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Kognitive Therapie nach Aaron T. Beck

Therapeutische Skills kompakt

AutorFrank Wills
VerlagJunfermann
Erscheinungsjahr2014
Seitenanzahl176 Seiten
ISBN9783955711337
FormatPDF/ePUB
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis18,99 EUR
Einführung in die kognitive Therapie nach Aaron T. Beck Neben Albert Ellis zählt vor allem Aaron T. Beck zu den Begründern der kognitiven Therapien. Beck unterzog die Psychoanalyse bei der Behandlung von Depressionen einer kritischen Überprüfung und kam zu dem Schluss, dass sie zu langwierig sei und keine nennenswerten Verbesserungen erziele. Eine kognitive Therapie der Depression sollte Abhilfe schaffen und in den Vordergrund rücken, wie Patienten ihre Wahrnehmung aktiv gestalten. Die Prinzipien der kognitiven Therapie nach Beck sind inzwischen erfolgreich auf viele weitere psychische Störungen übertragen worden. Frank Wills erläutert in diesem Buch ihre Entstehung und typischen Merkmale sowie Unterscheidungsmerkmale, die sie von anderen psychologischen Ansätzen abgrenzt. Dieses Buch ist ein weiterer Band aus der Reihe 'Therapeutische Skills kompakt', in der Theorie und Praxis einzelner Therapieformen fundiert und kurzweilig vorgestellt werden.

Frank Wills, selbstständiger Kognitiver Psychotherapeut, Supervisor und Trainer in Bristol sowie Dozent an der University of Wales, Newport.

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Leseprobe

2. Unterschiedliche Problembereiche werden in der kognitiven Therapie durch spezifische kognitive Themen abgegrenzt


„Ein herausragendes Merkmal der breit gefächerten Anwendung der kognitiven Therapie war die Bedeutsamkeit der kognitiven Spezifität. Jede Störung hat ihre eigene, spezifische Konzeptualisierung[7] und ihre eigene Gruppe von relevanten Strategien, die unter den allgemeinen Prinzipien der kognitiven Therapie zusammengefasst sind.“

(Beck, 1991, S. 368)

Der Prozess der Identifikation spezifischer Problembereiche in der kognitiven Therapie begann eines Tages in den späten 1950er-Jahren, als Beck, der damals noch die Psychoanalyse praktizierte, sich anhörte, wie eine Klientin ihre sexuellen Erlebnisse schilderte (Beck, 1976). Die Klientin hatte dies zuvor getan, ohne aufgewühlt zu sein, aber nun zeigte sie plötzlich große Anzeichen von Leid und weinte. Aus orthodox-psychoanalytischer Sicht wäre das Leid die Folge des Zutagetretens vormals unterdrückter Gefühle oder Erinnerungen, jedoch enthüllte die Klientin keine neuen Informationen. Hierdurch neugierig geworden, begann Beck, sie hinsichtlich ihrer Erfahrungen zu befragen, wobei er herausfand, dass neben den Gedanken über die sexuellen Erlebnisse ein „zweiter Gedankenstrom“ bei seiner Klientin existierte, der Gedanken wie „Er wird schlecht von mir denken“ und „Ich langweile ihn“ beinhaltete. Später definierte Beck diese Arten von Gedanken als „negative automatische Gedanken“ (NAGs) und entdeckte, dass sie ein allgegenwärtiges Element in den Beschreibungen des inneren Prozesses beim Erleben psychischen Leids darstellten, die seine Klienten auf Nachfrage hin abgaben. Das Konzept eines zweiten Gedankenstroms ähnelt Albert Ellis’ Sichtweise, der zufolge oft „irrationale Sätze“ neben den „rationalen Sätzen“ der Klienten existieren (Ellis, 1962). In manchen Fällen können diese unterschiedlichen Gedankenströme das Resultat unterschiedlicher Verarbeitungssysteme sein, die bis zu einem gewissen Grad unabhängig voneinander arbeiten. Epstein (1998) beispielsweise bezieht sich auf die „rationalen“ und die „erlebnisbezogenen“ Verarbeitungssysteme, und Teasdale (1996) spricht von „propositionalen“ und „implikationalen“ Bedeutungssystemen. Die Existenz unterschiedlicher Verarbeitungssysteme kann uns dabei helfen, Konflikte zwischen „Kopf und Herz“ zu verstehen – etwa dann, wenn ein Klient sagt „Ich weiß, dass ich aufhören sollte, aber ich fühle, dass ich weitermachen muss.“

Während Beck ein immer breiteres Spektrum an NAGs identifizierte, bemerkte er bestimmte Themen, die je nach dem sich darstellenden Problembereich variierten. So berichteten beispielsweise depressive Klienten von NAGs mit den charakteristischen Themen Verlust (wie „Niemand schätzt mich mehr.“) und Niederlage („Ich war einfach nicht gut genug, um den Test zu bestehen.“). Ängstliche Klienten hingegen schilderten NAGs, die eine gedankliche Beschäftigung mit wahrgenommenen Gefahren oder Bedrohungen offenbarten („Ich werde davon überwältigt werden“ und „Damit werde ich nicht fertig“). Feindselige und zornige Klienten berichteten von Gedanken, die von einer Auseinandersetzung mit Grenzverletzungen und Ungerechtigkeiten zeugten. Die Grenzverletzungen konnten dabei sowohl in Tatsünden („Er hat mich wie Dreck behandelt“) als auch in Unterlassungssünden („Sie scheint zu vergessen, dass ich auch Bedürfnisse habe“) bestehen.

