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E-Book

Kursbuch Apotheke

Hintergründe und Perspektiven

AutorThomas Müller-Bohn
VerlagDeutscher Apotheker Verlag
Erscheinungsjahr2016
Seitenanzahl100 Seiten
ISBN9783769267082
FormatePUB
KopierschutzWasserzeichen
GerätePC/MAC/eReader/Tablet
Preis17,00 EUR
Wohin steuern die Apotheken? Apotheken stellen die Arzneimittelversorgung sicher und bieten qualifizierte Beratung. Eine stärker patientenorientierte Pharmazie macht allerdings noch mehr und wertvollere Leistungen möglich - aber im Alltag werden Apotheken zwischen ausufernder Bürokratie und unzureichender Honorierung aufgerieben Der Autor zeigt als intimer Kenner der Berufspolitik Zusammenhänge auf, und er liefert Argumentationslinien zu Zukunftsfragen rund um die Apotheke. Gleichzeitig vertieft er in diesem E-Book die Inhalte des ebenfalls von ihm verfassten und beim Hirzel Verlag erschienenen Manifests 'Das Prinzip Apotheke', liefert Hintergründe und entwickelt Perspektiven.

Dr. Thomas Müller-Bohn: Studium der Pharmazie an der Philipps-Universität Marburg, Studium der Betriebswirtschaftslehre an der Universität Bielefeld und Promotion in Pharmazie an der Rheinischen Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn. Nach Tätigkeit in der öffentlichen Apotheke seit 1995 freier Wissenschaftsjournalist und seit 1997 auswärtiges Mitglied der Redaktion der Deutschen Apotheker Zeitung. Autorentätigkeit u. a. für PTAheute und PKAaktiv. Referent bei Vorträgen und Seminaren, insbesondere zu apothekenspezifischen Qualitätsmanagementsystemen und zur Pharmakoökonomie. Von 2001 bis 2007 Lehrbeauftragter für Pharmakoökonomie an der Universität Hamburg, seit 2003 Lehrbeauftragter für Pharmakoökonomie an der Christian-Albrechts-Universität Kiel.

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Leseprobe
2

Patientensicherheit – eine internationale Idee


Das renommierte US-amerikanische Institute of Medicine veröffentlichte im November 1999 einen Bericht unter dem Titel „To Err is Human: Building a Safer Health System4. Darin verwiesen die Autoren auf Studien, nach denen mindestens 44 000, wahrscheinlich sogar 98 000 Menschen pro Jahr in den USA aufgrund eines Behandlungsfehlers sterben. Die Fehler sind damit in der Statistik der Todesursachen auf einem Niveau mit Verkehrsunfällen und Brustkrebs5. Solche Fehler können falsch ausgewählte Behandlungsmaßnahmen, Fehler in der Durchführung von Behandlungen oder Missverständnisse sein. Gelegenheiten dafür bestehen reichlich. Beispiele sind verwechselte Patienten, Verzögerungen in der Behandlung, technische Fehler bei Operationen oder vorhersehbare unerwünschte Wirkungen von Arzneimitteln. Die Folgen solcher Fehler müssen nicht immer tödlich sein. Doch wenn schon viele Patienten an solchen Fehlern sterben, liegt es nahe, dass noch viel mehr Patienten an etwas weniger schwer wiegenden Fehlern zu leiden haben. Die Veröffentlichung des Institute of Medicine kann im Nachhinein als Start einer Bewegung betrachtet werden, die das ganze Gesundheitswesen weltweit verändert. Es war eine Idee, deren Zeit gekommen war – und eine solche ist im Sinn eines berühmten Zitats von Victor Hugo nicht aufzuhalten.

