Ein paar Worte vorab …
Wie funktioniert Kommunikation?
„Wie gut können Sie kommunizieren?“ Mit dieser Frage beginne ich oft meine Seminare. Die Teilnehmer antworten meistens sehr zurückhaltend. Nachfragen kommen, wie „Was genau heißt gut?“ oder „Kommt ganz auf die Situation an“. Die Seminarteilnehmer sind in der Regel sehr vorsichtig, denn sie vermuten (und zwar zu Recht), dass ich irgendetwas mit ihnen vorhabe.
Anders sieht die Sache aus, wenn man Menschen in „unverdächtigen“ Situationen fragt, also wenn sie nicht befürchten, dass ein Kommunikationstrainer sie gleich eines Besseren belehren wird. Dann antworten die meisten Befragten mit „gut“ bis „sehr gut“ oder auf einer Skala von null bis zehn mit Werten zwischen acht und neun.
Jeder glaubt, kommunizieren zu können
Fakt ist: Wir gehen davon aus, dass wir gut genug kommunizieren können, um uns darauf verlassen zu können, dass unsere Kommunikation funktioniert. Und in den meisten Fällen tut sie das ja auch. In den allermeisten Situationen verstehen wir uns. Wir haben Spaß, wir tauschen uns aus, wir verhandeln, wir überzeugen. Allerdings: Manchmal läuft es auch richtig aus dem Ruder. Bei einem kleinen Teil unserer Kommunikationssituationen funktioniert scheinbar nichts. Da entstehen Konflikte, da verlieren wir unsere Kunden, da passieren die Katastrophen.
Das Problem ist: Wir verlassen uns darauf, dass unsere Kommunikation funktioniert. Wir haben etwas gesagt und das muss doch verstanden worden sein. Wir glauben, unsere Kommunikation sei sicher. Leider falsch!
Zwischenmenschliche Kommunikation ist in einem hohen Maß unzuverlässig. Aber das ist gar nicht das eigentliche Problem. Das Problem ist, dass wir glauben, sicher zu kommunizieren, und gar nicht auf dem Schirm haben, wie wir uns in die Kata-strophe manövrieren.
Kommunikation ist die Basis für alles
Sie stimmen mir sicher zu, wenn ich behaupte, dass Kommunikation zu den absoluten Basiskompetenzen eines Menschen gehört. Egal, was Sie tun in Ihrem Leben, ob Sie Arbeiter, Banker oder Wissenschaftlerin sind, alles fußt letztlich auf Kommunikation. Kommunikation ersetzt natürlich kein Fachwissen, aber sie ist dafür die Basis. Sie stimmen wir weiterhin sicher zu, wenn ich sage, dass lebenslanges Lernen die Basis unserer heutigen Gesellschaft ist. Sie müssen ständig neue Dinge lernen, neue Regelungen, neue Verfahren, neue Prozesse. Aber bringen wir diese beiden Fragen doch mal zusammen: Wann haben Sie gelernt, mit anderen zu kommunizieren?
Wahrscheinlich haben Sie geantwortet: „im Mutterleib“ oder „von Anfang an“ oder so ähnlich. Und tatsächlich, wir kommen mit einem gewissen kommunikativen Grundrepertoire auf die Welt. Wir können schreien, wir können lächeln und wir können grunzen. (Ja, ich weiß, lächeln können wir nicht sofort – aber ziemlich schnell.) Schreien, lächeln, grunzen, das ist unser kommunikatives Starterpaket. Mehr können wir nicht – mehr brauchen wir aber auch noch nicht.
Wie sich kommunikative Kompetenz entwickelt
Bei manchen Menschen scheint es dann bei diesem Starterpaket zu bleiben, normalerweise entwickelt sich unsere kommunikative Kompetenz allerdings weiter. Mit etwa drei Jahren können wir sprechen. Und zwar so gut, dass wir auch komplexe Sätze bilden und verstehen können. Was wir mit drei aber noch nicht verstehen, ist alles, was zwischen den Zeilen steht. Wir verstehen noch keinerlei Andeutungen. Wir verstehen keine Ironie. Wir können auch nicht lügen. (Vielleicht versuchen wir es, aber das ist dann so auffällig, dass absolut jeder es bemerkt.) Das entwickelt sich etwa bis zum siebten Lebensjahr. Dann können wir lügen und wir verstehen auch Andeutungen, was natürlich noch lange nicht heißt, dass wir diese Andeutungen auch befolgen. Mit sieben haben wir also unsere kommunikative Werkzeugkiste fertig. Ein bisschen kommt dann noch in der Pubertät dazu, aber nicht viel – na ja, und natürlich jede Menge Fach- und Fremdwörter.
Wir tun zu wenig für unsere Kommunikation
Aber Hand aufs Herz: Wie viel Zeit haben Sie seit Ihrem siebten Geburtstag darauf verwendet, Ihre kommunikativen Fertigkeiten weiterzuentwickeln? Wahrscheinlich sagen Sie jetzt „nicht viel“. Vielleicht haben Sie das eine oder andere Buch gelesen. Vielleicht ein paar Seminare besucht. Aber wenn Sie diesen Aufwand damit vergleichen, wie viel Sie für andere lebenswichtige Erkenntnisse wie Integralrechnung oder die Heldentaten von Pippin dem Kurzen aufgewendet haben, dann sieht die Kommunikation wahrscheinlich ganz schön alt aus.
Vielleicht sagen Sie aber auch: „Stimmt gar nicht, schließlich entwickle ich mich ständig, in jedem Gespräch weiter.“ Leider schon wieder falsch!
