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E-Book

Krisen-PR bei politischen Parteien

AutorMichael Erhard
VerlagDiplomica Verlag GmbH
Erscheinungsjahr2008
Seitenanzahl98 Seiten
ISBN9783836609432
FormatPDF
Kopierschutzkein Kopierschutz/DRM
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis33,00 EUR
Schwarze Kassen, anonyme Spender, Schmiergeld, "Kölner Klüngel" – kaum ein anderer Bereich des öffentlichen Lebens wird so oft mit Affären und Skandalen konfrontiert, wie die Politik. Da auf diese ein enormes Maß an öffentlichem Interesse und medialer Aufmerksamkeit gerichtet ist, ist hier der Umgang der Politiker und Parteien mit ihren vermuteten oder tatsächlichen Verfehlungen von besonderer Bedeutung. Der "Megatrend zur Mediengesellschaft" zwingt die politischen Akteure zudem immer stärker, ihr Handeln und ihre Ziele den (potentiellen) Wählern über die Medien zu vermitteln und dabei den Eindruck der Transparenz und Glaubwürdigkeit zu erwecken.

Ziel des Buches ist es, vor diesem Hintergrund die Grundlagen der Public Relations (PR) bei Krisen zu erläutern und ihre Bedeutung für die politischen Parteien in Deutschland aufzuzeigen. Nach einer Einführung in die Grundbegriffe der Public Relations und der Abgrenzung zu anderen Bereichen der Öffentlichkeitsarbeit werden die Unterschiede und Besonderheiten von Polit-PR im Vergleich zur "klassischen" PR von Unternehmen aufgezeigt, bevor ein kurzer Überblick die Entwicklungen und Probleme der politischen Öffentlichkeitsarbeit behandelt.

Die funktionalen Aufgaben und die bedeutendsten methodischen Ansätze der Krisen-PR bilden den Kern des dritten Kapitels. Dabei wird insbesondere auf die jeweiligen Vor- und Nachteile der einzelnen Ansätze für die politische PR eingegangen. Zudem wird auch die Bedeutung des erfolgreichen Umgangs in der medial vermittelten Öffentlichkeit mit Affären und Skandalen erläutert. Es wird dabei nicht nur die Rolle der Krisen-PR als Instrument gegenüber der Öffentlichkeit näher betrachtet, sondern auch ihre Relevanz für die Geschlossenheit und Kampagnefähigkeit der Parteien, die letztendlich mitendscheidend für das "Unternehmensziel" sind: Die erfolgreiche (Wieder-)Wahl und die daraus resultierende Möglichkeit, die eigenen politischen Konzepte umsetzen zu können.

Anhand der bis dahin erfolgten Darstellungen wird das Verhalten der einzelnen relevanten Akteure inner- und außerhalb des Parteiensystems bei ausgewählten Affären analysiert.

Daraus resultierend kategorisiert und analysiert das fünfte Kapitel die Defizite bei der Konzeption und Umsetzung von Krisen-PR bei den genannten Beispielfällen.

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Leseprobe
Kapitel 4.1.1, Affären-Verursacher:

Die Auslöser der meisten hier behandelten Parteiaffären sind Spitzenpolitiker auf Kommunal-, Landes- oder Bundesebene.

Ähnlich wie bei der Flick-Affäre ist seitens der Beschuldigten bei den Affären der CDU rund um die anonymen Spenden an Alt-Kanzler Helmut Kohl und die ominösen Schwarzgeld-Konten im benachbarten Ausland keine oder nur völlig unzureichende Mitarbeit bei der Aufklärung der Sachverhalte festzustellen. Zwar beginnt die mediale Berichterstattung über dubiose Geldgeschäfte rund um die CDU-Politiker Walther Leisler Kiep und Holger Pfahls, sowie den Sohn des ehemaligen bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauss, Max Strauss und den Waffenhändler Karlheinz Schreiber bereits im Jahr 1995, wird jedoch mit Duldung (oder Billigung?) der CDU-Parteiführung – zumal einige ihrer Mitglieder auch selbst mit involviert sind – und der damaligen Bundesregierung bis zum Beginn der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen im Jahr 1999 von den Beteiligten „ausgesessen“.

Erst der unmittelbare Druck, der durch die Justiz und die dadurch mittlerweile zu Recherche „angestachelten“ Journalisten auf die Affären-Verursacher ausgeübt wird, führt zur Entdeckung des ganzen (?) Ausmaßes der teils strafbewehrten, teils zumindest strafrechtlich bedenklichen Spenden- und Finanztransaktionen. Dabei wird von den Tätern jedoch anscheinend nur zugegeben, was ohnehin durch Justiz und Medien aufgedeckt worden ist oder lapidar festgestellt, dass man sich an die fraglichen Vorgänge „nicht erinnern“ könne. Insbesondere das Schweigen von Alt-Kanzler Helmut Kohl über die Herkunft von anonymen Spendengeldern und die bereits nach kurzer Zeit offensichtlich falsche Ankündigung einer „brutalstmöglichen Aufklärung“ des hessischen Spendenskandals durch den Ministerpräsidenten Roland Koch stürzen die CDU in die größte Vertrauenskrise ihrer Geschichte und macht die Lage für sie „immer noch schlimmer“.