Der Leser wird hier die häufige Gegenwart interpersoneller Themen in diesen Gedanken bemerken (siehe Kapitel 17), er sollte jedoch bedenken, dass die Themen auch intrapersonaler Natur sein können, insbesondere im Hinblick auf Selbstkritik – etwa „Ich hasse mich dafür, dass ich so schwach bin“ und „Ich bin bloß ein Versager“. Allerdings ist auch in derartigen Gedanken ein implizites interpersonelles Thema erkennbar, da sie sich oft auf der Existenz anderer Menschen begründen, die „stark“ und „Gewinner“ sind und mit denen der Klient sich möglicherweise vergleicht.

Die Vorlage der „kognitiven Spezifität“ wurde von Beck und seiner Gruppe und später auch von anderen Autoren erweitert. Eine große Zahl von Forschungsbefunden verifizierte, dass kognitive Themen zwischen unterschiedlichen Gruppen von Klientenproblemen klar voneinander abgrenzbar sind (Clark & Steer, 1996). Dabei beinhaltet die Liste spezifischer Themen unter anderem die folgenden (siehe Tabelle 1.1):

Problembereich

Kognitives Thema

Forscher / Autoren

Depressionen

Verlust, Niederlage

Beck et al. (1979b)

Angststörungen

Gefahr, Bedrohung

Beck & Emery (1985)

Panikstörung

Physische oder mentale Katastrophe

Clark (1996)

Zwangsstörung

Übersteigertes Verantwortungsgefühl

Salkovskis (1991)

Substanzmissbrauch

Permissive Überzeugungen

Beck et al. (1991)

Essstörungen

Selbstkritik

Vitousek (1996)

Soziale Phobie

Furcht vor Werturteilen anderer

Wells (1997)

PTBS

Drohende Gefahr

Ehlers & Clark (2000)

Tabelle 2.1: Spezifische, vom Problembereich abhängende Themen der Klienten

Diese einfache Tabelle wird der Reichhaltigkeit der „kognitiven Architektur“ dieser Problembereiche nicht gerecht, weshalb dem Leser an dieser Stelle nachdrücklich angeraten sei, hierfür die Schriften der zitierten Autoren zu lesen. Beschreibungen des Innenbereichs der Denkprozesse von Klienten mit diesen spezifischen Problemen stellen eine unglaublich wertvolle Fundgrube für Praktizierende dar, die deswegen keine Mühe scheuen sollten, um sich umfassend mit ihnen vertraut zu machen.

Die starke Betonung der Spezifität kognitiver Inhalte ist ein einzigartiges Merkmal von Becks kognitiver Therapie. Demgegenüber hat sich die Rational-Emotive Verhaltenstherapie (REVT) mehr auf generelle irrationale Überzeugungen konzentriert, auch wenn einige Autoren innerhalb dieser therapeutischen Tradition störungsspezifische Inhalte mit Bezug zu den Überzeugungen identifizierten (Dryden & Hill, 1992).

Clark und Steer (1996) argumentieren, dass die Hypothese der Spezifität kognitiver Inhalte eine entscheidende Position innerhalb der Theorie und Praxis der kognitiven Therapie einnimmt, da sie zentrale Elemente der therapeutischen Interventionen leitet. Studien haben zwar starke Korrelationen zwischen kognitiven Inhalten und Psychopathologie gezeigt, Bemühungen um die Prüfung kausaler Beziehungen waren jedoch von geringerem Erfolg gekrönt. Natürlich ist Kausalität ein komplexes Gebilde, und wie auch an anderer Stelle in diesem Buch noch ausgeführt werden wird, hat die Theorie der kognitiven Therapie sich in zunehmendem Maße ein „Diathese-Stress-Modell“ der Kausalität zu eigen gemacht. In diesem Modell wird davon ausgegangen, dass die Ätiologie beispielsweise von einer Depression viele Faktoren beinhaltet, kognitive wie nicht kognitive, und dass nicht alle dieser Faktoren in allen depressiven Klienten operieren. Die Themen der kognitiven Spezifität etwa werden in der Regel evidenter, je stärker die Symptome ausgeprägt sind.

