2Kooperationen von Unternehmen und Kommunen
Aus den bisherigen Ausführungen wird deutlich, dass es in puncto Familienfreundlichkeit aufeinander zulaufende Interessenlagen und Angebote von Unternehmen und Kommunen gibt. Unternehmen erwarten vom Staat, dass er ihnen weitere Informationen zur Förderung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf bereitstellt und dass Netzwerke, die sich mit dieser Thematik befassen, unterstützt werden. Vor allem die letztgenannte Erwartung adressiert eindeutig die lokale Ebene, da aus einer Vernetzung von Unternehmen mit weiteren Akteuren vor Ort sachgerechte Lösungen, die den lokalen Rahmenbedingungen entsprechen, resultieren können. Kommunen bieten in Lokalen Bündnissen für Familie nicht nur Informationsveranstaltungen zur familienbewussten Personalpolitik an, sie vernetzen auch Unternehmen untereinander wie auch mit Trägern der Kinder- und Jugendhilfe.
Vor diesem Hintergrund kann für den Bereich der Familienfreundlichkeit eine neuartige Aufgabenwahrnehmung von Kommunen und Unternehmen beobachtet werden. Kommunen entwickeln über die gesetzlich normierten Pflichtaufgaben hinaus Angebote und Maßnahmen zur Verbesserung der Vereinbarkeit von Familie und Beruf und binden dabei nicht staatliche Akteure zunehmend ein. Unternehmen haben ihrerseits die Steigerung der Familienfreundlichkeit zu einem personalpolitischen Ziel ernannt, welches sie im Rahmen der örtlichen Gegebenheiten und auch mit Unterstützung kommunaler Pflichtangebote und Lokaler Bündnisse für Familie verfolgen können. Diese weiterentwickelten Aufgabenwahrnehmungen von Unternehmen und Kommune werden konkret, wenn auf lokale Kooperationen von Erwerbswirtschaft und Staat geblickt wird.
Diese Kooperationen müssen nicht ausschließlich darauf ausgerichtet sein, ein konkretes Gemeinschaftsprojekt zu planen und umzusetzen. Sachgerechter erscheint ein weit gefasster Kooperationsbegriff für die gemeinsamen Aktivitäten von Unternehmen und Kommunen. Demnach sind – in Anlehnung an eine von Christa Etter vorgenommene Zusammenfassung des Kooperationsbegriffs – die Unabhängigkeit der Kooperationspartner, die Koordination der Aktivitäten sowie eine bessere Zielerreichung bei individuellem Vorgehen für Gemeinschaftsprojekte von Unternehmen und Kommunen maßgeblich (Etter 2003: 42).
Mögliche Inhalte intersektoraler Kooperationen von Unternehmen und Kommunen für mehr Familienfreundlichkeit können aus den beschriebenen Rahmenbedingungen sowie den Aktivitäten kommunaler und betrieblicher Familienpolitik abgeleitet werden. Theoretisch denkbar sind Kooperationen in den Themenfeldern Kinderbetreuung, Pflege, Familienunterstützende Dienstleistungen, Beruflicher Wiedereinstieg und Lokale Familienzeitpolitik.
2.1Kooperationen im Themenfeld »Kinderbetreuung«
Als wesentliche Voraussetzung für die gelingende Vereinbarkeit von Beruf und Familie gilt die Verfügbarkeit bedarfsgerechter Kinderbetreuungsangebote. Staatlicherseits sind mit der Einführung des Rechtsanspruches auf einen Kindergartenplatz im Jahr 1996 sowie mit dem Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung für unter Dreijährige aus dem Jahr 2013 zumindest de jure die Voraussetzungen für eine im Anschluss an die Elterngeldphase durchgängige Kinderbetreuung bis zum Schuleintritt realisiert worden. Gleichwohl besteht kein Rechtsanspruch auf eine bestimmte Betreuungsform und auch die angebotenen Betreuungszeiten stehen nicht immer im Einklang mit dem Betreuungsbedarf erwerbstätiger Eltern. Darüber hinaus erschweren mehrwöchige Schließzeiten von Kinderbetreuungseinrichtungen, Schulferien sowie unregelmäßige Unterrichtszeiten die Vereinbarkeit. Auch die Betreuung ihrer schulpflichtigen Kinder konfrontiert erwerbstätige Eltern mit besonderen Herausforderungen.
Auch wenn die Erfüllung des Rechtsanspruches für die Betreuung nicht schulpflichtiger Kinder in erster Linie als kommunale Pflichtaufgabe zu sehen ist, engagieren sich Unternehmen selbst auch durch die eigenständige Bereitstellung betrieblicher Kinderbetreuung. Sie setzen dabei zum einen an den noch nicht realisierten Verbesserungen des staatlichen Betreuungsangebots an und bieten eine ihren betriebswirtschaftlichen Bedarfen entsprechende Betreuung für die Kinder ihrer Beschäftigten an. Zum anderen übernehmen sie in diesem Feld Pionierleistungen, indem sie beispielsweise eine besondere Betreuungsqualität in ihren eigenen Einrichtungen gewährleisten.