Dieses Verhalten der beteiligten Politiker führt letztendlich dazu, dass aufgrund immer neuer Enthüllungen über Monate hinweg die Parteifinanzen der CDU auf Bundes- und Landesebene in Hessen das dominierende Thema in Presse und Rundfunk sind und sämtliche anderen Politikfelder – insbesondere im Leitmedium Fernsehen – wesentlich weniger als sonst behandelt werden.

Zudem werden die mehr oder weniger konsequenten Aufklärungsbemühungen anderer CDU-Politiker rund um die neue Parteiführung um Wolfgang Schäuble und später Angela Merkel durch diese Art und Weise des Agierens der Täter nahezu vollständig konterkariert.

Zwar könnte in diesem Fall ein aus Sicht der PR im Sinne der schnellen Abwicklung des Themas dienlicheres Verhalten der Affären-Verursacher nicht die öffentliche Empörung über die Finanz-Affären verhindern, aber zumindest die negative Berichterstattung über Monate hinweg verkürzen und somit den Image-Schaden für die CDU verringern. Dies wird in diesem Fall jedoch nicht einmal in Ansätzen erreicht.

Gleiches gilt auch für die Hauptverantwortlichen innerhalb der Kölner SPD für die sogenannte Müll-Affäre, Norbert Rüther, Manfred Biciste und Karl Wienand. Möglicherweise vom CDU-Parteispenden-Skandal aufgeschreckt, sehen sie im „Reißwolf die letzte Rettung“ und vernichten mögliches Beweismaterial. Das Fehlen dieser Unterlagen und die bereits aus dem CDU-Skandal bekannten Verhaltensweisen des „partiellen Gedächtnisverlustes“ führen letztendlich zu einer Verschleppung der Ermittlungen und in der Öffentlichkeit zu einem Generalverdacht gegen weite Teile der SPD-Spitzenpolitiker nicht nur auf lokaler Ebene. Dieses nach Aussage von NRW-Ministerpräsident Wolfgang Clement „schleichende Gift“ beeinträchtigt über Wochen und Monate hinweg die Handlungsfähigkeit der SPD nicht nur in Köln, sondern auch auf Landesebene. Nach Aussage der Kölner Oberstaatsanwältin Appenrot führt der „Strukturen der Organisierten Kriminalität“ aufweisende Umgang mit (Spenden-)Geldern und die akute Verdunklungsgefahr durch die Beteiligten nicht nur zu mehreren Festnahmen, sondern auch zur Intensivierung und Ausweitung der ohnehin schon langwierigen Ermittlungen über Köln hinaus.

Aus Sicht der PR führt dies zum „GAU der Öffentlichkeitsarbeit“. Die negative Wirkung von Bildern von Politikern, die ins Untersuchungsgefängnis abgeführt werden, können durch keine noch so gute Kommunikationspolitik kompensiert werden.

Hinzu kommt, dass in diesem Zusammenhang auch kleinere Affären und Skandale wie beispielsweise die Vorgänge rund um den Oberbürgermeister von Wuppertal, Hans Kremendahl (SPD) oder den Saarbrücker Oberbürgermeister Hajo Hoffmann (SPD) von der durch die vorhergehenden Affären sensibilisierten Öffentlichkeit stärker beachtet werden. Auch bei diesen Fällen, in denen eher von persönlichen Verfehlungen der einzelnen Politiker, als von einem ausgedehnten „Klüngel-Netzwerk“ wie beispielsweise in Köln auszugehen ist, führt deren Verhalten – insbesondere im Fall Kremendahl die hartnäckige Weigerung, vom Amt des Oberbürgermeisters zurückzutreten – zu einer massiven Belastung der gesamten Partei.

Das Festhalten am Amt trotz Rücktrittsforderungen aus der eigenen Partei und anhängiger staatsanwaltschaftlicher Ermittlungen (Kremendahl) oder gar einer bereits erfolgten Verurteilung wegen Korruption (Hoffmann) lassen für die Öffentlichkeitsarbeit der eigenen Partei kaum mehr Handlungsspielraum. Eine schnelle Abwicklung wird durch dieses Verhalten nahezu unmöglich gemacht und sämtliche Anstrengungen der PR-Abteilungen laufen angesichts der umfangreichen und kritischen Berichterstattung der Medien ins Leere.