Die Bedeutsamkeit der Hypothese kognitiver Spezifität im Kontext von Ansätzen zur Ätiologie besteht darin, dass sie Therapeuten hilfreiche Anhaltspunkte dafür liefern kann, wo es sich lohnt, nach Interventionspunkten Ausschau zu halten. Wells (1997) beispielsweise zeigt, dass Klienten mit sozialer Phobie spezifische Verzerrungen in der Verarbeitung aufweisen. Diese Verzerrungen spiegeln übermäßig selbstfokussierte Sorgen wider, die sich auf die Beurteilung der eigenen Person in sozialen und leistungsbezogenen Situationen durch andere Menschen beziehen. Sobald die soziale Phobie beim Klienten zutage tritt, kann der Therapeut mit der Frage, wie der Klient seine Wahrnehmung von anderen Menschen und von deren möglichen Reaktionen auf ihn verarbeitet, oft sehr fruchtbare Ergebnisse erzielen. Das Modell kognitiver Spezifität legt außerdem nahe, dass die Unterstützung sozial phobischer Klienten bei der Überprüfung ihrer...

Blick ins Buch
Inhaltsverzeichnis
Cover1
Inhalt6
Danksagung10
Einfu?hrung12
Teil 1: Die theoretischenGrundlagen der kognitiven Theorie20
Auftakt: Beck und seine Gruppe21
1. Die kognitive Therapie ist um eine Fallformulierung herum organisiert23
2. Unterschiedliche Problembereiche werden in der kognitiven Therapie durch spezifische kognitive Themen abgegrenzt28
3. Die kognitive Therapie variiert mit ihrem Anwendungsbereich32
4. Die kognitive Funktionalität ist um die Existenz tief greifender Schemas herum organisiert36
5. Es ist hilfreich, die evolutionären Grundlagen psychischer Probleme zu verstehen39
6. Beck beschrieb zahlreiche Ebenen und Arten von Kognitionen43
7. Kognitive Verzerrungen spielen eine zentrale Rolle bei emotionalen Problemen, sind jedoch nicht notwendigerweise „irrational“48
8. Auch Vorstellungsbilder beinhalten zentrale Elemente kognitiver Verzerrungen52
9. Kognition, Emotionen und Verhalten interagieren mit wechselseitigen und reziproken Einflu?ssen aufeinander56
10. Sicherheitsverhalten einschließlich Vermeidung, Suche nach Ru?ckversicherung und Hypervigilanz spielen eine entscheidende Rolle bei der Aufrechterhaltung von Angststörungen60
11. Strategien, die den negativen Aufmerksamkeitsbias angehen, stärken das Modell der kognitiven Therapie64
12. Metakognition – die Art, wie Menschen u?ber das Denken denken – beeinflusst auch die Art, wie sie sich fu?hlen und verhalten70
13. Die Förderung von Achtsamkeit gegenu?ber negativen Gedanken wird in Zukunft vermutlich einen wichtigen Teil der kognitiven Therapie ausmachen74
14. Die Beck’sche Epistemologie hat einen klaren Prozess fu?r die Entwicklung angemessener therapeutischer Kenntnis, dem kognitive Therapeuten folgen sollen77
15. Die Protokollentwicklung und die Spezifikation von Fertigkeiten haben sich als wichtige Faktoren bei der Verbindung von Theorie und Praxis der KVT erwiesen80
Teil 2: Die praktischen Grundlagen der kognitiven Therapie82
Becks kognitive Therapie – ein Modell mit Prinzipien: 15 Kapitel zum Praxismodell83
16. Kognitive Therapeuten nutzen die Fallformulierung zur Fokussierung der therapeutischen Arbeit86
17. Kognitive Therapeuten nutzen, wie auch andere Therapeuten, Fallformulierungen zur Bewältigung interpersoneller und die therapeutische Beziehung betreffender Schwierigkeiten91
18. Die kognitive Therapie erfordert eine solide therapeutische Beziehung94
19. Kognitive Therapeuten betonen die Bedeutsamkeit von Zusammenarbeit in der therapeutischen Beziehung97
20. Die kognitive Therapie istzeitlich begrenzt99
21. Die kognitive Therapie ist strukturiert und direktional103
22. Die kognitive Therapie ist problem- und zielorientiert107
23. Die kognitive Therapie betont anfänglich die Gegenwart110
24. Die kognitive Therapie verwendet ein edukatives Modell113
25. Hausaufgaben sind ein zentrales Merkmal der kognitiven Therapie117
26. Kognitive Therapeuten lehren Klienten, ihre Gedanken zu evaluieren und zu modifizieren123
27. Die kognitive Therapie nutzt vielfältige Methoden fu?r die Veränderung kognitiver Inhalte128
28. Die kognitive Therapie nutzt eine Vielfalt von Techniken fu?r die Veränderung kognitiver Prozesse133
29. Die kognitive Therapie nutzt eine Reihe von Methoden, um Veränderungen im Verhalten herbeizufu?hren137
30. Kognitive Therapeuten haben die Messung therapeutischer Kompetenz entwickelt140
Zusammenfassung und Übersicht u?ber Teil 2146
Schlusswort148
Literatur154
Index164

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