Fehlerkultur in der Medizin


Ein zentraler Gedanke der so entstandenen Bewegung ist, auch in der Medizin eine Fehlerkultur zu schaffen, wie sie in anderen Lebensbereichen schon länger bekannt ist. Ärzte – „Halbgötter in Weiß“ – umgeben oder umgaben sich zumindest lange Zeit gerne mit dem Nimbus der Unfehlbarkeit. Wenn doch ein Fehler passierte, musste dieser verschwiegen oder beschönigt werden, um das Image zu wahren. In der Luftfahrt, in der ein kleiner Fehler ebenfalls tödlich – sogar für viele Menschen – sein kann, hat sich dagegen schon eher der Gedanke ausgeprägt, Fehler offensiv anzugehen. Diese Fehlerkultur setzt sich inzwischen langsam auch in der Medizin durch. Fehler sollen angesprochen werden, damit alle Beteiligten eines Systems daraus lernen können. Das gilt auch für Beinahe-Fehler, also Situationen, in denen ein gefährliches Problem zwar noch rechtzeitig entdeckt wurde, aber doch gefährlich spät – also beispielsweise das Erkennen einer Patientenverwechslung unmittelbar vor Beginn der Operation. Fehler beruhen vielfach nicht auf dem Versagen von Personen, sondern auf unangemessenen Strukturen. Gerade in dem sehr komplexen Gesundheitswesen mit zahlreichen Beteiligten und dementsprechend vielen Schnittstellen für die Informationsübermittlung gibt es besonders viele Fehlermöglichkeiten. Zur Fehlerkultur gehört auch, sachlich über Fehler zu sprechen, die Ursache zu suchen und diese mit Blick auf die Zukunft zu beheben. Weil die meisten Fehler im System begründet sind, müssen sie angesprochen werden, denn sie können beim nächsten ähnlichen Fall wieder auftreten. Die Bereitschaft zu solchen Betrachtungen setzt einen großen Sinneswandel voraus, denn lange Zeit wurden Fehler als persönliches Versagen betrachtet. Daher war es nicht verwunderlich, wenn niemand über Fehler sprechen wollte. Doch dies schadet dem System und künftigen Betroffenen, im Fall des Gesundheitswesens den künftigen Patienten. Ein weiterer Aspekt ist die juristische Sicht. Wenn die Beteiligten bei der offenen Kommunikation über Fehler juristische Konsequenzen, z. B. Schadensersatzforderungen, befürchten müssen, ist die Bereitschaft zur Aussprache gering. Daher ist die technische Untersuchung von Flugunfällen in Deutschland strikt von der juristischen Aufarbeitung getrennt. Dort gilt: „Juristen müssen draußen bleiben“ – und das ist gut so. Denn die Beteiligten müssen ohne Furcht vor juristischen Folgen über mögliche Fehler berichten können, weil das Leben künftiger Fluggäste davon abhängen kann. Das ist wichtiger als die Strafverfolgung oder Schadensersatzforderungen. Von dem erstrebenswerten Vorbild einer solchen institutionalisierten Struktur ist die Medizin leider noch weit entfernt.

Diese und viele ähnliche Überlegungen haben über Jahre zu weitreichenden Änderungen geführt, die mittlerweile auch Deutschland erreicht haben. Qualitätsmanagementsysteme von Krankenhäusern enthalten Instrumente zur Fehlererfassung und -vermeidung. Es werden Kommunikationsmöglichkeiten zur Erfassung von Fehlern geboten. Ein eindrucksvolles Beispiel ist die Aktion „Jeder Fehler zählt“ (www.jeder-fehler-zaehlt.de). Schon der Name des Projekts macht deutlich, dass erkannte Fehler hier als wertvoll angesehen werden, weil sie helfen können, künftige Fehler zu vermeiden. Dies senkt die psychologische Hürde einen Fehler zu melden. Viele Maßnahmen zum Erkennen und Vermeiden von Fehlern im deutschen Gesundheitswesen gehen vom Aktionsbündnis Patientensicherheit aus (www.aps-ev.de). Diese Organisation wurde 2005 gegründet und beschäftigt sich mit der Erforschung und Umsetzung von Maßnahmen für ein sicheres Gesundheitswesen. Mitglieder sind Patientenorganisationen, Berufsverbände, Krankenhäuser, Krankenkassen und viele andere Beteiligte des Gesundheitswesens. Noch vor rund zehn Jahren war Patientensicherheit ein Randthema – heute gibt es zahlreiche Veranstaltungen dazu. Fachgesellschaften und viele andere Organisationen im Gesundheitswesen haben spezielle Gremien dafür. Die Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn gründete 2009 sogar ein Institut für Patientensicherheit (www.ifpsbonn.de), das nach eigenen Angaben erste Institut für Patientensicherheitsforschung in Deutschland. Die Initiative dazu ging vom Aktionsbündnis Patientensicherheit aus, das auch den Lehrstuhl finanziert. An der Medizinischen Hochschule Hannover besteht zudem eine Professur für Arzneimittelsicherheit. Für die Forschung gibt es bei der Patientensicherheit viel zu tun. Es geht insbesondere darum zu verstehen, wie in den komplexen Strukturen des Gesundheitswesens Fehler und Missverständnisse entstehen. Denn dies ist die Voraussetzung, um solche Pannen künftig zu vermeiden.