Wenn Sie zum Beispiel heute Nachmittag eine längere Autofahrt machen, sind Sie nach dieser Fahrt ein besserer Autofahrer, eine bessere Fahrerin? Nein! Zumindest nicht, wenn Sie Ihren Führerschein schon eine Weile haben. Und warum nicht? Weil Sie das tun, was Sie immer tun, wenn Sie im Auto sitzen. Sie denken überhaupt nicht über das Fahren nach und können somit auch Ihr Können nicht entwickeln, außer: Sie schaffen es, sich in einen Unfall oder zumindest in eine wirklich brenzlige Situation zu manövrieren. Wenn Sie dann (danach) mit zitternden Händen einen Parkplatz anfahren und versuchen, sich zu beruhigen – wenn Sie dann darüber nachdenken, wie es zu dieser brenzligen Situation kommen konnte und wie Sie solche Situationen in Zukunft vermeiden können, dann entwickeln Sie sich weiter!
Aber muss es wirklich immer erst zu Katastrophen kommen, damit wir die nächste Stufe erklimmen können?
Ziel dieses Buches
Egal, ob Sie dieses Buch lesen, weil Sie besser verhandeln, leichter verkaufen oder effektiver mit Konflikten umgehen wollen – in diesem Buch werden Sie erfahren, wie unsere Kommunikation funktioniert, warum wir immer wieder in Konflikte rauschen und was Sie tun können, um in Zukunft leichter das zu erreichen, was Sie erreichen wollen. Sie werden konkrete Werkzeuge kennenlernen, die Ihnen helfen, in Verhandlungen ein besseres Ergebnis zu erzielen. Sie werden verstehen, wie Konflikte entstehen und was Sie tun können, um diese Konflikte zu deeskalieren. Kurzum, Sie werden eine ganze Reihe von Werkzeugen und Techniken lernen, mit denen Sie sich schlicht und ergreifend das Leben leichter machen können.
Die sechs Säulen effektiver Kommunikation
Eigentlich ist es ganz einfach, zielgerichtet und effektiv zu kommunizieren. Wenn es schwer und kompliziert wäre, wären wir Menschen wohl schon vor einigen hunderttausend Jahren ausgestorben. Auf der anderen Seite erleben wir immer wieder Missverständnisse, Konflikte und manchmal sogar den kommunikativen Supergau.
Wenn ich in diesem Buch davon spreche, neue Techniken zu erlernen und anzuwenden, dann rede ich immer auch von diesen schwierigen Situationen. Es ergibt keinen Sinn, immer und überall „professionell“ zu kommunizieren. Aber in diesen schwierigen oder herausfordernden Situationen können Sie sich eine ganze Menge Stress und Ärger ersparen, wenn Sie sich auf die sechs Säulen effektiver Kommunikation stützen.
Im ersten Schritt möchte ich Ihnen einen Überblick verschaffen, welches diese zentralen Säulen sind und was sie bedeuten. Natürlich bauen diese Säulen aufeinander auf. Deswegen werden wir danach jede Säule intensiv diskutieren und Techniken erarbeiten, wie Sie diesen Bereich meistern können. Allerdings ist jede einzelne Säule auch ein in sich abgeschlossenes Thema. Wenn Sie also wollen, können Sie direkt zu dem Kapitel gehen, das Sie im Moment am meisten interessiert, und sich mit den anderen Säulen später beschäftigen.
Das Gebäude der effektiven Kommunikation
1. Säule: Grundlagen
Die erste Säule sind die Grundlagen der Kommunikation: „Grundlagen – verstehen und verstanden werden“. Das klingt vielleicht etwas banal, dennoch ist dieser Bereich einer der wichtigsten im ganzen System. Wie oft missverstehen wir uns. Wie häufig reden wir aneinander vorbei oder bemerken gar nicht, was der andere eigentlich von uns will. Der schlimmste zivile Flugunfall, 1977 auf Teneriffa, als zwei Jumbojets auf der Piste ineinander krachten und 586 Menschen ihr Leben verloren, war eine reine Kommunikationspanne. In diesem Bereich werden wir uns deshalb mit den Tücken unserer Wahrnehmung und unserer Informationsverarbeitung auseinandersetzen.
Was können Sie tun, damit andere Sie besser verstehen (und damit auch eher das machen, was Sie wollen)? Aber natürlich geht es auch darum, was Sie bei sich tun können, um Ihre Umwelt besser zu verstehen und somit Konflikte und Missverständnisse von vornherein zu vermeiden.
2. Säule: Beziehungen
Die zweite Säule heißt „Beziehungen – Schmiermittel oder Bremsklotz“. Es ist schon komisch: Normalerweise machen wir uns Gedanken über Argumente oder irgendwelche rhetorischen Tricks, mit denen wir unser Gegenüber beeinflussen können. Und jetzt kommt, lange davor, dieses Beziehungsmanagement. In diesem Bereich wird deutlich, welche Auswirkung die Beziehung zwischen den Akteuren auf das Gelingen der Kommunikation hat. Und natürlich geht es hier darum, was Sie ganz konkret tun können, um Beziehungen zielgerichtet zu steuern.
3. Säule: Überzeugen
Die dritte Säule heißt „Überzeugen – oder wofür mache ich das eigentlich?“. Selbstverständlich geht es uns allen auch um ein harmonischeres Miteinander. Auch! Auf der anderen Seite haben wir natürlich Ziele und Interessen, und die wollen wir möglichst durchsetzen. In diesem Kapitel geht es deshalb darum, wie...