Sensibilisierung von Eltern und Erzieherinnen mit Hilfe von Kenntnissen über Spracherwerbsmechanismen und -verläufe, unterstützt durch Instrumentarien zur Beobachtung der sprachlichen Fähigkeiten, sollen diese befähigt werden, alltägliche Situationen effektiver sprachfördernd zu nutzen. Insbesondere Erzieherinnen, aber auch den Eltern sollten entsprechende Sprachlehrstrategien bewusst gemacht bzw. vermittelt werden (Adler, 2006).

Sprachförderung soll systemisch aufgebaut sein. Sie orientiert sich an Meilensteinen des Spracherwerbs, an Erwerbsmechanismen und -strategien und nutzt kommunikative Kontexte des kindlichen Alltags mit Hilfe sprachfördernden Verhaltens (Anwendung von Sprachlehrstrategien und Modellierungstechniken) so aus, dass den Kindern der Erwerb der Sprache durch eine Anpassung des Inputs (Sprachangebotes) und der Situation an ihre Wahrnehmungs- und Verarbeitungsmöglichkeiten erleichtert wird.

Systemische Förderung meint ein Eingebettetsein in eine umfassende Förderung der Persönlichkeitsentwicklung der Kinder innerhalb ihres Lebensumfeldes. Einzelne Entwicklungsbereiche werden dabei nicht isoliert betrachtet, sondern im Sinne eines ökologischen Ansatzes wird ihre gegenseitige Bedingtheit gesehen. Es soll ein ausgewogenes Verhältnis zwischen ihnen gestaltet werden.

Sprache muss von Anfang an gefördert werden. Die Förderung sollte dabei nicht in Form eines „Förderbades“ (Penner, 2004), sondern zielgerichtet, an den Erwerbsreihenfolgen und -mechanismen orientiert, erfolgen. Meilensteine des Spracherwerbs (siehe Kapitel 3) als wichtige Indikatoren für dessen ungestörten Verlauf geben die Schwerpunkte für die Förderung vor. Je nach Entwicklungsalter der Kinder und in Zusammenhang mit allgemeinen Voraussetzungen des Spracherwerbs ergeben sich unterschiedliche Schwerpunkte der Förderung, die in den Alltag der Kinder integriert werden sollten. Sprachförderung muss deshalb Prinzip der Arbeit im Kindergartenalltag werden und darf sich nicht auf 10 Minuten täglich reduzieren.

Das Hauptinstrument der Förderung stellt die Sprache dar, die das Kind in seinem Umfeld in unterschiedlichen Funktionen und Formen erlebt. Der Gebrauch der Sprache durch das Kind und durch die Bezugspersonen hat gleichzeitig Wissen vermittelnde Funktion und dient als Modell zur Analyse und zum Erkennen sprachlicher Phänomene und von Regeln. Die Art und Weise, wie Bezugspersonen mit der Sprache und eventuellen Fehlern der Kinder umgehen, hat einen Einfluss auf den Spracherwerb durch die Kinder. Aufgabe der Erzieherinnen und der Eltern ist es, ihre Sprache so zu gestalten, dass die Kinder die Regeln erkennen und verarbeiten können. Darüber hinaus müssen sie Gelegenheiten erhalten, sich aktiv mit der Sprache auseinanderzusetzen. Auf falsche Hypothesen, die die Kinder beim Regelerwerb bilden, müssen die Bezugspersonen so reagieren, dass die richtige Form für die Kinder erkennbar wird und dennoch die Kommunikation aufrecht erhalten bleibt. Durch eine direkte Korrektur ist dies häufig nicht zu gewährleisten und führt eher zu Frustrationen auf der Seite des Kindes und zu sprachlicher Zurückhaltung. Erwachsene haben die Aufgabe, den Kindern die zu erwerbenden Strukturen in fassbarer Form zu präsentieren. Ein häufiges Verwenden und die Anregung des Kindes, dies ebenfalls zu tun, wirkt dabei unterstützend. Auf noch unkorrekte Äußerungen der Kinder muss jeweils kommunikativ mit einer Präsentation der richtigen Form im Sinne der Modellierung (siehe Kapitel zur Förderung) reagiert werden. Sprachförderung ist demnach eine bewusste Gestaltung und gegebenenfalls Veränderung des eigenen sprachlichen oder besser kommunikativen Verhaltens, und dies vom ersten Lebenstag an.

Auch wenn die Zeit unmittelbar vor dem Schuleintritt eine sehr wichtige Phase ist, in der verstärkt Wert auf die Förderung insbesondere sprachlicher Fähigkeiten gelegt werden sollte, so reicht „Vorschulförderung“ allein nicht aus. Die für den Lernerfolg der Schule notwendigen Voraussetzungen und Fähigkeiten erwirbt das Kind nicht erst im letzten Jahr, bevor es in die Schule kommt. Es ist wichtig, den Kindern zum richtigen Zeitpunkt, also an der Entwicklungslogik orientiert, Anregungen und Unterstützung für ihre Entwicklung zu geben. Nur so wird erreicht, dass Fähigkeiten und Kenntnisse alters- oder besser entwicklungsgerecht erworben werden und sich gut entfalten können. Gleichzeitig werden bei der Beachtung von Erwerbssequenzen Verzögerungen deutlich, denen dann rechtzeitig durch weitere unterstützende Maßnahmen begegnet werden kann.

Alltagsintegrierte Förderung soll eine Unterstützung der Entwicklung aller Kinder durch geeignete Anregungen und Methoden sein. Bei auftretenden Schwierigkeiten und Verzögerungen muss diese durch eine intensivere, meist von Fachleuten gewährleistete Förderung ergänzt...

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