Grundsätzlich lässt sich das Themenfeld Kinderbetreuung in die zwei getrennt voneinander zu betrachtenden Bereiche Kindertagesbetreuung und Ferien- bzw. Notfallbetreuung einteilen. Die Kindertagesbetreuung umfasst nach SGB VIII die regelmäßige und auf längere Dauer ausgerichtete Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen oder in Kindertagespflege. Die Ferien- und Notfallbetreuung dient hingegen dem Zweck, die Kinder außerhalb dieser regelmäßigen Betreuung für einen im Voraus definierten Zeitraum betreuen zu lassen. Innerhalb der Kindertagesbetreuung sind Kindertageseinrichtungen und Kindertagespflege zu unterscheiden:
•Die Kindertagespflege ist eine in § 22 Abs. 1 SGB VIII und § 43 Abs. 1 SGB VIII definierte familienähnliche Betreuungsform, in der bis zu fünf gleichzeitig anwesende Kinder betreut werden. Die Erteilung einer Pflegeerlaubnis erfolgt personenbezogen und auf Grundlage einer allgemeinen Eignungsfeststellung nach § 23 Abs. 3 SGB VIII, die durch landesrechtliche Regelungen aufgegriffen und teilweise konkretisiert wird. Kindertagespflege ist im Vergleich zur Betreuung in Tageseinrichtungen verhältnismäßig wenig reglementiert.
•Kindertageseinrichtungen sind nach § 22 Abs. 1 SGB VIII sowie § 45 SGB VIII Einrichtungen, in denen Kinder ganztägig oder für einen Teil des Tages aufgenommen sowie pflegerisch und erzieherisch regelmäßig betreut werden, die über haupt- oder nebenberufliches Personal verfügen und für die eine Betriebserlaubnis nach § 45 SGB VIII oder eine vergleichbare Genehmigung vorliegt. Kindertageseinrichtungen werden im Rahmen der Kinder- und Jugendhilfestatistik nach der Art des Trägers der Einrichtung unterteilt. Es gibt vier Typen von Trägerschaft (Träger der öffentlichen Jugendhilfe, Träger der freien Jugendhilfe, privat-gewerbliche Träger, in eigener Verantwortung durch das Unternehmen). In statistischem Sinne werden diese getrennt behandelt, auch wenn ein Träger sehr eng mit einem Unternehmen zusammenarbeitet und in erster Linie für das Unternehmen Betreuungsplätze bereitstellt. Nach Definition der Statistiker handelt es sich dann nicht um eine Betriebskita, sondern um eine Kindertagesstätte, »in der vorwiegend Kinder von Betriebsangehörigen betreut werden«. Hinzukommen Kindertagesstätten, in denen einzelne Belegplätze für Unternehmen zur Verfügung gestellt werden, die jedoch statistisch nicht erfasst werden.
Es ist also zu unterscheiden zwischen Einrichtungen, die vom Unternehmen selbst betrieben werden, und solchen, die durch einen anderen Träger (öffentlich, freigemeinnützig oder privat-gewerblich) verantwortet werden und in denen das Unternehmen Belegplätze für die Kinder der eigenen Belegschaft reserviert.
Der Begriff »Belegplätze« ist ausschließlich auf Einrichtungen anwendbar, die nicht vom Unternehmen selbst getragen werden. Die Verteilung der Plätze in der Einrichtung zwischen Kindern von Mitarbeitern und Kindern anderer Eltern wird vertraglich zwischen dem Einrichtungsträger und dem Unternehmen geregelt. Damit die Einrichtung öffentliche Förderung erhalten kann, ist es jedoch zwingend notwendig, dass auch Plätze für Kinder von anderen Eltern, die nicht im Unternehmen arbeiten, zur Verfügung stehen.4
Sowohl im Bereich der Kindertagesbetreuung/Kindertagespflege als auch im Bereich der Ferien- und Notfallbetreuung sind Kooperationen von Unternehmen und Kommunen denkbar. Deren Ausgestaltung kann sich jedoch mit Blick auf rechtliche und sachliche Aspekte durchaus unterscheiden: Die Kindertagesbetreuung unterliegt gesetzlichen Regelungen und erfordert häufig hohe finanzielle Aufwendungen, wohingegen die Ferien- und Notfallbetreuung kaum rechtlich geregelt ist und üblicherweise weniger Kosten nach sich zieht.
2.2Kooperationen im Themenfeld »Pflege«
Die Vereinbarkeit von Beruf und Pflege gewinnt aufgrund der Bevölkerungsalterung an Bedeutung und mit dem Anstieg der Lebenserwartung sowie der zunehmenden Zahl Hochbetagter wird auch die Anzahl Pflegebedürftiger anwachsen. Pflege und Versorgung erfolgen zu einem Großteil ambulant; nur ein knappes Drittel der Pflegebedürftigen befindet sich in stationären Pflegeeinrichtungen. Jedoch ist ein Trend zu beobachten, wonach aufgrund steigender Frauenerwerbstätigkeit die stationäre gegenüber der ambulanten (Angehörigen-)Pflege an Bedeutung gewinnt (Delta Lloyd 2006: 3), wodurch zunehmende Finanzlasten für die soziale Pflegeversicherung und – vor allem im Rahmen der Grundsicherung im Alter – für die Kommunen...