In den Medien tauchen immer wieder Berichte auf, in denen über hohe Zahlen von Betroffenen oder gar Toten aufgrund von Fehlern im Gesundheitswesen die Rede ist. Oft erzielen diese Meldungen große Aufmerksamkeit, weil viele Tote für Schlagzeilen sorgen. Über die tatsächlichen Zahlen lässt sich in solchen Fällen immer streiten. Es ist im Einzelfall oft schwer zu sagen, ob ein Patient wirklich an einem Fehler oder an seiner Erkrankung verstorben ist. Darum werden hier keine einzelnen Studien zitiert. Entscheidend ist vielmehr, dass das Problem in den Fachkreisen längst angekommen ist. Das Bewusstsein ist schon relativ weit verbreitet. An diesem Problem wird gearbeitet, aber Lösungen sind oft schwer zu finden und noch schwerer umzusetzen.

Arzneimittelsicherheit


Die möglichen Fehler, von denen hier die Rede ist, betreffen das gesamte Gesundheitssystem. In einem Buch über Apotheker und Apotheken interessieren jedoch besonders solche Aspekte, die mit Arzneimitteln zusammenhängen. Dabei ist der seit Jahrzehnten etablierte Begriff der Arzneimittelsicherheit von dem in Deutschland erst seit etwa zehn Jahren geläufigen Begriff der Arzneimitteltherapiesicherheit zu unterscheiden. Die zentrale Idee der Arzneimittelsicherheit ist eine Nutzen-Risiko-Abwägung. Für kein wirksames Arzneimittel gibt es eine Garantie, dass dies bei allen Patienten wirkt, ohne dabei auch unerwünschte Effekte zu haben. Die Zulassungsbehörde bewertet auf der Grundlage der verfügbaren Informationen, ob die erwartete positive Wirkung in einem vertretbaren Verhältnis zu den möglichen unerwünschten Wirkungen steht. Absolute Sicherheit gibt es nicht. Doch der Verzicht auf Arzneimittel ist bei ernsthaften Erkrankungen meistens die schlechtere Alternative. In die Abwägung bei der Zulassung geht ein, bei wie vielen Patienten unerwünschte Effekte zu erwarten sind, wie schwerwiegend diese sind und welche vorteilhaften Effekte diesen gegenüber stehen6. Bei einem Arzneimittel gegen eine tödlich verlaufende Erkrankung werden auch schwerwiegende Nebenwirkungen toleriert, die bei einem anderen Arzneimittel gegen eine weniger belastende Erkrankung nicht zu akzeptieren wären. Wie schwerwiegend die Nebenwirkungen und wie vorteilhaft die Wirkungen empfunden werden, ist bis zu einem gewissen Grad subjektiv. Als Ergebnis eines solchen Abwägungsprozesses legen die Zulassungsbehörden fest, wie ein Arzneimittel bestimmungsgemäß zu gebrauchen ist. Dazu gehören insbesondere das Anwendungsgebiet, die Dosierung und die Anwendungsdauer. Diese sollen so gewählt werden, dass bei diesem bestimmungsgemäßen Gebrauch Nutzen und Risiken in einem angemessenen Verhältnis zueinander stehen. Eine Garantie gegen Nebenwirkungen in jedem...

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