Ähnliches gilt auch für den Skandal um die unter zweifelhaften Umständen aufgelaufenen Milliarden-Verluste der Berliner Bankgesellschaft. Dabei handelt es sich zwar (vergleichbar mit den Fällen Kremendahl und Hoffmann) ursprünglich um keine Partei-Affäre im eigentlichen Sinne, doch wird durch das Agieren insbesondere des CDU-Fraktionsvorsitzenden im Berliner Senat, Klaus Landowsky, in den Augen der Öffentlichkeit zunehmend eine CDU-Affäre daraus. Landowskys hartnäckige Weigerung, seine politischen Ämter niederzulegen, sind daher die Hauptursache für den rapiden Ansehensverlust der Berliner CDU. Dies ist letztendlich auch der Auslöser für die Berliner Sozialdemokraten, die Große Koalition zu verlassen. Persönliches Fehlverhalten bei außerparteilichen Aktivitäten unter anderem von Landowsky und die hartnäckige Weigerung, daraus persönliche Konsequenzen zu ziehen, werden so im Endeffekt zu einer schwerwiegenden Krise der Berliner CDU.

Dabei ist es irrelevant, ob die einzelne Affäre bereits von Anfang an eine Parteiaffäre im eigentlichen Sinne ist, also ganze Parteistrukturen betroffen sind, oder aus den Verfehlungen von „Einzeltätern“ (wie zum Beispiel im Fall Kremendahl) sich erst später in den Augen der Öffentlichkeit eine Parteiaffäre daraus entwickelt. Die in Kapitel 3.2. erläuterten Methoden der Krisen-PR können daher im allen besprochenen Fällen kaum wirkungsvoll greifen:

Die Verheimlichung ist mit der Aufdeckung der Affären bereits fehlgeschlagen, die Ablenkung durch die interne Generierung anderer Themen ist angesichts der Prominenz der beteiligten Politiker und der nicht nur strafrechtlichen Relevanz ihrer Verfehlungen so gut wie unmöglich, die Aufklärung wird durch die Beschuldigten behindert und eine eventuelle Entschuldigung der Täter wirkt unglaubwürdig, solange die Affären-Verursacher nicht selbst die notwendigen Konsequenzen gezogen haben und die Aufklärung aus Sicht der Öffentlichkeit zumindest annähernd vollständig abgeschlossen ist.
Inhaltsverzeichnis
Inhalt3
1. Einleitung5
1.1. Problemstellung und Themenabgrenzung5
1.2. Aufbau der Arbeit6
1.3. Literatur- und Quellenlage7
2. Grundlagen der Parteien-PR9
2.1. Begriffsdefinition9
2.2. Abgrenzung zu anderen Feldern der Öffentlichkeitsarbeit10
2.2.1. Marketing11
2.2.2. Werbung12
2.2.3. Public Affairs13
2.2.4. spin doctoring14
2.2.5. Propaganda15
2.2.6. Zusammenfassung16
2.3. Grundlegende Aufgaben der Polit-PR16
2.3.1. Beeinflussung der öffentlichen Aufmerksamkeit17
2.3.2. Image-Konstruktion18
2.3.3. Kompetenzzuweisung20
2.4. Unterschiede der Parteien-PR im Vergleich zur „klassischen“ PR21
2.4.1. Die Partei21
2.4.2. Die Zielgruppen22
2.4.3. Das mediale Interesse23
2.4.4. Die politischen Konkurrenten23
2.5. Entwicklungen und Probleme der politischen PR25
2.5.1. Einflussnahme auf politische Inhalte25
2.5.2. Inszenierung statt Inhalt?26
2.5.3. PR als Thema der PR28
2.5.4. „image wars“29
3. Grundlagen der Krisen-PR31
3.1. Klassische Aufgaben der Krisen-PR31
3.1.1. Vorsorge31
3.1.2. Schadenserkennung33
3.1.3. Agieren statt reagieren33
3.1.4. Vertrauen schaffen34
3.1.5. Einflussnahme auf das agenda setting35
3.1.6. Schnelle Abwicklung36
3.2. Klassische Methoden der Krisen-PR36
3.2.1. Verheimlichung36
3.2.2. Ablenkung37
3.2.3. Aufklärung39
3.2.4. Entschuldigung40
3.3. Besonderheiten bei Affären im politischen System40
3.3.1. Partei41
3.3.2. Politische Konkurrenten42
3.3.3. Öffentlichkeit und Medien43
3.4. Die Bedeutung der Krisen-PR für Parteien44
4. Der Umgang der Parteien mit Krisen46
4.1. Die betroffene Partei47
4.1.1. Affären-Verursacher47
4.1.2. Parteiführung51
4.1.3. Partei-Basis57
4.1.4. PR-Abteilungen58
4.2. Parlamente und Ausschüsse59
4.3. Medien und Öffentlichkeit62
4.4. Justiz65
5. Fehler der Krisen-PR der Parteien69
5.1. Fehlende Krisenprävention69
5.2. Personalrekrutierung71
5.3. Fehlendes Krisenmanagement72
5.4. Fehlende Medienstrategie73
5.5. Glaubwürdigkeitsfalle74
5.6. Beratungsresistenz75
5.7. Fehlende Konsequenzen76
6. Schlussbetrachtung79
7. Anhang81
Der Autor97

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